Ein aus meiner Sicht bedenkenswerter Beitrag aus dem Schweizer Tages-Anzeiger, online veröffentlicht am 15.1.15, macht auf das Problem ausmerksam, dass Menschen auch als Terroropfer unterschiedlich behandelt werden. Ich hab außer einer Frage dem nichts weiter hinzuzufügen und zitiere deshalb nur den Text von Johannes Dieterich in Auszügen:
"Warum sagt niemand: «Je suis Nigérian»?
Die Opfer von Paris bewegen die Öffentlichkeit – anders als die Opfer der nigerianischen Islamisten.
Charlie Hebdo möchte dieser Tage jeder sein. Doch hat man schon irgendwo «Je suis Nigérian» oder «Je suis Nigériane» gehört? In Paris wurden in der vergangenen Woche 17 Menschen von extremistischen Islamisten umgebracht. Die Medien in aller Welt drohten von Berichten über die schaurige Tat zu bersten, zur Solidaritätskundgebung am Sonntag trafen unzählige Staats- oder Regierungschefs aus mehreren Erdteilen ein.
Im Norden Nigerias starben in derselben Woche mehrere Hundert – womöglich sogar über 2000 – Menschen im Kugelhagel oder in den Sprengstoffdetonationen extremistischer Islamisten. Erschreckende Gewalttaten, die in der Weltpresse höchstens am Rand Beachtung fanden. Wir mögen uns zwar im 21. Jahrhundert befinden, klagte ein südafrikanischer Kommentator bitter. Tatsache sei jedoch, dass afrikanische Leben noch immer weniger zählen würden. ...
Wenn der islamistische Terror der vergangenen Jahre etwas gezeigt hat, dann dies: Er kennt keine Grenzen. Er findet seine Opfer mitten in New York, London oder Paris, während die Drahtzieher in Afghanistan, Jemen oder Somalia Unterschlupf finden. Der gegen den Westen gerichtete Eifer radikaler Islamisten wurde im Irak, in Pakistan, im Gazastreifen, in Ägypten oder eben im Nordosten Nigerias gesät. ...
«In Afrika stirbt man einsam», schreibt Wonder Guchu, Chefredaktor der Zeitung «The Namibian»: Es müssen schon ganze Städte oder Landstriche ausgemerzt werden, damit afrikanische Opfer wahrgenommen werden. ...
Und noch etwas fällt auf. Die nigerianischen Blutbäder der vergangenen Woche fanden nicht nur in Europa wenig Niederschlag: Selbst in Nigeria und auch sonst in Afrika wurde darüber nur am Rande berichtet. Nigerias Staatschef Goodluck Jonathan drückte der Pariser Regierung sein Mitleid aus – die Opfer im eigenen Land erwähnte er nicht. Und seine Finanzministerin tweetete: «Wir sind eins mit Frankreichs Trauer #JeSuisCharlie» – der Twitter-Hashtag #JeSuisNigériane fiel auch ihr nicht ein. Schon immer haben sich Afrikas Machthaber eher mit Europa als mit der eigenen Bevölkerung identifiziert: Sie gehen nach Paris zum Einkaufen, zum Arzt nach Mainz und zur Bank in Zürich. ..."
Meine Frage ist: Warum sagt niemand angesichts alldessen "Ich bin Mensch", egal in welcher Sprache?
Korrektur: Mindestens ein Mensch hat das sinngemäß schon gesagt, nämlich Angelika Gutsche in ihrem Text "Je suis...." vom 12.1.15
aktualisiert: 15:51 Uhr
Kommentare 8
Mensch, ich komme bei ihren Texten nicht mehr nach. Sie schreiben schneller, als ich lesen kann. Und das heißt schon etwas. ;-)
Wandel der Zeiten: 1792 hieß es noch in einem US-amerikanischen Rechtsdokument: "All men are created equal."
Im Jahre 2014 verkündete ein US-amerikanischer Präsident in Westpoint: "The United States are the only indispensable nation in the world."
Wer also dem ersten Satz weltweit zur Geltung verhelfen muss, muss also die Vorherrschaft jener Administration, die den zweiten Satz verbrochen hat, weltweit politisch bekämpfen.
Dies ist ein logisch zwingender Zusammenhang.
Volle Zustimmung!
danke.
Auch wenn ich der Kritik im Prinzip zustimme, liegt ihr doch eine eingeschränkte Wahrnehmung zugrunde. Es wird nämlich unterschlagen, dass es durchaus weltweite Kampagnen in Bezug auf Afrika gegeben hat, z.B. 2014 die Kampagne http://bringbackourgirls.us/, die sich explizit auf Nigeria bezog. Spontan fällt mir auch die weltweite Kampagne für Nelson Mandela und gegen die Apartheit ein......
als ursachen für dieses seltsame verhalten fallen mir zwei dinge ein. der mann, der wie die pegida-leutchen den untergang des abendlandes kommen sah, nannte die menschheit ein phantom und berief sich dabei auf die galionsfigur der goethe-institute.
sich mit afrikanern oder anderen außereuropäern zu identifizieren fällt schwer bei den gigantischen ungleichheiten in einem jeden staat. diese ungleichheiten bestehen traditionell auch zwischen den bewohnern ganzer kontinente. es ist noch nicht sehr lange her, dass der sklavenhandel blühte.
Stimmt, ich bin leider auch hinterher, weil ich zwischendurch manchmal noch n bissl arbeiten muß ;-)
Beeindruckend, Hans.
Stimmt, aber hört man heut noch davon in der Presse, in den news ? Nein - wahrscheinlich erst bei den nächsten 200 Entführten oder bei ähnlichem.