Ist der Westen pervers? Eine Polemik

Asyl Menschen zu Flüchtenden machen, sie locken und dann die Grenzen dicht machen. Und die eigenen betrogenen Bürger zu Handlangern machen. Wenn das nicht pervers ist ...

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Erst zerstört er direkt und indirekt durch offene und verdeckte Kriege funktionierende Staaten und Gemeinwesen, wie zum Beispiel Irak, Libyen und Syrien, zuvor in Jugoslawien. Das geschieht auch mit nichtmilitärischen Mitteln. So beispielsweise in Somalia, wo erst die Lebensgrundlage der Fischer zerstört wird und sie dann als Piraten bekämpft werden. Die genannten Länder sind nur einige Beispiele für eine größere Zahl. Die zerstörten Staaten werden dann von uns fälschlicherweise „zerfallende Staaten“ genannt. Wenn dann sich deren Bewohner zu uns auf den Weg machen, dann schließt der Westen seine Grenzen. Kurzzeitig werden sie auch mal zur Flucht aufgerufen und in den Westen eingeladen. Aber das ist nur eine politisch bedingte Ausnahme und Teil der bewussten Zerstörung von Staaten. Das geschieht auch, weil es in der Geschichte schon mehrmals erfolgreich funktionierte.

Doch irgendwann behaupten die selben westlichen Politikdarsteller, die Menschen auf Boote locken, dass nun aber das eigene Boot voll sei. Die Leistungsfähigkeit des Westens komme an ihre Grenzen, weshalb die wieder geschlossen werden müssten. Die westlichen Staaten wollen angeblich zu allen freundlich sein, aber das können sie ja nicht, heißt es. Flugs werden nicht mehr jede und jeder reingelassen und zurückgeschickt, wer das Pech hatte, zu lange mit der Flucht zu warten. Und wer es geschafft hat, dem wird der Aufenthalt so schwer und schlecht wie möglich gemacht.

Und zahlreiche Menschen, die von ihnen regiert werden, folgen ihnen, Das tun sie selbst wenn sie fordern, dass die Kanzlerin zurücktritt. Sie erledigen das dreckige Geschäft der für die Lage Verantwortlichen. Selbst wenn sie auf die Regierenden schimpfen und bei rechten und rechtsextremen Rattenfängern ihr Heil suchen. Sie merken nicht, wie sie missbraucht und manipuliert werden. Es zumindest verständlich oder besser gesagt verstehbar, dass es schwer verständlich ist: Erst wird ihnen über Jahre politisch erklärt wird, dass gespart und verzichtet werden müsse. Als Ziel wird ausgegeben, dass nur so es Deutschland wieder besser gehen könne. Und wir alle sollen ja Deutschland sein. Der Sparkurs war immer begleitet von einem „neuen Nationalgefühl“ und Patriotismus. Während deutsche Fußballer bejubelt wurden, wurde gleichzeitig gespart, damit es Deutschland besser gehen soll. Dann erleben sie nach und während der Sparpropaganda, dass nun anscheinend für andere, für Fremde, Geld da sein soll.

Die aktuelle Debatte gegen Flüchtlinge ist voll Wut und Hass und Dummheit. Sie beruht auf tatsächlichem Sozialneid, der zwar verstehbar, aber deshalb nicht richtig oder berechtigt ist. Zugleich lenkt diese Debatte voller Fremdenhass ab. Davon, dass all das viele Geld, das bei den Bürgern gespart wurde und wird, gar nicht bei den Flüchtlingen landete und landet. Das ist längst u.a. bei den Banken, die in Folge der Finanzkrise 2008 „gerettet“ wurden und werden. Dabei handelt es sich zum Teil auch um weit mehr, als im Sozialbereich bisher gespart wurde. Zugleich kommen jährlich die Berichte, dass die Reichen auch hierzulande immer reicher werden.

Doch fragt noch einer danach? Die herrschende Politik und ihre Darsteller werden es natürlich tunlichst unterlassen. Sie werden ihre medialen Lakaien nicht dazu anstiften, ausführlich dazu zu recherchieren. Die vermeintlich „besorgten Bürger“, die rechten und rechtsextremen Demagogen und Brandstiftern hinterher laufen, fragen auch nicht danach. Statt von der politisch gewollten und verursachten Finanzkrise reden alle nur noch von der „Flüchtlingskrise“. Sie fragen auch nicht, wem die rechten und rechtsextremen Parolen denn eigentlich nutzen? Auch nicht danach, wie jene im Hintergrund von AfD, NPD und anderen rechtsextremen Gruppierungen zu ihren Geldern gekommen sind? Nein, der dumpfe Sozialneid der von den Politikdarstellern hierzulande und anderswo Betrogenen richtet sich gegen jene, die um ihre Heimat, ihren Wohlstand und ihre Zukunft betrogen wurden. Die nun zu uns kommen, dahin, wo ihr Unglück begann, in der irrigen Hoffnung, hier neues Glück zu finden. Und das soll auch so bleiben, denn Wut und Hass auf alle Fremden und Flüchtenden, die ihnen angeblich was wegnehmen, der macht blind.

