Interessantes zum Abschuss der SU-24

Syrien/Türkei Im Folgenden der Hinweis auf zwei interessante Äußerungen zum Abschuss der russischen SU-24 durch türkische Kampfjets

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Der österreichische Politikwisenschaftler Gerhard Mangott schrieb am 25. November 2015 dazu auf seiner Website:
"Der Abschuss der russischen Su-24 durch die türkische Luftwaffe am 24. November ist ein nachhaltiger Beitrag, eine politische und militärische Syrienkoalition zu beschädigen. Nicht dass die Bemühungen darum schon weit fortgeschritten oder die Aussichten dafür günstig wären. Aber nach dem Abschuss sind die Vorzeichen noch deutlich schlechter geworden. ...
NATO-Diplomaten meinen, dass sich die russische Maschine jedenfalls nur 17 Sekunden im türkischen Luftraum aufgehalten habe. Das führt zum Kern des gestrigen Zwischenfalls: Die Türkei hat die russische Maschine nicht wegen der (angeblichen oder tatsächlichen) Verletzung des türkischen Luftraumes abgeschossen, sondern weil sie Russland deutlich machen wollte, dass die Türkei die russischen Bombardements von Stellungen der turkmenischen Brigade der Freien Syrischen Armee im nordwestlichen Syrien nicht akzeptieren will. ...
Aber selbst wenn die türkischen Angaben stimmen, war der Abschuss des Flugzeugs eine exzessive Auslegung des Selbstverteidigungsrechtes und damit unverhältnismässig. Die türkischen F-16 hätten die russische Su-24 auch aus dem türkischen Luftraum eskortieren können.

Erdogans Kalkül war aber nicht nur, die Russen wegen des Vorgehens gegen die Turkmenen zu bestrafen. Erdogan, dessen Syrienpolitik seit Beginn an auf die Entmachtung al-Assads ausgelegt ist, sieht sich durch eine mögliche Interimslösung brüskiert, die al-Assad zumindest für eine – noch nicht näher definierte – Übergangszeit an der Macht beteiligt lässt. Die Wende Frankreichs, nach den Terroranschlägen in Paris, dem Kampf gegen Daesh den Vorrang einzuräumen und die Zukunft al-Assads zumindest vorübergehend als zweitrangig einzustufen, hat die Türkei weiter verunsichert.
Auch die mögliche militärische Koalition gegen den IS – zumindest zwischen Frankreich und Russland – ist nicht im Interesse der Türkei. Die Türkei unterstützt den IS finanziell und militärisch, weil der IS auch gegen den türkischen Erzfeind al-Assad kämpft. Kämpfer des IS sickern über die türkisch-syrische Grenze, Rohl und raffinierte Produkte des IS werden auch in der Türkei abgesetzt, IS-Kämpfer werden in türkischen Spitälern versorgt und Waffenunterstützung des IS durch die Türkei wird allerorts angenommen. ...
Russland wird die Angriffe auf die turkmenischen Rebellen nicht einstellen – vermutlich sogar intensivieren. Ist die Türkei dann zu einer weiteren Eskalation bereit? ..."

Auf dem Blog The Vineyard Saker – Deutsche Version wurde am 27. November 2015 ein türkischer Beitrag zum Thema ins Deutsche übesetzt:
"Hier Auszüge aus einem türkischen Kommentar zum Absturz (Emre Uslu in Today´s Zaman)
“Die Entscheidung, das russische Flugzeug abzuschießen, wurde nicht nur in der Türkei getroffen. Wenn das so gewesen wäre, wären die Reaktionen aus den verschiedenen westlichen Hauptstädten ganz andere als die, die wir jetzt gehört haben. Es ist jetzt klar, dass die Türkei – genauer gesagt, Präsident Recep Tayyip Erdogan – einen neuen Vertrag mit dem Westen abgeschlossen hat, und der Abschuss des russischen Jets ist nur die erste Stufe dieses Vertrags. (…)
In den Wochen, die dem Zwischenfall mit dem Flugzeug vorausgingen, hat Ankara ein Projekt umgesetzt – das mit der türkischen Öffentlichkeit immer funktioniert. Es wurde ein lautes Mediengeschrei erhoben um die “Massaker, die an den Turkmenen in Syrien begangen werden”. (…) Wann auch immer in der Türkei Aufhebens darum gemacht werden, dass Türken oder Turkmenen im Ausland zu schaden kommen (oder kommen könnten), bedeutet das, dass es bald zu einem Militäreinsatz kommt.(…)
Tatsächlich fand ich schon vor einiger Zeit all die Nachrichten über Massaker an Turkmenen in Syrien verdächtig, deshalb schrieb ich auf meinem Twitter-Account schon am 20. November: “Wenn es Nachrichten über das TURKMENISCHE DRAMA in der Türkei gibt, heißt das, die Gesellschaft wird auf etwas vorbereitet. Sie werden unser Militär nach Syrien schicken, darum sind all die Nachrichten über die turkmenischen Berge höchst verdächtig”
(…) Aber heißt das, das war eine Operation, die die Türkei alleine durchführte, oder mit Rückendeckung eines Netzwerks westlicher Länder?
Wir sehen diese Frage durch die Erklärungen beantwortet, die Obama gleich nach dem Zwischenfall machte. Während Obama beide Seiten warnte, “die Spannung nicht zu erhöhen”, beschuldigte er nur Russland direkt. Er sagte, Russland behaupte, ISIS zu bombardieren, aber in wirklichkeit bombardiere es die Opposition entlang der Grenzen. Die zweite Hälfte seiner Bemerkung ist entscheidend, weil es sich hierbei um das erste Mal handelt, dass wir Obama von den turkmenischen Bergen reden hörten, in Nordsyrien, und dass er derart beschützerisch von diesen Gruppen sprach, während er gleichzeitig die Russen beschuldigte. Aber wer sind diese Gruppen, für deren Schutz sich Obama stark macht?
Nun, da ist al-Nusra, wie auch Ahrar al-Sham und die Fatih-Brigaden. Die meisten dieser Gruppen sind auf die eine oder andere Weise mit al-Kaida verbunden. Diese beschützende Rhetorik, die wir von Obama in Bezug auf diese Gruppen hören, zeigt uns, dass die Türkei nicht der Hauptplaner dieser letzten Operation war.
(…) Das ist eindeutig ein gut eingeübtes Szenario. ...
Für all jene, die die normale Geschwindigkeit der türkischen Bürokratie kennen, ist offensichtlich, dass wir solche Erklärungen, wie wir sie gehört haben – und die Reaktionen, die wir gesehen haben – nicht derart rechtzeitig hätten erfolgen können, wäre dieses Szenario nicht vorab vorbereitet worden.”
Das findet sich mittlerweile über den vermeintlichen “turkmenischen Kommandeur”, der sich so über die Ermordung des abgesprungenen Piloten freute – es handelt sich um den Sohn eines faschistischen Bürgermeisters aus der Türkei. ..."

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Geschrieben von

Hans Springstein

Argumente und Fakten als Beitrag zur Aufklärung (Bild: Eine weißeTaube in Nantes)

Hans Springstein

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