Damit ist der Kampf der Angehörigen um Anerkennung der Opfer und Entschädigung durch den Staat Bundesrepublik Deutschland vorerst gescheitert. Die Bundesrepublik als Dienstherr des inzwischen zum General ernannten Bomben-Oberst Georg Klein sei nicht haftbar zu machen, da keine "Amtspflichtverletzung" vorliegen, erklärte das Gericht laut Spiegel online am 11. Dezember 2013. Das "Investigativmagazin" bringt nur diese kurze Zitat aus dem Urteil, ohne es weiter zu erläutern. Dafür wird noch einmal an das Ereignis erinnert, und daran, warum der Bomben-Oberst auch vor einer möglichen Strafe beschützt wurde.
Mehr zu dem Vorgang ist aus einer Pressemitteilung des Komitees für Grundrechte und Demokratie vom selben Tag zu erfahren: "Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass keine schuldhafte Amtspflichtverletzung feststellbar sei, da Oberst Klein davon ausgehen durfte, dass nur Taliban-Kämpfer vor Ort anwesend gewesen seien. Die gerichtliche Video-Auswertung der Aufnahmen aus den Kampfflugzeugen hätte keinen Hinweis auf anwesende Zivilisten ergeben, obwohl man deutlich sehen konnte, dass sich Menschen zu den Tankern aus drei verschiedenen Ortschaften hin- und herbewegten, um Benzin abzuzapfen. Eine Vernehmung von Oberst Klein zur Lagebeurteilung vor Ort hatte das Gericht nicht vorgenommen, da dies 'unerheblich' gewesen wäre." Das Gericht habe zuvor mit einer konkreten Beweisaufnahme zunächst Hoffnungen geweckt, dass das Völkerrecht zur Geltung kommen könnte, so Martin Singe vom Komitee. Eine vom Gericht vorgeschlagene Einigung zwischen Klägern und der beklagten Bundesregierung hätten die Regierungsvertreter abgelehnt mit dem Ziel, „Rechtsklarheit“ herzustellen.
"Nun hat die Regierung ihr Recht nach dem Motto 'Recht ist, was den Waffen nützt' (Helmut Kramer/Wolfram Wette)", so Singe. Das Urteil reihe sich in die Geschichte der Entscheidungen von Distomo und Varvarin ein. "Deutsche Soldaten sollen auch künftig ohne Angst vor Strafe bombardieren dürfen." Singe macht auf das Völkerrecht aufmerksam: "Die Genfer Zusatzabkommen regeln eindeutig, dass vor einem Angriff, bei dem Zivilisten betroffen sein könnten, wirksame Warnungen vorausgehen müssen." Diese Vorschrift sowie weitere Einsatzregeln habe Oberst Klein schwerwiegend verletzt. Dieser sei auch nicht auf den Vorschlag der US-Piloten eingegangen, doch vorab eine „Show of Forces“, also einen Tiefüberflug zur Warnung vorzunehmen. Das Gericht habe betont, dass sich Oberst Klein immerhin gegen eine 2.000-Pfund-Bombe zugunsten von zwei 500-Pfund-Bomben entschieden hätte. "Wollte er gar, dass Taliban-Kämpfer ungeschoren davonkommen könnten?", fragt der Komitee-Vertreter.
"Das Urteil ist eine schwere Niederlage für das Völkerrecht und zugleich ein großer Sieg der Bundesregierung, die sich künftig bei weiteren völkerrechtswidrigen Kriegen und Bombardements nicht mehr gerichtlich verantworten will. Es bedeutet einen Freibrief für künftiges mörderisches Verhalten von Soldaten. Einen Tag nach dem Tag der Menschenrechte hat das Völkerrecht vor dem Bonner Landgericht eine schwere Niederlage erlitten."
Kommentare 17
Danke für diesen Beitrag!!!
Ich war schockiert, als ich die Nachricht über das Urteil gelesen habe und bin sprachlos und entsetzt.
Wenn nicht spätestens hier deutlich wird, daß die Jurisprudenz auf dem Weg ist, nur noch dem unselige Konglomerat Wirtschaft/Politik die Bahn zu bomben. (Nur als Anmerkung: ebenso himmelschreiend die Äußerungen des sogenannten Bundesanwaltes Runge, es gäbe keine Abhörungen durch die NSA.) Ja spinne ich, oder wer?
