De Maizière redet Klartext

Krieg/Rüstungsexport Thomas de Maizière hat bei einer Rede in der Heinrich-Böll-Stiftung offen gesagt, was er denkt. Das sorgt für Aufregung, vielleicht unberechtigt. Aber interessant ist es.

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Mainstreammedien wie die Süddeutsche Zeitung und Stern melden in ihren Online-Ausgaben neue Fettnäpfe, in die der Kriegsminister getreten sei. Nach seiner Kritik an den Soldaten wegen des "oft übertriebenen Wunsches nach Wertschätzung" habe er bei einer Veranstaltung der grünen Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin mit "zwei heiklen sicherheitspolitischen Aussagen" für den nächsten Patzer gesorgt. Danach hat de Maizière am 25. Februar 2013 Bundeswehreinsätze ohne UN-Mandat für den Notfall nicht ausgeschlossen und die angebliche Bedrohung Israels durch den Iran als Hauptgrund für Waffenexporte nach Saudi-Arabien bezeichnet. Dabei sei für den Kriegsminister entscheidend, für wie gefährlich man den Iran einschätze - und nicht die Lage der Menschenrechte in Saudi-Arabien, meldet stern.de.

Auf der Homepage der Böll-Stiftung kann dankenswerter Weise die Veranstaltung "Sicherheitspolitik im Wandel" am 25. Februar 2013 nachgehört und -gesehen werden. So kann jeder bei Interesse selbst überprüfen, was Kriegsminister de Maizière sagte. Es ist interessant, auch wenn es eigentlich nichts Neues ist. Es ist eigentlich auch nicht überraschend, bloß die Offenheit, mit der er es sagt, sorgt wahrscheinlich für das Aufsehen. Vor einiger Zeit trat ein Bundespräsident für solche Offenheit zurück.

Ich habe die interessantesten Passagen von de Maizières Aussagen in der Podiumsdiskussion nach seiner Rede aufgeschrieben. Die gehen aus meiner Sicht noch über das hinaus, was in den Medien wiedergegeben wird. Und sie zeigen, wie verlogen sonstige Erklärungen von Politik und Medien zu den angesprochenen Themen sind. Der Redetext selbst kann beim Bundeskriegsministerium online nachgelesen werden.

Zu den Begründungen für Kriegseinsätze: „… Das Verteufelte ist … das Menschenrechtliche ist das sozusagen leicht zu mobilisierende Ziel. Und Frau Rice hat dafür ein lebhaftes Beispiel in Sachen Benghasi und Libyen geboten. Nur, es ist ja immer am schwierigsten umzusetzen, je weiter die Probleme in der Welt weg sind. …“

Zur Bundeswehr in Mali: „… mit Transall, Ausbildungsunterstützung und (unverständlich) sind wir in Mali der zweitgrößte Truppensteller …
Wir tun vergleichbar mit Großbritannien, Frankreich und Italien ziemlich viel und das ist exakt die Liga, in die wir gehören. …“

Zu Rüstungsexporten: "... In der Tat stellt sich bei Saudi-Arabien oder den anderen VAE-Staaten diese Stabilitätsfrage. Völlig klar. Und da ist die Einschätzung, wie man die Gefährlichkeit des Iran einschätzt von, und im Zusammenhang mit Israel, von einer ziemlich ausschlaggebenden Bedeutung für die Abwägung, und nicht die Abwägung der menschenrechtlichen Lage in Saudi-Arabien. Da sind wir nicht unterschiedlicher Meinung (zu Omid Nouripour von den Bündnisgrünen, der neben ihm saß). …“

In der Rede zuvor hatte der Kriegsminister gesagt: „ … Wir haben Interessen auch in Regionen der Welt, wo unsere Werte nicht so geachtet werden wie bei uns.
Nicht alle Regierungen achten Menschenrechte so wie wir. Auf einem Fest können Sie jedoch immer nur mit den Mädchen tanzen, die da sind. Das führt zu schwierigen Abwägungen. …“

Zu "humanitären Interventionen" auf Grund des Konzeptes der „Schutzverantwortung“ ("Responsibility to Protect"): „ … Da stellt sich ja die politische Frage ... : Was ist, wenn wir keinen UNO-Sicherheitsratsbeschluss kriegen, mit dem geltenden Völkerrecht, und gleichzeitig alle Voraussetzungen für Responsibility to Protect vorliegen, was dann? Und da ist meine Antwort ...: Wir sollten international agieren möglichst immer mit Sicherheitsratsbeschluss. Ich kann mir aber auch Situationen vorstellen, ... wenn es um wirklich allerschwerste Menschenrechtsverletzungen geht, und die von mir genannten übrigen Maßstäbe, wir können das und es ist sinnvoll, wir haben die Mittel, usw., wenn das erfüllt ist, glaube ich, kann man sich nicht von ein oder zwei Vetomächten im UNO-Sicherheitsrat komplett abhängig machen. (Beifall) …“

Zu den Folgen für die innere Sicherheit der BRD durch die Kriegseinsätze: „Wenn wir danach gingen, dann dürften wir manche Sachen überhaupt nicht machen. Aus Angst davor, dass es irgendwelche Rückwirkungen auf uns haben könnte, bestimmte Dinge, die wir verantwortlich für richtig halten, nicht zu machen, das geht gar nicht. Das heißt jetzt nicht umgekehrt, dass uns das total egal sein muss. Aber dann wären wir ja abhängig davon, dann kriegen wir drei Drohungen im Internet und dann lassen wir das plötzlich. .... wir sind sowieso internationale Zielscheibe des Terrorismus, ob das jetzt mehr oder weniger wird, weiß ich gar nicht genau, aber selbst wenn es so wäre, würde ich meine Entscheidung davon nicht abhängig machen. …“

Zu UN-Einsätzen der Bundeswehr: „ … wir haben halt erhebliche Skepsis bei der Qualität der Führung durch die Vereinten Nationen, wie Sie wissen. Das ist halt im Umgang, professionell, der Führung und alldem, mit dem was NATO-Einsätze angeht, sehr sehr schlecht. ... in der Tat ist unsere Bereitschaft, auch führende Leute in diesem Bereich in die UNO zu schicken, nicht so groß ausgebildet wie anderswo. … Ich glaube, da müssen wir mehr machen und ich will auch gerne dazu beitragen. …“

Zu Kernwaffen in Deutschland: „… Wir bestätigen ja nicht die Existenz von Kernwaffen auf deutschem Boden, seit Jahrzehnten nicht ... . Ich möchte Ihnen nur Folgendes sagen: Solange die Nato ein Bündnis ist, was auch Kernwaffen hat, sollte auf allen Ebenen auch eine entsprechende Fähigkeit vorhanden sein, auf allen sozusagen Waffenebenen, die es dabei gibt, und wenn es da zu gemeinsamen Abrüstungsschritten kommt in dem Bereich, bin ich der Erste, der das unterstützt, aber einseitige Schritte von uns aus lehne ich ab.“

Überschrift geändert am 28.2.13, 9.48 Uhr

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Geschrieben von

Hans Springstein

Argumente und Fakten als Beitrag zur Aufklärung (Bild: Eine weißeTaube in Nantes)

Hans Springstein

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