Grüner fordert deutsche Luftwaffe an

Irak Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, wünscht sich die deutsche Luftwaffe im Irak

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Aus einem Interview von Spiegel online mit dem bündnisgrünen Politiker, veröffentlicht am 13.8.14:

"... Ich will, dass die Bundesregierung in Abstimmung mit der internationalen Gemeinschaft überprüft, wie sie am besten helfen kann. Natürlich kann auch das Militärische eine Rolle spielen, vor allem aus der Luft. Immer von deutscher Verantwortung in der Welt zu sprechen, und dann sich in die Büsche schlagen, wenn es ungemütlich wird, das geht nicht.
... Zum Beispiel könnte die deutsche Luftwaffe den US-Einsatz unterstützen. Ich glaube, dass die deutsche Öffentlichkeit ein sehr feines Gespür hat für Notsituationen. Und dass sie weiß, dass die Menschen dringend vor den IS-Schlächtern gerettet werden müssen. Meine Partei hat schon mehrfach ihre Zustimmung zur Schutzverantwortung für Menschenleben in solchen Situationen gegeben. Sie weiß, dass diese manchmal nur militärisch erreicht werden kann. ..."

Volker Rühe, der schon mal die Bundeswehr kommandieren durfte, wäre stolz auf Nouripur und war ganz geduldig als er 1992 gegenüber dem Nachrichtenmagazin Spiegel sagte:
"... Ich habe es überhaupt nicht eilig. Ich bleibe dabei, daß wir auf Kampfeinsätze - etwa in der Verantwortung der Vereinten Nationen - im Augenblick weder materiell noch psychologisch vorbereitet sind. ...
SPIEGEL: Weder die Bürger noch die Bundeswehr sind auf solche militärischen Ausflüge vorbereitet.
RÜHE: Das ist ja meine These. Deswegen müssen wir Schritt für Schritt vorgehen. Es geht auch nicht nur darum, die Soldaten, sondern die ganze Gesellschaft auf diese neuen Aufgaben vorzubereiten. Bei Blauhelm-Einsätzen ist das schon gelungen: Zwei Drittel der Bevölkerung stimmen zu.
SPIEGEL: Wir haben den Eindruck, daß es Sie geradezu nach Einsätzen drängt.
RÜHE: Dann haben Sie einen falschen Eindruck. Wir haben doch den Bürgerkrieg in Jugoslawien nicht geschaffen. Wir suchen uns keine Anlässe. ...
SPIEGEL: Die Bürger sollen sich eines Tages mit Kampfeinsätzen der Bundeswehr abfinden?
RÜHE: Ich glaube, daß man in die Verantwortung hineinwachsen muß. Übrigens strebt niemand Kampfeinsätze an. ...
SPIEGEL: Ihre Partei will Kampfeinsätze der Deutschen auch unter dem Dach anderer Institutionen als der Uno. Die SPD mag über Blauhelm-Einsätze mit Uno-Mandat nicht hinausgehen. Wo liegt der Ausweg aus diesem Dilemma?
RÜHE: Der ist schwierig. Aber die Debatte muß geführt werden. Sie kann nicht in einer Blockade enden.
SPIEGEL: Unter "Blockade" verstehen Sie eine Beschränkung auf Blauhelm-Einsätze?
RÜHE: Unter Blockade verstehe ich, daß gar nichts passiert. Aber es wäre verfassungspolitisch nicht in Ordnung, wenn wir das Grundgesetz ändern und dann nur noch Blauhelm-Einsätze möglich wären. ...
Wenn in einer schwierigen internationalen Lage das Leben der Soldaten aufs Spiel gesetzt wird, brauchen sie nicht nur ausreichenden Sold. Sie müssen das Gefühl haben, diesen Einsatz für Deutschland zu vollziehen. Und von daher ist es geboten, bei solchen Einsätzen einen größeren Konsens zu suchen. ...
"

Nouripour ist hineingewachsen in die "neue deutsche Verantwortung". Auch er hat sich gar nicht danach gedrängt. Daran sind nur diese Islamisten schuld, die plötzlich irgendwie auftauchten ...

