Brief an Berliner Verbände

Flüchtlinge Ich habe einen Brief an große Berliner Sozial- und Wohlfahrtsverbände geschrieben, mit der Bitte, den Flüchtlingen am Oranienplatz zu helfen und darüber zu informieren.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Der Brief hat folgenden Text:

Sehr geehrte Damen und Herren,

als Mensch und als Journalist wende ich mich auf diesem Weg an Sie, um Sie auf die Situation der Flüchtlinge aufmerksam zu machen, die seit mehr als einem Jahr am Berliner Oranienplatz leben. Sicher oder vielleicht wissen Sie schon davon und engagieren sich für diese Menschen, die nach ihrer Flucht vor dem Krieg in Libyen eher vegetieren als menschenwürdig leben. Ein Beitrag in der Online-Ausgabe der Wochenzeitung Freitag hat kürzlich erst wieder auf ihre Lage aufmerksam gemacht: http://www.freitag.de/autoren/christopher-piltz/camp-der-vergessenen

Ich möchte die Beschreibungen, wie die Menschen am Oranienplatz leben müssen, nicht wiederholen. Angeregt durch einen Besuch im Camp und angeregt durch die in dem Beitrag geäußerte Kritik an dem Verhalten großer Verbände gegenüber den Flüchtlingen bitte ich als Mensch Sie darum, die Menschen am Oranienplatz nicht zu vergessen und ihnen zu helfen, wo es Ihnen möglich ist, falls Sie es nicht längst tun. Nicht erst die jüngste Katastrophe vor Lampedusa macht deutlich, dass Hilfe auch für diese Flüchtlinge ein Gebot der Stunde ist.

Als Journalist bitte ich Sie um Informationen, was Sie für diese Flüchtlingen bisher tun, und falls noch nicht, was Sie dafür tun können, die Situation dieser Menschen zu verbessern. Ich habe in Ihren Satzungen und Leitbildern zahlreiche Passagen gefunden, aus denen hervorgeht, dass Ihre Verbände von den darin beschriebenen Ansprüchen, Aufgaben und Vereinszwecken her die Voraussetzungen dafür mitbringen, den Flüchtlingen am Oranienplatz zu helfen. Ich bitte Sie um Verständnis, wenn ich daraus im Folgenden zitiere:

SoVD „Aufgaben und Ziele“: Der Sozialverband Deutschland e.V. (SoVD) fühlt sich dem Gedanken gesellschaftlicher Solidarität und der Idee sozialer Gerechtigkeit verpflichtet: jeder Mensch hat das Recht auf ein Leben in Würde und die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit - unabhängig von Alter, Geschlecht, Behinderung, Krankheit oder sozialem Status. Voraussetzung dafür ist ein Leben in sozialer Sicherheit.

Bereits seit mehr als acht Jahrzehnten versteht sich der Sozialverband Deutschland, damals noch Reichsbund, daher als Ansprechpartner und Anwalt sozial benachteiligter und von gesellschaftlicher Ausgrenzung bedrohter Menschen. Er macht auf soziale Missstände aufmerksam und nimmt Einfluss auf die Sozial- und Gesellschaftspolitik, um die Ursachen von Benachteiligung und Ungleichheit aus der Welt zu schaffen. Neben der Arbeit auf politischer Ebene steht die ganz konkrete Hilfe und Beratung im Einzelfall - eben als "Partner in sozialen Fragen".

Diakonie Leitbild: I. Grundsätze unserer Arbeit
Deine Sache aber ist es, für Recht zu sorgen. Tritt für alle ein, die sich selbst nicht helfen können. Nimm die Armen und Schwachen in Schutz.
[Sprüche 31,8]

Wir leisten unseren Beitrag dazu, dass unsere Mitglieder mit ihrer Arbeit Zeugnis geben von der Liebe und Barmherzigkeit Gottes in dieser Welt.

Wir verstehen uns als Anwalt für alle Menschen, unabhängig von Geschlecht, Herkunft und Alter, für Kinder und Familien, für Flüchtlinge, Kranke und Pflegebedürftige. Unsere besondere Hilfe gilt allen Menschen in seelischer und sozialer Not, unabhängig von ihrer konfessionellen, religiösen oder kulturellen Zugehörigkeit oder der sexuellen Identität.

Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. Satzung: 6. Es leistet auch Hilfe in besonderen Notsituationen und bei Katastrophen.

Caritasverband für das Erzbistum Berlin e.V. Satzung: § 4 (3) Der Verband nimmt insbesondere folgende Aufgaben wahr:

1. Er hilft Menschen in Not und unterstützt sie auf ihrem Weg zu mehr Chancengerech­tigkeit und zu einem selbstständigen und verantwortlichen Leben.
2. Er unterstützt Menschen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes der Hilfe Anderer bedürfen. Diese Hilfe erfolgt nach Maßgabe des § 53 der Abgabenordnung.
3. Er versteht sich als Anwalt und Partner Benachteiligter, verschafft deren Anliegen und Nöten Gehör, unterstützt sie bei der Wahrnehmung ihrer Rechte und tritt gesell­schaftlichen und politischen Entwicklungen entgegen, die zur Benachteiligung oder Ausgrenzung führen. Er übt das Verbandsklagerecht zugunsten hilfebedürftiger und benachteiligter Personen aus.

DRK Leitbild: Menschlichkeit

Wir dienen Menschen, aber keinen Systemen.

