Lustvolles Frösteln

Kriminalromane Südafrikas ­renommierte Krimiautoren richten sich vor allem an eine internationale Leserschaft. Vor Voyeurismus und Sexismus haben viele keine Scheu

Der südafrikanische Kriminalroman ist ein Exportschlager. Deon Meyer wurde bereits zwei Mal, Roger Smith im vergangenen Jahr mit dem deutschen Krimi-Preis ausgezeichnet. Die Romane von Autoren wie Smith, Meyer, Margie Orford, Richard Kunzmann oder James McClure, also fast durchweg von weißen Afrikanern, die in englischer Sprache schreiben, richten sich weniger an heimische, als internationale Leser. Gerne werden dabei Sightseeingziele mit Blut und Verbrechen fürs fröstelnde Wiedererkennen hergerichtet. „Gruseltourismus für Südafrikareisende“ nannte das die Anglistin Julika Griem in einem Vortrag, den sie im Begleitprogramm der Kölner Ausstellung „Afropolis“ hielt.

So gerät in Roger Smiths Krimi Kap der Finsternis ein weißes Ehepaar in den Mahlstrom des Verbrechens, das symbolträchtig Kapstadts reiches Villenviertel Sea Point und das heruntergekommene Armenviertel Cape Flats gegenüberstellt. Der südafrikanische Krimi ist zwar in erster Linie Großstadtroman und folgt damit der hardboiled-Tradition mit ihren soziologischen Analysen der städtischen Topographie. Doch viele Autoren malen das Bild nicht funktionierender Megacities voller Gewalt und Verbrechen und verschmähen voyeuristische und sexistische Aspekte nicht. Roger Smith schildert genüsslich die Hinrichtung des mörderischen weißen Polizisten Rudi Barnard. Margie Orford richtet in Blutbräute Mädchenleichen am Strand von Sea Point her und versetzt den Leser mit ihren detaillierten Beschreibungen des Körpers ihrer Profilerin in eine „Peeping Tom-Perspektive“, wie Julika Griem kritisch anmerkte.

Sex and the City in Johannesburg

Der Kriminalroman wurde erst in den 1950er Jahren in Südafrika heimisch. Als Genre, dem es um die Wiederherstellung der Ordnung geht, stand es im Apartheidsystem Südafrikas mit seinem rassistischen Polizeiapparat a priori unter Verdacht. Frühe Autoren wie Arthur Maimane schickten deshalb private Ermittler auf Verbrecherjagd. Heute zeigt sich bei den Ermittlern ein differenzierteres Bild. Während Margie Orfords bei ihrer Profilerin und deren Kollegen jede ethnische Zuschreibung vermeidet, schickt Richard Kunzmann in Blutige Ernte, einem etwas übercodierten Krimi um magische Religion und Heroinhandel, das weiß-schwarze Ermittlerduo Harry Mason und Jacob Tshabalala auf Verbrecherjagd. Von unterschiedlichen Milieus, Kulturen und Religionen geprägte Ermittlungsmethoden müssen in einem schwierigen Kommunikationsprozess austariert werden. Umgekehrt kann es aber auch zu einem kalkulierten Transfer des Sex-and-the-City-Modells wie in Angela Makholwas Krimi Red Ink kommen. Da soll die Werbetexterin Lucy die Biographie eines Frauenkillers schreiben und erörtert vor allem, welche Garderobe für Begegnungen mit Massenmördern angebracht ist.

Zwar spult auch Deon Meyer sein Programm ab, wenn er in Dreizehn Stunden ein amerikanische Touristin am Tafelberg von Mördern jagen lässt. Doch gelingen ihm detaillierte Schilderungen der Afrikaans-Musikszene Kapstadts, er unterzieht die Vororte der schwarz-weißen Mittelklasse einer Musterung und macht die alltäglichen Verständigungsprobleme der Gesellschaft mit Einsprengseln diverser südafrikanischer Sprachen auch auf formaler Ebene erfahrbar. Deon Meyer ist unter Südafrikas international renommierten Krimiautoren sicher derjenige, der das Genre am genauesten für ein Panorama der Post­apartheidsgesellschaft nutzt.

Hans-Christoph Zimmermann berichtet für den Freitag auch aus der Welt des Theaters

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