Spielerischer Umgang mit einem Militäreinsatz in Mali
Foto: Daphne Benoit/AFP/Getty Images
Auf der Sicherheitskonferenz in München hat Präsident Macron erklärt, er verstehe, wenn die USA nicht mehr „Sheriff für die Nachbarschaft Europas“ sein wollten. Folglich müsse das vereinte Europa für sich selbst sorgen und zu einer eigenen strategischen Kultur finden. Etwa in der Sahelzone. Frankreich hat dort als Ex-Kolonialmacht den Part eines Sheriffs seit Langem übernommen und seine Präsenz im Januar noch einmal um 600 Soldaten auf eine Truppenstärke von über 5.000 erhöht. Da der Einsatz zermürbend, verlustreich, unpopulär und teuer ist, drängt Paris auf Beistand. Vor allem deutsche Spezialkräfte sollten in die Region geschickt und Teil der aus EU-Staaten gebildeten „Operation Takuba“ geg
gegen die Macht terroristischer Netzwerke werden.Autoritär geprägte StaatenWarum, so fragt man sich, hat Paris bereits zweimal um derartige Unterstützung gebeten, obwohl davon auszugehen war, dass Berlin schon aus verfassungsrechtlichen Gründen ablehnen wird? Schließlich darf die Bundeswehr, die in der bewussten Gegend bereits mit 1.300 Mann an einer UN- und einer EU-Mission beteiligt ist, nur im Rahmen einer kollektiven Sicherheitsorganisation disloziert werden. Was also verspricht sich die französische Regierung von ihren mit Nachdruck unterbreiteten Ersuchen? Auf zwei Effekte scheint man bedacht: Nach dem Ausscheiden Großbritanniens aus der EU präsentiert sich Frankreich als maßgebliche Militärmacht Europas. Noch wichtiger scheint allerdings die erhoffte „pädagogische Wirkung“ zu sein, die Bundesregierung mittel- oder langfristig auf eine Verhaltensänderung einzuschwören. Läuft es optimal, wäre Deutschland für eine Interventionspolitik an der Seite Frankreichs gewonnen. Solange das nicht der Fall ist, verlangt Paris zumindest mehr Bereitschaft, anderweitig zu helfen, vor allem eine vorteilhaftere Lastenverteilung abzusegnen.Wie die 2012 gestartete „Opération Serval“ in Mali belegt, war man mit diesem Ansinnen durchaus erfolgreich. Das gilt freilich allein für den Lastenausgleich, kaum für die Lösung der politischen Konflikte vor Ort. Was vorrangig damit zu tun hat, dass Frankreich im westlichen Sahel primär einer sicherheitspolitischen Handlungslogik folgt. Zwar sind humanitäre und ökonomische Beweggründe nicht vollends ohne Belang, genießen aber mitnichten ein Primat wie militärische Maßnahmen.In der Region stößt das bei den Regierungen Malis, Nigers oder Mauretaniens auf wenig Gegenliebe. So ist denn auch die Finanzierung der von Paris vorangetriebenen Eingreiftruppe aus fünf Staaten des Sahel nicht gesichert. Da den betreffenden Ländern dafür schlichtweg die Ressourcen fehlen, bedürfte es – über Frankreich hinaus – eines internationalen Engagements. Es kommt hinzu, dass die nationalen Armeen über höchst unterschiedliche Fähigkeiten verfügen. Die Streitkräfte von Burkina Faso, Niger und Mali kommen als Kombattanten nicht ernsthaft in Frage. Allein das Militär im Tschad und in Mauretanien ist besser aufgestellt, steht aber nicht im Konfliktzentrum, eben dort, wo die Organisationen Al-Qaida des Islamischen Maghreb und Ansar Dine („Unterstützer des Glaubens“) ihr Aktionsfeld haben.Bei Mali, Niger, Mauretanien, Burkina Faso und dem Tschad handelt es sich überdies um von autoritären Strukturen geprägte, neopatrimoniale Staaten. Das heißt, staatliche Institutionen dienen primär der Versorgung einer eigenen Klientel und steter Machtsicherung, nicht dem Gemeinwohl. Die Regierenden zeigen wenig Neigung, ihre Privilegien durch Reformen zu gefährden. Umso mehr gilt, dass nachhaltiger Wandel nur aus einer dieser Gesellschaften selbst kommen kann. Dabei zu überwindende Hindernisse sind beträchtlich, weil endemisch und strukturell bedingt. Die vier entscheidenden Herausforderungen – Korruption, Ausbeutung, Klientelpolitik und transnationale kriminelle Netzwerke – kennen weder ethnische noch geografische Grenzen.Es ist nachvollziehbar, dass sich Frankreich dem auf Dauer nicht allein stellen will, doch ist mit mehr internationalem Commitment kaum zu rechnen. So wollen die USA ihre Spezialkräfte in der Region weiter reduzieren. Dadurch würden die Lasten für das französische Expeditionskorps wachsen. Zugleich sind die afrikanischen Partner derart schwach, dass Paris seine Militärbasen für absolut notwendig erachtet, weil ein Eingreifen von Europa aus viel teurer käme. Noch ein Umstand, der eine militärisch gestützte Interventionslogik zu bestätigen scheint.Nur was soll sie ausrichten, wenn die Kollision mit Langzeittrends in Nordafrika programmiert ist. Dazu zählen ein rapides Bevölkerungswachstum, die extreme Armut, zu wenig Arbeitsmöglichkeiten, mangelnde Produktivität, die ausbleibende Förderung von Humankapital, die hohe Verwundbarkeit einer maroden Infrastruktur, interne, oft ethnische Konflikte. Folglich ist anzunehmen, dass sich an der französischen Politik im westlichen Sahel so schnell nichts ändert. Vielleicht sind in Mali oder Niger kurzfristig taktische Stabilitätserfolge denkbar. Auf lange Sicht jedoch bleibt ein militärlastiger, letztlich die etablierten Regimes stabilisierender Ansatz zum Scheitern verurteilt.Subsahara-SelbstbestimmungFür die deutsche Afrikapolitik heißt das, sich nicht als Hilfssheriff der Franzosen zu verdingen, sondern ein nachhaltiges Entwicklungskonzept für die subsaharische Region zu verfolgen und so viel wie möglich davon in die Afrikapolitik der EU einzubringen. Priorität sollte die menschliche Sicherheit der lokalen Bevölkerung haben. Desgleichen der Grundsatz, dass ein gravierender Wandel zuerst von ihr selbst als dem letztlich wichtigsten Stakeholder kommen muss. Die dabei in Aussicht stehenden politischen Ordnungen werden nicht dem westlichen Staatsmodell entsprechen, sondern einen besonderen hybriden Charakter haben, den es anzuerkennen gilt.Placeholder authorbio-1
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