Ein Abschied, Lied für Lied

SILLY Die ostdeutsche Band hat kürzlich mit "Kopf an Kopf" ein neues Album vorgelegt.

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Ich habe mir das Album gleich am ersten Tag gekauft, in De Luxe-Variante, mit DVD. Ja, weil ich mich drauf freute. Weil ich die Musik der Band in der DDR-Zeit mochte und alle ihre Platten habe. Auch die erste ohne Tamara Danz, mit Anna Loos, "Alles rot".

Und nun habe ich "Kopf an Kopf" gehört. Aus verschiedenen Gründen kam ich nicht eher dazu. War das vielleicht besser so? War das ein Aufschub des Abschiedes von SILLY? Es könnte einen solchen geben, für mich. Das geht mir nicht mehr aus dem Kopf, seitdem ich "Kopf an Kopf" hörte.

Manches hatte schon bei "Alles rot" angefangen. Diese Ähnlichkeit im Sound mit SILBERMOND zum Beispiel. Kein Wunder, das zweite Album der ostdeutsche Poprockband produzierte Ingo Politz. Der hat das nun das zweite Mal für SILLY getan. Und das ist zu hören. Es ist mehr Pop als Rock, obwohl das Schlagzeug kracht und die Gitarren kreischen. Das klingt sogar zum Teil nach ROSENSTOLZ. Dafür sorgt Anna Loos mit ihrem Gesang, schon gleich beim ersten Lied, dem Titelsong. Dafür sorgen auch die Texte. Selbst die, die wieder von Werner Karma stammen, fallen da nur wenig aus der Reihe. Leider. Da ist mir zu viel Vulgärphilosophie dabei, z.B. bei "Dein Atlantis". Und "Deine Stärken" könnte von ROSENSTOLZ sein.

Musikalisch ist da Einiges an Neuer Deutscher Härte zu hören. Ganz so, als hätten Uwe Hassbecker und Ritchie Barton zu oft für Joachim Witt gespielt. Aber das ist ja weniger weg vom Pop als die Härte-Attitüde glauben machen will. Es gibt nichts Neues in den Liedern. Das ist natürlich schwierig nach so vielen Jahren. Es ist überhaupt schwierig, neue Melodien, neue Sounds, neue Töne zu finden, die nicht schon einmal zu hören waren. Aber gerade das konnte SILLY einst. Ihre Musik war anders als das, was sonst in Ost und West zu hören war. Es war auch nach der DDR nicht dieser neue deutsche Poprockeinheitsbrei. Jetzt erschlägt das Schlagzeug die Melodien, die Gitarren dröhnen die feineren Töne weg, spätestens beim Refrain.

Bei SILLY waren immer Überraschungen zu hören, ohne dass diese schräg waren. Ich kann das nicht genauer beschreiben. Ich bin kein Musiker, kann das nicht nach Harmonien und Akkorden analysieren. Aber ich höre, dass das Eigene und Besondere der SILLY-Musik aus dieser verschwunden ist. Ihre Seele ist weg ... es so zu beschreiben, fiel mir gerade ein. Das hat für mich nichts mit dem Verlust von Tamara Danz zu tun. Aber vielleicht trug dieser indirekt dazu bei.

Das alles ist nur mein persönlicher Eindruck. Und es ist ganz normal. Es verändert sich eben fast alles, fast nichts bleibt, wie es war oder mir erschien. Manches bleibt stehen und ich entferne mich davon. So hat sich die Band verändert, die Musiker. Ich hoffe, dass ich nicht stehengeblieben bin.

Auch ein Abschied ist normal. Geschah er nicht im Streit, bleiben gute Erinnerungen zurück. So fühle ich mich nach dem Hören von "Kopf an Kopf". Es bleibt die Sehnsucht nach den früheren Liedern von SILLY. Sie kamen mir schon damals zeitlos vor. Schön, dass ich sie immer wieder hören kann, wenn mir danach ist. So ist es kein richtiger Abschied auf Nimmerwiederhören.

Mehr zum neuen Album auf der Homepage von SILLY

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Geschrieben von

Hans Springstein

Argumente und Fakten als Beitrag zur Aufklärung (Bild: Eine weißeTaube in Nantes)

Hans Springstein

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