Unser Auftrag ist es, überall in der Welt das Leben und die Gesundheit von Menschen zu schützen und menschliches Leiden unter allen Umständen zu verhindern oder zumindest zu lindern. Helfen ist ein Beitrag zum Frieden.

Unparteilichkeit

Wir versorgen Opfer, aber genauso Täter.

Wir helfen den Menschen einzig nach dem Maß ihrer Not und fragen nicht nach der Schuld. Wir leisten Hilfe, ohne dabei einen Unterschied zu Staatsangehörigkeit, Rasse, Religion, sozialer Stellung oder politischer Zugehörigkeit zu machen.

AWO Leitbild: Wir bestimmen - vor unserem geschichtlichen Hintergrund als Teil der Arbeiterbewegung - unser Handeln durch die Werte des freiheitlich-demokratischen Sozialismus:

Solidarität, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit.
Solidarität bedeutet, über Rechtsverpflichtungen hinaus durch praktisches Handeln für einander einzustehen. Wir können nur dann menschlich und in Frieden miteinander leben, wenn das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes von der Politik umgesetzt wird, wenn wir für einander einstehen und die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal anderer überwinden. Wer in Not gerät, kann sich auf die Solidarität der Arbeiterwohlfahrt verlassen. Solidarität ist auch Stärke im Kampf um das Recht.
Gleichheit gründet in der gleichen Würde aller Menschen. Sie verlangt gleiche Rechte vor dem Gesetz, gleiche Chancen, am politischen und sozialen Geschehen teilzunehmen, das Recht auf soziale Sicherung und die gesellschaftliche Gleichstellung von Frau und Mann.

Volkssolidarität Satzung (§ 2): "Die Volkssolidarität ... bekennt sich zu den humanistischen und demokratischen Grundwerten ...

... vertritt die Interessen von in Deutschland lebenden ... sozial benachteiligten Menschen.

... setzt sich für die Wahrung und Verwirklichung ihrer sozialen, kulturellen, ökologischen und materiellen Rechte ein. ...

fördert und unterstützt ... die Solidarität und Gemeinschaft von Menschen aller Generationen; ... nationale und internationale Maßnahmen der Katastrophenhilfe und andere Fälle von Notfallhilfe ..."

Volkssolidarität Leitbild: Die Volkssolidarität ist eine Gemeinschaft für und von Menschen, die Solidarität brauchen und Solidarität geben. Wir bekennen uns zum Frieden in der Welt und zu den Menschenrechten.

Wir bieten Wärme und Geborgenheit und bringen unsere jahrzehntelangen Traditionen in die Zukunftsgestaltung ein.

Ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeiter wirken gemeinsam für soziale Gerechtigkeit und ein sinnerfülltes Dasein in der Gemeinschaft.

Uns verbindet der gemeinsame Anspruch, jedem - unabhängig von seiner sozialen Stellung, der persönlichen Situation und seinem Alter - ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

Ebenso bitte ich Sie um Verständnis, dass ich diese Anfrage ebenso wie Ihre Antworten in meinem Blog bei Freitag.de (http://www.freitag.de/autoren/hans-springstein) und meinem privaten Blog „Argumente & Fakten“ (http://springstein.blogspot.de/) veröffentliche. Es geht mir darum zu zeigen, dass etwas geschieht und geschehen wird, dass auch die großen Sozial- und Wohlfahrtsverbände in der Hauptstadtregion die Flüchtlinge am Oranienplatz nicht vergessen und ihnen im Rahmen ihrer Möglichkeiten helfen.

Ich danke Ihnen im Voraus für Ihre Antworten und Ihre Bemühungen

Mit freundlichen Grüßen

Hans Springstein

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Bis zum 16. Oktober habe ich außer aus der Diakonie keine weitere Antwort erhalten, weshalb ich mich noch einmal an die anderen Verbände gewandt habe:

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 8. Oktober hatte ich Ihnen untenstehende Anfrage übermittelt. Leider habe ich bisher keine Antwort von Ihnen darauf bekommen. Nur seitens des Diakonischens Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz wurde mir geantwortet, siehe http://www.freitag.de/autoren/hans-springstein/antwort-der-diakonie-auf-brief-an-verbaende.
Sicher sind Sie mit vielen anderen wichtigen Aufgaben beschäftigt. Dennoch halte ich die weiter ungeklärte Situation der Flüchtlinge am Oranienplatz, aber auch das Prinzip der Höflichkeit für so wichtig, dass ich sie erneut um eine Antwort bitte.

Mit freundlichen Grüßen

Hans Springstein

Der Brief ging per E-Mail an das Deutsche Rote Kreuz - Berliner Rotes Kreuz e.V., den Volkssolidarität Landesverband Berlin e.V., das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, den Caritasverband für das Erzbistum Berlin e.V., den SoVD Landesverband Berlin-Brandenburg und den AWO Landesverband Berlin e.V.

Ich werde die Antworten ebenfalls veröffentlichen, jeweils als Extra-Beiträge, wegen der übersichtlichen Lesbarkeit.

Hier geht es zur Antwort aus dem Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz

Hier geht es zur Antwort aus dem Caritasverband für das Erzbistum Berlin e.V.

aktualisiert: 17.10.13; 17:47 Uhr

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Hans Springstein

Argumente und Fakten als Beitrag zur Aufklärung (Bild: Eine weißeTaube in Nantes)

Hans Springstein

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