Rechts-Schonung

Kommentar Sachsen-Anhalts neue Parolen

Als 1998 die DVU mit fast 13 Prozent in den Landtag von Sachsen-Anhalt einzog, war das Erschrecken groß. Für ausländerfeindliche und intolerante Parolen gab es offensichtlich einen gesellschaftlichen Resonanzboden. Im Herbst 1998 wurde auf einer Fachtagung der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt beschlossen, einen Verein zu gründen, der in mehreren regionalen Zentren ein Netz für Demokratie und Weltoffenheit knüpfen sollte. Die damalige Landesregierung unterstützte das Projekt großzügig. So entstand der Verein "Miteinander". Er erhielt zwei Millionen Mark jährlich. In Gardelegen, Weißenfels, Aschersleben und Rosslau wurden Regionalbüros eröffnet, die bald in ihrem Umfeld geschätzt wurden. Durch Hunderte von Projekten wurde eine weltoffene, demokratische Kultur gestärkt. Die extreme Rechte tobte und nannte den Verein eine Geldvernichtungsmaschine. Auch die CDU blieb skeptisch und erklärte, dass die Arbeit von einer einseitig links geprägten politischen Sicht bestimmt würde. Obwohl der Verein Mitglieder aus vielen gesellschaftlichen Gruppierungen hat, blieb das Vorurteil bestehen.
Als im April CDU und FDP die Wahlen gewonnen hatten, war im Koalitionsvertrag zu lesen, dass künftig "Miteinander e.V." wegen politischer Einseitigkeit nicht mehr gefördert werden würde. Als Medien kritische Nachfragen stellten, versuchte die CDU-Fraktion, sie durch diffamierende Äußerungen zum Verein und seinem Vorsitzenden abzuwehren. Der Versuch misslang. Die regionalen Zeitungen erklärten, die Einstellung der Finanzierung sei ein falsches Signal. Sie sollten recht behalten. Die freien Kameradschaften der rechtsextremen Szene fordern unterdessen das Verbot des Vereins und zollen dem jugendpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion Beifall. Überregionale Medien griffen den Fall auf. Seither arbeitet die neue Landesregierung an Schadensbegrenzung. Es sei alles nur ein Missverständnis, niemand habe an die Einstellung der Finanzierung gedacht, heißt es nun.
Man wolle nur die Art der Förderung ändern. Von der institutionellen zur Projektförderung ist die neue Parole. Der Staatsminister in der Staatskanzlei führte mit dem Vorstand ein freundliches und konstruktives Gespräch. Unmittelbar danach teilte er der Öffentlichkeit mit, dass die Kuh vom Eis sei und die Zukunft des Vereins gesichert. Davon kann jedoch nicht die Rede sein. Noch ist unklar, ob es wirklich eine parlamentarische Mehrheit für den Vorschlag gibt. Außerdem ist ungewiss, ob am 1. Januar 2003 weitergearbeitet werden kann. Der Zuwendungsbescheid bei Projektförderung lässt in der Regel lange auf sich warten. Wenn er erst zum Mai 2003 zugestellt wird, sind alle Messen gesungen. So könnte man die Arbeit des Vereins durch Verwaltungshandeln beenden.

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