Hallo Hans,
mich hat dieses Urteil nicht wirklich überrascht. Selten werden die Mächtigen für ihren Gewalteinsatz von ihren eigenen Gerichten bestraft. Dennoch: Den militärischen Einsatz nahe Kunduz sehe ich etwas zwiespältiger als Du, weswegen ich den Vergleich mit Distomo & Varvarin nicht angemessen finde. Unabhängig davon wie man selbst es findet _ der Afghanistankrieg hat zumindest einen UN-Beschluss als Grundlage. Die Gemenge- & Gefahrenlage nahe Kunduz kann ich auch nach noch so zahlreichen Berichten nicht real einschätzen, da es heutzutage recht schwierig ist, dem Berichteten zu vertrauen.
Die völkerrechtswidrigen Angriffe & Massaker in Griechenland & Serbien hingegen waren bewusste, eiskalte Tötungsmaßnahmen an Zivilisten. Doch auch hier wurde niemand zur Rechenschaft gezogen.
"Gericht schützt Soldaten vorm Völkerrecht"
Das sehe ich anders.
Gericht schützt nicht Soldatren, sondern Geheimdienste in Berlin, vor Ort in Afghanistan davor als Zeugen, gar als Beschuldigte vor Gericht vernommen zu werden, die Soldaten, hier Oberst Klein mutmaßlich via erfundener und dubioser Informanten vor Ort vorsätzlich dahingehend falsch gebrieft haben, dass hier von Gefahrenlagen ausgegangen wurde, die, lt. US- Pilot nicht nachvollziehbar waren und den gerade geänderten Richtlinien für Einsätze in Afghanistan diametral entgegen liefen.
Warum?, weil Bundestagswahl 2009 war, und die Bundeswehr als ultra brutaler Crusader vor Ort in Afghanistan vorgeführt werden sollte, der kampfbereit Deutschland offensiv am Hindukusch verteidigt, koste es an zivilem Leben, was es wolle.
Das n. m. E. bisher eindeutig verifizierbar eigentliche Dienstvergehen Oberst Kleins war sein Verhalten nach dem mörderischen Bombenabwurf. Anstatt Beweise vor Ort zu sichern, sichern zu lassen, Zeuegn, Überlebende des völkerrechtswidirgen Bombenabwurfs zu verhören, wurden systematisch Spuren vernichtet.
Warum?, weil es womöglich um etwas anderes von geheim gehalten dritter Seite? ging? als die hochgepeitscht heraufbeschworenen Gefahrenlagen?, nämlich um einen
"Benzin Deal"
mit bestimmten Teilen der Taliban?, zu dem die Kaperung des Tanklastzuges vor Kunduz dazu gehörte?
Es wird hier mit Sicherheit in die Berufung gehen und neue Prozesse mit ganz anderer Richtung nach sich ziehen?
Ich habe seinerzeit Strafanzeige gegen Schröder, Fischer und Scharping gestellt. Der Bundesanwalt beschied mir, mit freundlichen Grüßen, zu einer engagierten Gruppe von Staatsbürgern zu gehören und ... daß es keinen Anfangsverdacht für eine Straftat gäbe. Punkt.
Ihr Engagement ehrt Sie, aber leider gibt es auch in noch so ´vorbildhaften´ Demokratien, wie sich Deutschland & viele weitere Länder gern darstellen, kein Schuldbewußtsein für menschenverachtende Taten. So viel ich weiß wurde seinerzeit eine Klage bez. der Tötungen von Zivilisten in Varvarin abgewehrt, weil Deutschland an den Angriffen nicht mittelbar beteiligt war. Das ist ein glatter Hohn da es sich um einen konzentrierten NATO-Angriffskrieg handelte, den insbesondere Deutschland maßgeblich forciert hat.
Grundsätzlich bin ich bez. deutscher, europäischer etc. _ kurz demokratischer Rechtsprechung relativ abgelöscht, was nicht bedeuten soll, dass ich mich nicht trotzdem aufrege...
Was ist, wenn dank NSA Datensammelwut herauskommt, dass es zwischen Kanzleramt, dortigen Geheimdienstkoordinanten, einen direkten Satelliten Tefonverkehr mit BND-, MAD- Leuten vor Ort am 4. September 2009 in Kunduz Absprachen gab, die Bombardierung, wie auch immer, sogar gegen Oberst Klein Willen zu veranlassen, der nicht etwa in seinem vorgesehenen Gefechtsstand erreichbar war, sondern im BND- Gefechtsstand, von seinen miltärischen Beratern fern, Kommandos gab.
