Gericht schützt Soldaten vorm Völkerrecht

Kunduz-Massaker Die Angehörigen der Opfer des Bombenmassakers von Kunduz 2009 erhalten keine Entschädigung von der Bundesrepublik Deutschland. Das hat das Landgericht Bonn entschieden

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Damit ist der Kampf der Angehörigen um Anerkennung der Opfer und Entschädigung durch den Staat Bundesrepublik Deutschland vorerst gescheitert. Die Bundesrepublik als Dienstherr des inzwischen zum General ernannten Bomben-Oberst Georg Klein sei nicht haftbar zu machen, da keine "Amtspflichtverletzung" vorliegen, erklärte das Gericht laut Spiegel online am 11. Dezember 2013. Das "Investigativmagazin" bringt nur diese kurze Zitat aus dem Urteil, ohne es weiter zu erläutern. Dafür wird noch einmal an das Ereignis erinnert, und daran, warum der Bomben-Oberst auch vor einer möglichen Strafe beschützt wurde.

Mehr zu dem Vorgang ist aus einer Pressemitteilung des Komitees für Grundrechte und Demokratie vom selben Tag zu erfahren: "Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass keine schuldhafte Amtspflichtverletzung feststellbar sei, da Oberst Klein davon ausgehen durfte, dass nur Taliban-Kämpfer vor Ort anwesend gewesen seien. Die gerichtliche Video-Auswertung der Aufnahmen aus den Kampfflugzeugen hätte keinen Hinweis auf anwesende Zivilisten ergeben, obwohl man deutlich sehen konnte, dass sich Menschen zu den Tankern aus drei verschiedenen Ortschaften hin- und herbewegten, um Benzin abzuzapfen. Eine Vernehmung von Oberst Klein zur Lagebeurteilung vor Ort hatte das Gericht nicht vorgenommen, da dies 'unerheblich' gewesen wäre." Das Gericht habe zuvor mit einer konkreten Beweisaufnahme zunächst Hoffnungen geweckt, dass das Völkerrecht zur Geltung kommen könnte, so Martin Singe vom Komitee. Eine vom Gericht vorgeschlagene Einigung zwischen Klägern und der beklagten Bundesregierung hätten die Regierungsvertreter abgelehnt mit dem Ziel, „Rechtsklarheit“ herzustellen.

"Nun hat die Regierung ihr Recht nach dem Motto 'Recht ist, was den Waffen nützt' (Helmut Kramer/Wolfram Wette)", so Singe. Das Urteil reihe sich in die Geschichte der Entscheidungen von Distomo und Varvarin ein. "Deutsche Soldaten sollen auch künftig ohne Angst vor Strafe bombardieren dürfen." Singe macht auf das Völkerrecht aufmerksam: "Die Genfer Zusatzabkommen regeln eindeutig, dass vor einem Angriff, bei dem Zivilisten betroffen sein könnten, wirksame Warnungen vorausgehen müssen." Diese Vorschrift sowie weitere Einsatzregeln habe Oberst Klein schwerwiegend verletzt. Dieser sei auch nicht auf den Vorschlag der US-Piloten eingegangen, doch vorab eine „Show of Forces“, also einen Tiefüberflug zur Warnung vorzunehmen. Das Gericht habe betont, dass sich Oberst Klein immerhin gegen eine 2.000-Pfund-Bombe zugunsten von zwei 500-Pfund-Bomben entschieden hätte. "Wollte er gar, dass Taliban-Kämpfer ungeschoren davonkommen könnten?", fragt der Komitee-Vertreter.

"Das Urteil ist eine schwere Niederlage für das Völkerrecht und zugleich ein großer Sieg der Bundesregierung, die sich künftig bei weiteren völkerrechtswidrigen Kriegen und Bombardements nicht mehr gerichtlich verantworten will. Es bedeutet einen Freibrief für künftiges mörderisches Verhalten von Soldaten. Einen Tag nach dem Tag der Menschenrechte hat das Völkerrecht vor dem Bonner Landgericht eine schwere Niederlage erlitten."

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Geschrieben von

Hans Springstein

Argumente und Fakten als Beitrag zur Aufklärung (Bild: Eine weißeTaube in Nantes)

Hans Springstein

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