Übrigens schrieb ebenfalls 1992 der Friedensforscher Hans Eckehard Bahr in der Wochenzeitung Die Zeit:
"Ein ziviles Deutschland wäre gut für die Welt
... ergibt sich daraus die Notwendigkeit einer jahrzehntelangen Therapie im politisch Zivilen. Und der strikte Verzicht auf jeden militärischen „Hilfs“-Eingriff. Keine „gezielte Bombardierung“ (von Bülow), kein punktueller Gewalteinsatz vermag ja auch nur annähernd einen Konflikt jener Art zu tangieren, geschweige denn zu deeskalieren. Das Zerbomben von Artilleriestellungen unterbricht zwar kurzfristig die aggressive Dynamik, erzeugt aber neue Brände nebenan. Weder kurzatmige Feuerwehreinsätze noch großtechnische Flächenbombardements sind imstande, politische Konflikte zu lösen. ...
In den vielen Gesprächen, die ich mit Bundeswehroffizieren geführt habe, hat kein einziger eine militärische Option befürwortet. Es sind militärstrategisch dilettierende Politiker, die uns ihre Gewaltphantasien zumuten, im Helferjargon verpackt. Das humanitäre Argument steht zugleich im Interesse der Bundesregierung, die Bevölkerung an den weltweiten Einsatz deutscher Soldaten zu gewöhnen. Nachdem die deutschen Sicherheitsinteressen in der neuen Vorlage des Bundesministeriums der Verteidigung an den Verteidigungsausschuß des Bundestages vom 20. Januar 1992 auf die „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des Zugangs zu strategischen Rohstoffen“ ausgerichtet worden sind, gerät die Entsendung deutscher Einheiten in die Adria in den Verdacht, nicht nur der Not der Menschen dort zu dienen. ..."
Bahr erinnerte dabei auch an den ersten US-Krieg gegen den Irak: "Kampfpanzer der ersten US-Infanterie-Division, mit Räumschaufeln ausgerüstet, überrollten in 29 Minuten die Schützengräben der Iraker, verschütteten gezielt die anderen bei lebendigem Leibe (wie Pete Williams, der Sprecher des Pentagon, am 13. September 1991 bestätigt).
In einer einzigen Nacht- und Feueraktion, an jenem 17. Januar 1991, Staudämme, Energiebasen, Krankenversorgungssysteme, die Lebensgrundlagen der gegnerischen Zivilisation ausbrennen – das ist, taktisch gesehen, eine operative Meisterleistung. Möglich jedoch nur, nachdem der Gegner vorab satanisiert, innerlich zum Abschuß freigegeben wurde. Niemals betreibt man ja so gründlich die Austilgung des anderen, wie wenn man es mit gutem Gewissen tut, als Menschheitsretter (Pascal). ..."

Und weiter: "Gerd Schmückle, ein Vier-Sterne-General a. D., muß kommen, um die Botschaft des Strategie-Papiers auf den Punkt zu bringen: „Übergang von unserer bisherigen Kriegsverhinderungs- zu einer Kriegsführungs-Strategie, derzufolge die Politik deutsche Soldaten in Länder schicken könnte, die unser Land nicht angegriffen haben.“
Umrüstung auf „Krisenreaktionskräfte“ – von Abrüstung kein Wort –, das bedeutet „schnelle Eingreiftruppen“. Ein Kommandounternehmen auf Gaddafis Quartier zwecks Sicherung des Ölimports, ein Flammenwerfercoup auf Koka-Bauern in Kolumbien, von Pionieren aus Leipzig gestartet, ein Blitzangriff auf Bagdad, der nur noch Knochenasche übrigläßt, von unseren Jungs aus Nörvenich geflogen – ich bin entsetzt bei der Vorstellung, junge Arbeitslose aus Rostock oder Hünxe könnten an solchen „weltweiten“ Eingreifkommandos Geschmack finden. Was sonst außer Söldnermentalität könnte denn eine solche Vergangsterung des Militärischen tragen? Gerd Schmückle sagt es: „Solche Säbelschläge (wären) nichts anderes als jeder Krieg, nämlich ein Bankrott der Politik.“ ..."

Das ist alles lang her, 22 Jahre. Und auch weil es damals schon ignoriert wurde, also die Erkenntnisse des Friedensforschers, während Rühes geduldige Vorstellungen in die Tat umgesetzt wurden, ist die Lage im Irak heute so wie berichtet wird, auch wenn da manches weggelassen wird. Übriggeblieben ist Rühes Erfolg, zu dem ein grüner Politiker gehört, der den Bankrott der Politik sekundiert und fortsetzen möchte.

aktualisiert: 16:04 Uhr

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Geschrieben von

Hans Springstein

Argumente und Fakten als Beitrag zur Aufklärung (Bild: Eine weißeTaube in Nantes)

Hans Springstein

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