In Wirtschaftsnähe vereint

Pleite Politiker der großen Koalition setzen sich dafür ein, dass die Lufthansa einen Teil der insolventen Air Berlin schluckt. Sie setzten damit eine unselige Tradition fort
Auf, auf und davon
Auf, auf und davon

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Luftbrücken kennt man von Kriegen und Naturkatastrophen. Kein Wunder, dass die Bundesregierung im Falle der Pleite-Fluggesellschaft Air Berlin nicht zu diesem Mittel greifen wollte. Sie entschied sich stattdessen dafür, einen 150-Millionen-Euro-Kredit zu spendieren, damit die Maschinen einstweilen weiter fliegen. Sonst hätten sie sofort am Boden bleiben müssen.

Stellen wir uns vor: Zehntausende deutsche Urlauber sitzen in Südeuropa fest. Wie sollen sie nach Hause kommen? Die Bundesluftwaffe könnte ihre klapprigen Transall-Transporter nach Mallorca schicken, die beinahe noch im Zweiten Weltkrieg mitgeflogen sind. Oder den neuen Militär-Airbus, bei dem, kaum in der Luft, Risse auftreten.

Ja, es ließen sich auch Passagiermaschinen chartern, um die Bundesbürger heimzuholen. Aber großes Durcheinander, öffentliches Wehklagen und herzzerreißende Reportagen über hilflose, im Stich gelassene, am Flughafen campierende Urlauber wären garantiert. Der Wahlkampf hätte sein Thema gefunden. Man kann es der Bundesregierung nicht verdenken, dass sie das vier Wochen vor der Bundestagswahl vermeiden wollte. Der Notkredit für Air Berlin ist deshalb kein Ausweis unzulässiger Wirtschaftsnähe.

Anders sieht es aus, wenn Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sagt: „Wir brauchen einen deutschen Champion im internationalen Luftverkehr" und damit die Lufthansa meint. Dieses Unternehmen, die Nummer Eins auf dem deutschen Markt, steht auch ohne Parteinahme der Regierung gut da. Die bisherige Konkurrenz durch Air Berlin, die Nummer Zwei, hat ihr nicht geschadet.

Politische Interventionen sind nicht nötig

Wenn die Lufthansa nun einen Teil der insolventen Air Berlin schlucken will, ist das eine unternehmerische Entscheidung, sollte aber kein politisches Ziel darstellen. Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) setzt sich trotzdem dafür ein. Und ihr Staatssekretär Matthias Machnig (SPD) fordert gleich noch, dass der Nürnberger Flugunternehmer Hans Rudolf Wöhrl Air Berlin nicht komplett übernimmt – damit die Lufthansa ihren Teil abbekommt. Zu beurteilen, ob das Wöhrl-Modell funktionieren kann, sollte der Politiker ebenfalls dem Geschäftsmann überlassen.

Der normale Gang der Dinge bestünde darin, dass die Firmen untereinander und mit dem Insolvenzverwalter verhandeln. Das Kartellamt und die EU-Wettbewerbsbehörde prüfen danach, ob die Air Berlin-Nachfolger durch dominierende Marktmacht die Verbraucherpreise zu hoch halten können. Politische Interventionen in den Markt sind hier nicht nötig, weil kein Anliegen von öffentlichem Belang gefährdet ist. Ja, nicht wenige der Arbeitsplätze bei Air Berlin sind ebenso bedroht wie die Vergütung der Beschäftigten beim neuen Arbeitgeber – das allerdings bei jeder der in Frage kommenden Lösungen. Konkrete Argumente, die die Lufthansa-Variante so erstrebenswert machte, nennen die beteiligten PolitikerInnen nicht.

Bleibt die Erkenntnis, dass die große Koalition wieder einmal ein offenes Ohr für die Interessen eines Konzerns hat – hier der Lufthansa. Champion-Freund Dobrindt ist derselbe, der die Autoindustrie vor der Einhaltung der Abgas-Grenzwerte und den Schadensersatzforderungen der Diesel-Fahrer schützt. Das Wirtschaftsministerium tut alles dafür, dass die Braunkohlekonzerne ihre klimschädlichen Kraftwerke weiterlaufen lassen können. Das ist zu große Wirtschaftsnähe. Darin verstehen Union und SPD sich sehr gut.

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