Die offenen und versteckten Kriege und der ökonomische Raubbau für unseren Wohlstand auf Kosten anderer – das geschieht im Namen der vermeintlich hehren westlichen Werte Freiheit, Demokratie, Wohlstand und Rechtsstaat. Wobei diese gewissermaßen nur die Tarnkleidung für die simplen ökonomischen Interessen des Nordens abgeben. Das macht das alles auch pervers. Diese Werte, samt der angeblichen „Zivilisation“, die gelten dann aber natürlich nicht für jene, die mit ihrem Leben direkt und indirekt bezahlen. Die sich dann auf dem Weg in den Westen machen, in der irrigen Hoffnung, dort sei noch etwas übrig für sie. Das ist alles nichts Neues seit den Hochzeiten des Kolonialismus. Und doch ist es erschreckend, dass es immer noch so ist und funktioniert. Und es war und es bleibt pervers und ist durch nichts schön zu reden.

Erschreckend finde ich auch, wie jene, die als Bürger dieses Landes erleben, dass auch für sie selbst diese gepriesenen westlichen Werte samt der im Grundgesetz als „unantastbar“ behaupteten Menschenwürde nicht mehr gelten, darauf reagieren. Indem sie auf die eine oder andere Weise kundtun: Dann soll Recht auf Menschenwürde auch für andere, ob Flüchtling oder überhaupt Fremder, auch nicht gelten! Das lässt sich alles erklären und verstehen, was es aber leider nicht besser macht. Können sich die Mächtigen und die für sie Herrschenden immer noch so auf die Dummheit ebenso wie auf die Unwissenheit der von ihnen Beherrschten verlassen? Auch diese Frage gilt nicht nur hierzulande.

Dass das immer noch so ist wie vor 100 Jahren und früher – das gehört zu den Erfolgen der Herrschenden und der in ihrem Auftrag Regierenden. Anderswo zerstören sie ganze Staaten samt der dazu gehörigen Gesellschaften. Hierzulande zerstören sie seit Beginn der 1990er Jahre den historisch erstrittenen Sozialstaat und damit die eigene Gesellschaft. Für den Fall, dass die eigenen Betrogenen doch zu den Palästen und Anwesen der Herrschenden marschieren, wird schon geübt. Darauf werden sie vorbereitet sein. Das Schicksal der Flüchtenden hat sie nicht interessiert, als sie deren Heimat zerstören ließen, und interessiert sie auch heute nicht weiter. Notfalls lassen sie die AfD mitregieren, wenn es darum geht, die Grenzen tatsächlich wieder zu schließen. In dem Fall wird auf „Volkes Wille“ gehört. Das war schon einmal so und diente auch nur zur Absicherung der eigenen Herrschaft und Interessen.

Und wie hierzulande so anderswo im Westen, in den Ländern, die dazu gezählt werden. Und die Kriege, die anderen angeblich Freiheit, Demokratie, Wohlstand und vor allem die Zivilisation des Westens bringen sollen, die gehen weiter. Die Menschen, deren Lebensgrundlagen dadurch zerstört werden, wenn sie denn überleben, werden sich weiter auf den Weg machen, wenn sie können. Sie werden weiter versuchen, sich ihren Anteil an dem Wohlstand zu holen, den wir auf ihre Kosten erreicht haben und sichern, in dem sie zu uns kommen. Es fehlen auf beiden Seiten die Kräfte, die diesen Prozess stoppen, die einen Stock in dieses Rad der Geschichte werfen, damit es sich nicht weiterdrehen kann.

Ach ja: Natürlich ist nicht einfach der „perverse Westen“ und dessen Tun. Es ist das Handeln der Herrschenden und der regierenden Politikdarsteller der führenden westlichen Staaten. Es handelt sich um nicht mehr und nicht weniger als um Kapitalismus in seinen Formen und Erscheinungen, modernisiert und doch noch genauso brutal und menschenfeindlich wie in seiner gesamten Geschichte. Wer über ihn nicht reden will, der sollte auch über Flüchtlinge schweigen und ihnen höchstens helfen. Der sollte aber auch über AfD und Pegida nicht weiter lamentieren.

aktualisiert: 1.2.16; 03:07 Uhr

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Geschrieben von

Hans Springstein

Argumente und Fakten als Beitrag zur Aufklärung (Bild: Eine weißeTaube in Nantes)

Hans Springstein

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