Das wurde in dem TV- Film mit Matthias Brandt als Oberst Klein herausgespielt
Hallo Mymind,
na da bekommst Du auch Widerspruch: Für den Krieg in Afghanistan gibt es keinen UN-Beschluss als Grundlage. Die Behauptung, dass die UN-Resolutionen Resolution 1368 (2001) und 1373 (2001) eine solche Grundlage seien, hat schon 2001 neben anderen der Völkerrechtler Norman Paech widerlegt, siehe hier. Genauso wenig wie für den NATO-Krieg gegen Jugoslawien gibt es also auch nicht einmal ansatzweise eine Berechtigung dafür, dass auch nur ein deutscher Soldat sich in Afghanistan zu kriegerischen Zwecken aufhält. Das gilt auch für jeden anderen Soldaten aus fremden Nationen am Hindukusch. Sie verteidigen nichts weiter als die neokolonialen Interessen der herrschenden ihrer Länder, egal, wo sie Krieg führen. Deshalb stimme ich dem Vergleich von Martin Singe zu. Ja, und deshalb werden die Kriegstreibenden und ihre uniformierten Handlanger eben auch nicht nach dem herrschenden Recht zur Rechenschaft gezogen.
Hallo Hans,
ich lass mich gern belehren, aber:
Den Beschluss der UN gab es dennoch, der zielte mit den Resolutionen auf die ´Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit´sowie dem Recht der ´Selbstverteidigung´. Letztere ist ein dehnbarer Begriff & wird unterschiedlich geahndet, aber die UN stufte die Konsequenz von 9/11 als solche ein. Wie bereits gesagt, unabhängig wie wir das finden, aber wenn die UN nicht mehr zählt, dann müssen wir sie abschaffen. Ich wäre sofort dafür, aber es müsste dennoch in dem ursprünglichen Sinne eine neue Weltorganisation geben, besser & nicht so korrupt wie sie gerade ist!
Eine andere Frage ist, ob diese Resolution dem Völkerrecht entspricht! Eigentlich war ja die Gründung der UN dazu gedacht eben diese Institution dafür zu schaffen, inwiefern sie dafür unvoreingenommen geeignet ist, erleben wir seit Jahrzehnten...
In den beiden anderen Vergleichen gab es noch nicht einmal eine Resolution, geschweige denn ein Recht der Selbstverteidigung!
Nein, ich will niemand belehren. Ich weise nur auf Fakten und Argumente hin. Und einen solchen UN-Beschluss zu Afghanistan, für einen Krieg dort gegen wen auch immer, gab es nicht, siehe eben u.a. Paech. Deshalb heißt das, woran sich die Bundeswehr beteiligt, ja auch "International Security Assistance Force (ISAF)". Diese Tarnbezeichnung war und ist den Kriegstreibenden und ihren Handlangern sehr wichtig. Das durfte ja nicht mal offiziell Krieg genannt werden, weil es dafür nicht mal eine formale Rechtfertigung gab. Das, was beschlossen wurde, wurde so ausgelegt, um damit den tatsächlichen Krieg in Afghanistan rechtfertigen zu können. Das ist natürlich ein Problem, wenn Resolutionen auslegbar sind. Aber hin wie her, das macht das Eine nicht besser als das Andere.
PS: Ich werde da jetzt auch gar nicht weiter drüber rumdiskutieren.
Sorry Hans, bevor wir einander vorbeireden: Du selbst weist auf die Resolution 1368 hin, der eben auch ein Krieg mit einschließt. Natürlich kann sie auch anders gedeutet werden, aber sie ist eindeutiger als z.B. die Resolution bez. Lybien, die ja komplett uminterpretirt wurde.
Anyway möchte ich hier auch keine Haarspalterei betreiben, mir ging es vor allem um den o.b. Vergleich, den ich, UN hin oder her, nicht ziehen möchte.
Hatte das eigentlich als Beitrag verfasst aber wohl vergessen, es zu veröffentlichen. Da Springstein jetzt schon etwas zum Thema geschreiben hat, f+ge ich es hier ein^^.
Wir sind Woyzeck!
"Er hat keine Moral" Urteil des Landesgerichts Bonn zum Luftangriff der Bundes wehr in Kunduz spricht von "Amtspflichtverletzung"
Zitat: "Woyzeck, Er hat keine Moral! Moral, das ist, wenn man moralisch ist, versteht Er." sagt der Hauptmann im gleichnamigen Theaterstück von Georg Büchner.
Der Artikel auf Spiegel-Online zum Urteil des Landesgerichtes Bonn über den von der Bundeswehr durchgeführten Einsatz, bei dem unschuldige Zivilisten zu Tode kamen, lässt zumindest vermuten, daß es ausreichend sei seine Amtspflicht zu erfüllen, um moralisch konsequenzlos Bomben auf Zivilisten zu werfen.
