Schwer, aber es geht

KINDER- UND JUGENDBÜCHER Kleine Sprünge, ein Roman von Wilfried Grotes

Dies ist ein Kinderroman, der von Illusionen und Enttäuschung handelt. Von der ernüchternden Erfahrung, dass nicht alles ist, wie es scheint. Von der erschütternden Erkenntnis, dass gerade noch verklärte Erwachsene wie Mutter und Vater auch nur Menschen sind. Der davon erzählt, dass einem der Spaß vergehen kann, wenn das Leben zeigt, was eine Harke ist.

Also liegt hier ein ein traurig stimmendes Kinderbuch vor? Das gerade nicht. Wilfried Grotes Roman ist entwaffnend lustig, besitzt Charme, spielt mit der Traurigkeit und macht mit Witz erst richtig Mut.

Wilfried Grote erzählt die Geschichte des etwa sechsjährigen Oskar, der sich eigentlich ganz wohl fühlt, mit seinen Eltern zufrieden und zur Zeit wunschlos glücklich ist. Wunschlos? Einen bescheidenen Wunsch hätte er schon: ein neues Fahrrad. Und das wird es auch bald geben, oder? Gibt es nicht, und schuld daran ist ein kleiner Brief von den Stadtwerken, bei denen Vater Schubert als Busfahrer eingestellt ist. Eingestellt war, denn mit diesem Brief erhält Schubert seine Kündigung. Oskars Vater ist arbeitslos.

Ursprünglich wollten die Schuberts am Wochenende ein schönes Feiertagsprogramm abspulen, aber das können sie sich jetzt nicht mehr leisten. Nichts da mit Mittagessen im Biergarten und anschließendem Kinobesuch. Man muß jetzt sparen. Oskar zieht sich zurück, setzt sich ans Klavier und übt: "Ein hohes E sagte ihm: Keine Sorge, es wird alles gut, und von einem tiefen A erfuhr er: Richtig, es wird alles gut, aber du musst auch was dafür tun!" Was sollte er tun?

Diese kleinen melancholischen, aber nie depressiven Szenen machen den Reiz von Wilfried Grotes Roman aus. Besonders munter die kleinen, beiläufigen Begegnungen zwischen Vater und Sohn. Die beiden haben jetzt mehr Zeit füreinander und nutzen sie, ohne dabei zu vergessen, dass sie diese Stunden der Arbeitslosigkeit "verdanken". Ein schöner Zugriff: Wilfried Grote romantisiert nicht die Not, widmet sich den Sorgen und Befürchtungen seiner Figuren, zeigt aber auch, dass Ängste nicht lähmen müssen.

Oskar und seine Familie ziehen um, beginnen in neuer Umgebung ein neues Leben. Daran müssen sich alle gewöhnen. Das geht langsam, aber es geht. Vater Schubert findet einen neuen Job. Nichts Besonderes, aber es geht. Und die Familie hält zusammen - nicht immer blendend harmonisch, aber es geht. Das ist nicht unbedingt ein Happy-End, aber es geht.

Wilfried Grote: Kleine Sprünge. Roman. Mit Illustrationen von Verena Ballhaus, Ravensbruger Buchverlag Otto Maier GmbH 1999, 112 Seiten, 19,80 DM

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