"Phantom" als Kriegsanlass?

Syrien Die abgeschossene "Phantom" wird als weiteres Mittel für die Kriegsstimmung benutzt

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Bei den ersten Meldungen zu dem Abschuss der türkischen F-4 "Phantom" durch die syrische Luftabwehr dachte ich, dass es entweder eine türkische Provokation oder ein syrisches Versehen ist. Von Anfang an teile ich die Besorgnis vieler, dass das der Funke ist, der den syrischen Konflikt ausweitet und die vorbereitete Intervention auslöst.

Inzwischen neige ich wie auch andere der Variante Provokation durch die Türkei zu, besonders wenn ich nun lesen muss: "Kurz vor einer Krisensitzung der Nato schaltet Ankara den UN-Sicherheitsrat ein: Der Abschuss eines türkischen Kampfjets durch Syrien sei eine "feindliche Tat" und stelle eine "ernste Bedrohung für Frieden und Sicherheit in der Region" dar, heißt es in einem Schreiben an die Vereinten Nationen." (sueddeutsche.de, 26. Juni 2012) Es bleibt zu hoffen, dass das gilt: "'Wir werden weiterhin mit kühlem Kopf agieren', sagte auch ein Sprecher des Verteidigungsministeriums der Nachrichtenagentur dpa." Zwar gilt ein NATO-Einsatz als Antwort auf den Abschuss als "zu heikel". Aber auf jeden Fall wird der unerklärte Krieg des Westens und seiner Verbündeten gegen Syrien mit allen Mitteln unterhalb einer direkten Intervention weiter verschärft und die Schwelle für eine direkte Intervention weiter herunter gesetzt. Das bestätigte inzwischen der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan, in dem er erklärte, die Türkei werde auf jede weitere "Aggression durch Syrien" mit Gewalt reagieren. (SPIEGEL online, 26. Juni 2012)

Die Linie hat die Menschenrechtskriegerin Hillary Clinton vorgegeben: Der Abschuss der "Phantom" zeige erneut "die kaltschnäuzige Missachtung internationaler Normen, menschlichen Lebens und von Frieden und Sicherheit" durch die syrische Führung. (Tages-Anzeiger, 24. Juni 2012) Nebenbemerkung: Die US-Außenministerin ist sicher die Kompetenteste, um das so zu beurteilen, dient sie doch unter Nobel-Drohnenpräsident Barack Obama, der weitergeht als es sich sein Vorgänger George W. Bush traute.

Übrigens: Es wird ja wohl immer noch nach den Piloten der abgeschossenen "Phantom" gesucht, ob lebend oder tot. Da habe ich mich gefragt, ob es nicht inzwischen auch eine unbemannte Version des Kampfjets zur Zieldarstellung gibt. Also habe ich recherchiert und siehe da, es gibt sie als Ziel-Drohne ohne Besatzung, ferngesteuert: "The QF-4 represents a full-size unmanned target drone version of the successful Cold War-era F-4 Phantom II aircraft." In einem Beitrag des Air & Space Magazins heißt es: "Since 1991, 254 Phantoms have served as unpiloted flying targets for missile and gun tests conducted near Tyndall Air Force Base in Florida and Holloman Air Force Base in New Mexico. The use of F-4 drones (designated QF-4s) is expected to continue until 2014." Das muss in dem Fall gar nichts miteinander zu tun haben, interessant ist es aber dennoch.

Zur drohenden Intervention war im Schweizer Tages-Anzeiger am 25. Juni 2012 von Politikwissenschaftler Johannes Varwick zu lesen: "Ich bin sicher, dass solche Pläne in Arbeit sind. Das ist schliesslich die Aufgabe von Generalstäben. Die Politik muss sich auch militärische Optionen offenhalten. Die Frage ist, wie konkret die Pläne schon sind. Was Syrien von Libyen unterscheidet, ist der hartnäckige russische Widerstand. Da sind die Bremsklötze viel grösser, der Preis für den Westen ungleich höher." Aber es geht auch ohne UNO, wird wieder mal erklärt, diesmal vom belgischen Außenminister, wie RIA Novosti am 26. Juni 2012 berichtet: "Der belgische Außenminister Didier Reynders schließt die Möglichkeit einer internationalen militärischen Einmischung in die Situation in Syrien auch ohne Uno-Vollmachten nicht aus."

aktualisiert: 26.6.12, 17.05 Uhr

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Geschrieben von

Hans Springstein

Argumente und Fakten als Beitrag zur Aufklärung (Bild: Eine weißeTaube in Nantes)

Hans Springstein

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