Keine anderen Probleme ...

Bundespräsident ... scheint die Bundesrepublik zu haben, wenn ich mir dieses Theater um Bundespräsident Christian Wulff auf allen Kanälen und in allen Medien anschaue und anhöre.

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Dabei will ich eigentlich davon nichts hören und sehen ... Nicht nur, weil das nicht "mein" Bundespräsident ist, u.a. weil ich nicht gefragt wurde, auf welche Weise auch immer, ob ich ihn als Präsidenten haben will. Für mich ist er nicht wegen seiner nicht wirklich überraschenden "Freunde" nicht tragbar, wie ich schon in einem Kommentar zu einem Augstein-Beitrag äußerte, sondern weil er zu denen gehört, die die soziale Spaltung unserer Gesellschaft nicht überwinden helfen, sondern zu dieser beigetragen haben und weiter beitragen. Ganz im Sinne seiner "Freunde". Deshalb ist er eigentlich in diesem ihm übergebenen Amt nicht tragbar, wenn ich mal von den theoretischen Anforderungen an die Rolle des Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland ausgehe.

Ich frage mich, wem dieses Schauspiel nutzt, das uns da auf der politischen Bühne vorgeführt wird. Und ich frage mich, auch wenn mich mich nicht darüber wundere, warum die Medien dieses Thema so hegen und pflegen anstatt sie diesen untauglichen und nur aus machttaktischen Gründen ins Amt gehievten Bundespräsidentensdarsteller einfach ignorieren. Seiten und Minuten werden mit diesem Thema verschwendet, als gäbe es eben keine anderen Probleme im Lande. Wird da wieder einmal bei vollem Bewußtsein abgelenkt, zum Beispiel davon, dass in der Bundesrepublik die soziale Ungerechtkeit nachweislich zugenommen hat? Das wäre doch ein Thema, das ausgebreitet, diskutiert und auch skandaliert werden müsste ... Da gab es innerhalb der letzten vier Wochen viermal Grund genug statt Wulff auf Endlosschleife zu senden und zu bringen auf die soziale Schieflage deutlich und nachdringlich aufmerksam zu machen: Am 23. November stellte der DGB-Verteilungsbericht 2011 fest: "Die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland ist in den vergangen 15 Jahren massiv auseinander gegangen, Deutschland rutscht immer mehr in eine soziale Schieflage." Eine Woche später war im neuen Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung zu lesen, dass "die langjährige einseitige Verteilungsentwicklung in Deutschland" fortgesetzt werde und dieBundesregierung dem Trend zur Ungleichheit mit ihrer Steuer- und Abgabenpolitik wenig entgegen setze. Am 5. Dezember stellte die OECD fest, dass die Einkommensungleichheit in der Bundesrepublik besonders schnell zunimmt. Dazu eine Woche später die Nachrichten "Geringverdiener sterben eher". Die Medienmeute schaute kurz auf, brachte ein paar Schlagzeilen dazu und graste dann gemütlich weiter, um Wulff wiederzukäuen. Dass hier vielleicht das Grundgesetz verletzt wird, das neben der unantastbaren Menschenwürde (Art. 1), die zu achten und zu schützen Verpflichtung aller staatlichen Gewalt ist, auch in Artikel 14 festlegt: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.", ist den Mainstream-Medien kaum bis keine Aufmerksamkeit wert. Dass der Bundespräsidentendarsteller auch hier versagt hat, darauf wies niemand hin in den unzähligen Beiträgen

Natürlich überrascht mich das nicht wirklich, aber wie offensichtlich die bundesdeutschen Medien und Journalisten dieses Spiel, das, wenn nicht zur Ablenkung inszeniert, so doch prima auch zur Ablenkung genutzt wird, mitspielen, das finde ich schon verblüffend. Das Schicksal von Millionen Bundesbürgern und die soziale Schieflage in dieser Gesellschaft sind anscheinend unwichtiger als dieser Bundespräsidentendarsteller, der von vorneherein nichts anders als ein Marionette ist und auch nichts anderes sein soll. Arbeiten vielleicht in den meisten Medien auch nur noch Journalistendarsteller, die gar nichts mehr wissen vom theoretischen Auftrag der Medien, zur Information und Aufklärung über den Zustand der Gesellschaft beizutragen? Ich glaube, ich kenne die Antwort ... Und freue mich auf den Tag, an dem Wulff endlich durch den nächsten Darsteller (gar jemand aus der SPD-Riege?) ersetzt wird, damit wieder Ruhe ist. Die soziale Lage in diesem Land wird dann aber immer noch kaum ein ähnlich großes Thema für die Medienmeute sein.

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Geschrieben von

Hans Springstein

Argumente und Fakten als Beitrag zur Aufklärung (Bild: Eine weißeTaube in Nantes)

Hans Springstein

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