Unerwarteter Sieg

IG Metall Jürgen Peters, der nominierte neue Vorsitzende, ist krisenerprobt - er könnte Stärken beweisen

Die IG Metall will inneren und äußeren Frieden. Traditionell soll der bisherige Vize Jürgen Peters im Oktober Erster werden. Der Stuttgarter Bezirksleiter Berthold Huber »nur« Zweiter. Zwickel und Huber wollten es anders. Und zahlreiche Medien waren vor der Entscheidung des Vorstandes einseitig informiert worden. Peinlich für die Süddeutsche Zeitung, denn sie hatte bereits eine Eloge voll Lobgesang verfasst unter der Überschrift: »Berthold Huber, Philosoph und Gewerkschaftsboss«. Der von so vielen Medien mit dem Markenzeichen »Reformer« hochgeschriebene Berthold Huber hatte aber bei einer geheimen Abstimmung im Vorstand der IG Metall nicht einmal alle Stimmen der Vertreter aus dem Ländle bekommen. Wie die Süddeutsche auf den alerten und nicht gerade bescheidenen »Gschaftl-Huber« gesetzt hatte, las sich so: »Peters trat am Dienstag im Vorstand offen gegen Huber an.« Es fehlte das Wort »unerhört«. In den vergangenen Jahrzehnten wurde Vorsitzender jeweils der bisherige Vize-Vorsitzende, der gewissermaßen für dieses Amt geprobt hatte. Weil Klaus Zwickel aus persönlicher Antipathie es anders wollte, wurde die Gewerkschaft monatelang mit Personalfragen gelähmt.

Seit 1972 war jeweils einer aus Baden-Württemberg Vorsitzender der IG Metall. Zuvor waren die Vorsitzenden Bezirksleiter in Stuttgart - im Musterländle finden sich ambitionierte Organisierte. In der IG Metall wurden die Baden-Württemberger auch schwäbische Mafia genannt. Klaus Zwickel war 1993 nicht als Vorsitzender vorgesehen. Gleichaltrig mit Boss Franz Steinkühler war Vize Zwickel lediglich als Redner für Jubilarehrungen gedacht. Auf natürlichem Wege hätte er Steinkühler nicht beerben können. Doch »der Franz«, wie er in der Organisation respektvoll genannt wurde, interessierte sich mehr für Aktien als für Aktivitäten. Der Stern brachte vermutliche Insidergeschäfte an die Öffentlichkeit, Franz Steinkühler trat zurück. Der Zufall spülte Klaus Zwickel an die Spitze. Vize und Anwärter auf seine Nachfolge war dann Walter Riester aus Stuttgart. Nach dessen Wechsel in das Kabinett Gerhard Schröder 1998 schlug Klaus Zwickel Bertin Eichler als Vize vor, Kassenwart und Westfale. Doch gegen ihn kandidierte »offen« ein Gewerkschafter bester Prägung: Jürgen Peters, Bezirksleiter in Hannover. Er sah die geplante neue Spitze als zu einfallslos. Und ihm folgte auf dem Gewerkschaftstag 1998 die Mehrheit.

Der neue Stellvertreter mit späterem Anspruch auf den Vorsitz wurde als Arbeiterkind 1944 im oberschlesischen Bolko geboren. Bei Hanomag in Hannover lernte er Maschinenschlosser. Im Jahr 1988 wurde Jürgen Peters Bezirksleiter der IG Metall Niedersachsen. Hier schrieb Peters Tarifgeschichte, als er Anfang der neunziger Jahre bei VW die Vier-Tage-Woche aushandelte und dadurch 30.000 Arbeitsplätze rettete. Die Gegenseite schätzt ihn als pragmatisch und zuverlässig. Jürgen Peters ist Vollblutgewerkschafter und daher ein Überzeugungstäter. Gewerkschafter aus dem Ländle denken anders - sie kamen jeweils aus einer Region mit einer prosperierenden Wirtschaft. Jürgen Peters aber kennt aus Niedersachsen Krisen. Es gibt dort einen halben Staatskonzern, viele Zulieferer, selbst wirtschaftliche Sorgen an der Küste sind dem Hannoveraner nicht unbekannt. In Krisenregionen Sozialabbau zu verhindern, das ist die Stärke des neuen Mannes an der Spitze. Über Gerhard Schröder sagt er, der Bundeskanzler bewege sich nur unter Druck. Den wird er bald von der IG Metall bekommen. Jürgen Peters gilt als Mann der klaren Worte. Nach dem Votum von vergangener Woche wurde Peters von der Sonntagszeitung der FAZ nach der Finanzierung des Sozialstaats und einer Entlastung der Unternehmen befragt. Die Antwort: »Die Entlastung der Arbeitgeber ist nicht meine Aufgabe. Das ist ja wohl ein Witz.« Anfang März in einem Freitag-Interview stellte Peters klar, dass die Parteien Druck bräuchten, damit wieder Debatten über gerechte Beschäftigungspolitik geführt werden könnten. »Als Gewerkschaften wollen wir natürlich, dass insbesondere diese Regierung sich wieder stärker der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet fühlt. Ich glaube auch, dass ein solcher Kurs mehrheitsfähig ist.« Es ist kein Zufall, dass der Bundeskanzler den geschmeidigen Gegenkandidaten Berthold Huber wiederholt in Berlin zu Gesprächen empfing. Das hat diesem wohl mehr geschadet als er glaubte.

Verlierer ist Klaus Zwickel. Er ist belastet in der Mannesmann-Affäre. Zwickel, der sich so gern als Klassenkämpfer sieht, ist am Ende mit dem Etikett des Gefügigen behängt. Als der Konzern Mannesmann von der britischen vodafone aufgekauft werden sollte, wurde an die Führungsschicht eine Summe von 125 Millionen DM Sonderzahlungen verteilt. Ein beträchtlicher Teil davon ist nun Gegenstand eines Gerichtsverfahrens wegen Untreue. Aufsichtsrat Klaus Zwickel läutete nicht die Alarmglocke und bei einem entscheidenden Gespräch stimmte er nicht einmal dagegen, er enthielt sich der Stimme. Als das ruchbar geworden war, behauptete die Pressestelle seiner Gewerkschaft falsch, er sei nicht dabei gewesen. Erst unter dem Druck von Ermittlungen räumte sie das Fehlverhalten ihres eitlen Vorsitzenden ein.

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