These:
Der Akt der Tötens als amoralisch korrekter Verwaltungsvorgang.
Kommentar:
Angesichts des Urteils muss sich Deutschland schon die Frage gefallen lassen, ob derlei Einsätze überhaupt noch irgendeiner durch Politik gesetzten moralischen Grundlage bedürfen? Es wirft die Frage auf, ob es noch einen logischen SINN ergibt, Einsätze der Bundeswehr wie diesen auf der großen politschen Bühne moralisch zu inszenieren und zu legitimieren, aber etwaige Konsequenzen des Handelns (für das Leben von Mitmenschen und Angehörigen) mit Landesgerichtsurteilen auf die amoralische Korrektheit von Amtspflichten steril sezierend herunterzubrechen und Konsequenzen zu verweigern?
aber dan ke nochmals an springstein. wenigstens einer mehr als ich, dem beim lesen dieser nachricht nicht nur ein licht sondern auch das moralmesser aufging!
Es ist hochgradig erfreulich, das in Bonn Menschen existieren deren Vorstellung von "Pflicht" herzerfrischend von der des Bonner Landgerichtes abweicht.
http://img201.imageshack.us/img201/1750/93x.png
"Das Entfernen und die Konfiszierung unserer Plakate, sowie die Verfolgung durch Polizei und Staatsschutz konnte nichts daran ändern, dass wir schließlich doch Hinweise auf den Wohnort des Kriegsverbrechers Georg Klein bekamen: Er wohnt am Rathenauplatz 31a in Köln und arbeitet in der Lüttich-Kaserne in Köln-Longerich.
Gemeinsam mit einem breiten Bündnis gegen den Afghanistankrieg trugen wir am 30.11. schließlich den Protest direkt vor die Haustür des Kriegsverbrechers. Sein Namensschild war mittlerweile entfernt worden. Für uns ist es ein Erfolg, dass der Mörder sich vor der Öffentlichkeit verstecken muss, das bestärkt uns darin, dass wir mit unserer Kampagne einen wunden Punkt der deutschen Kriegspolitik getroffen haben. Vor seiner (ehemaligen?) Wohnung hielten wir mit einem „Tribunal gegen den Krieg“ symbolisch Gericht wo die deutsche Justiz schwieg. Wir wiesen hier auf die Rolle von Georg Klein hin, ebenso wie auf die Rolle von anderen deutschen Kriegstreibern und Kriegsprofiteuren. Am Ende der Kundgebung wurden die Namen der afghanischen Opfer des Massakers verlesen. Wir wollten zeigen, dass die Opfer ebenfalls keine Unbekannten sind, sondern dass sie einen Namen, eine Familie und eine Gesicht haben. Wir wollten zeigen, dass deutsche Kriegsverbrecher keine Unbekannten sind, dass sie sich nicht verstecken können, dass man sie finden kann und sie den Opfern und der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldig sind."
... was ich lernen mußte, demokratisch abgehört, gebombt, gefoltert - ist kein Unrecht sondern Recht! Wir haben jetzt Demokratie und da halte ich lieber meinen Mund!
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Danke für den Beitrag. Mich hat die Entscheidung des Gerichts nicht verwundert: siehe Varvarin-Urteil. Dennoch bin ich tief erschüttert und empört. Es müsste doch wenigstens eine Möglichkeit gefunden werden den Hinterbliebenen zu helfen. Aber darf man da auf etwas hoffen? Schließlich impliziert das Urteil: die Bundeswehr trägt keine Schuld. Fremdschämen ist angesagt. Jedenfalls für mich. Als ich gestern im Kollegenkreis meinen Unmut über die Gerichtsentscheidung zum Ausdruck brachte, war Nicht-Reaktion noch das Angenehmste. Einer meldete sich zu Wort und sagte: Das ist nun mal Krieg! Für mich klang es genauso wie es wohl gemeint war: Wo gehobelt wird, fallen Späne. Und nun darf ja ordentlich weiter gehobelt werden. Um den Menschen - wo auch immer Demokratie zu bringen. Die Hinterbliebenen in Varvarin und am Kunduzfluss bleiben mit ihrem Elend und ihrer Trauer zurück. Die Medien werden sie bald wieder vergessen haben. Schande. Und mit Stéphane Hessel rufe ich aus. "Empört euch!"
Wieso konnte Oberst Klein auf die drigliche Anfrage des US- Kampfpiloten, ob sich in dem Tanklastzug noch Bundeswehr Personal befindet, ohne zu zögern, definitiv antworten "NEIN"