Zwei Verhandlungsrunden in Genf sind ohne greifbares Ergebnis zu Ende gegangen. Nun kommen die westlichen Kriegstreiber und Regimewechsler samt ihrer arabischen und anderen Verbündeten wieder aus der Deckung. Sie geben der syrischen Regierungsseite und Russland samt Iran die Schuld, dass „Genf II“ nicht brachte, was sie selbst nicht wollten: Eine Chance auf Frieden für Syrien. Unverfroren verfahren sie dabei nach dem Prinzip „Haltet den Dieb!“, so zum Beispiel Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Der erklärte am 16. Februar, die ergebnislosen Gespräche zeigten „einmal mehr, dass Assad und seine Leute nicht ernsthaft an Verhandlungen interessiert sind, sie wollen nur ihre Macht sichern“. Nicht anders US-Außenminister John Kerry, der am gleichen Tag behauptete, Syriens Präsident Bashar al-Assad habe einen Durchbruch bei den Verhandlungen in Genf behindert. Einen Tag später legte Kerry nach und beschuldigte Russland, die Aussichten auf eine Verhandlungslösung zu untergraben. Das sei durch Waffenlieferungen für die syrischen Regierungstruppen und die politische Unterstützung für Assad geschehen. Was die von Kerry angekündigte Suche von US-Präsident Barack Obama „nach neuen Wegen zur politischen Lösung der Syrien-Krise“ bedeutet, fasste Spiegel online am 18. Februar so zusammen: „Die Strategen in Washington sind zum dem Schluss gekommen, dass eine neue Verhandlungsrunde nur Erfolg verspricht, wenn Assad zuvor militärisch geschwächt wird.“ Das Magazin fasst Informationen aus Berichten von US-Medien wie der New York Times und Wallstreet Journal zusammen. Danach sollen US-genehme „Rebellen“-Gruppen Finanz- und Ausrüstungshilfen bekommen. Die US-Regierung wolle auch ihren bisherigen Widerstand gegen saudi-arabische Lieferungen von Flugabwehrraketen an die „Rebellen“ aufgeben. Auf diese Pläne hatte das Wallstreet Journal schon am 14. Februar aufmerksam gemacht. Vier Tage später berichtete das Blatt, dass sich Kerry auch erneut für eine Flugverbotszone über Syrien ausgesprochen habe. Damit sollen die auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel geforderten „humanitären Korridore“ in Syrien, aber vor allem die von „Rebellen“ gehaltenen Gebiete geschützt werden, wie Spiegel online klarstellte.
Dass der Westen alles, aber keinen Frieden für Syrien im Visier hat, ist nicht überraschend und wurde schon vor und während der Verhandlungen in Genf klar. Ihr Ziel war und bleibt der Sturz Assads, der Regimewechsel in Damaskus, koste es, was es wolle, egal wie viele Menschen das noch mit ihrem leben bezahlen müssen. Die westlichen Kriegstreiber und ihre Verbündeten wie Saudi-Arabien, Katar oder die Türkei kümmerte nicht, dass der Sturz Assads gar kein Verhandlungsgegenstand von „Genf II“ war. Der zugrundliegende Sechs-Punkte-Plan vom 30. Juni 2012 sieht zwar eine Übergangsregierung für Syrien vor, legt aber keinen Wechsel im Amt des Präsidenten fest. Daran hatte u.a. Karin Leukefeld am 28. Januar in der Tageszeitung junge Welt und am 1. Februar in der Tageszeitung Neues Deutschland erinnert. Der russische Außenminister Sergej Lawrow warf den USA am 14. Februar vor, diese habe die Friedensverhandlungen für einen Regimewechsel in Damaskus mißbraucht anstatt sich für ein Ende des Krieges einzusetzen.
Karin Leukefeld berichtete in Neues Deutschland am 17. Februar: „Die Regierungsdelegation aus Damaskus will das Genfer Abkommen Punkt für Punkt abarbeiten, wobei für sie das Ende der terroristischen Aktivitäten in Syrien und die Herstellung von Sicherheit und Stabilität an erster Stelle stehen. Die Delegation der Nationalen Koalition (Etilaf), die in Genf den Platz der Opposition eingenommen hatte, beharrt hingegen auf dem Rücktritt von Präsident Bashar al-Assad und seiner Regierung als Voraussetzung für alles weitere.“ Die syrische Regierung sei bereit gewesen, über eine Übergangsregierung zu verhandeln, hatte die österreichische Zeitung Die Presse am 14. Februar berichtet. Bedingung sei aber, dass der Terrorismus in Syrien bekämpft werde. Das gehörte erwartungsgemäß nicht ins Konzept der westlichen und arabischen Schirmherren der exilsyrischen Opposition und der „Rebellen“. Während noch die erste Verhandlungsrunde in Genf lief, meldeten u.a. die Nachrichtenagentur Reuters am 27. Januar, dass die USA sogenannte leichte Waffen, darunter auch Panzerabwehrraketen, an angeblich „moderate Rebellen“ liefern wollen.
Wohin der westliche Kurs führt, zeigt eine Meldung der Nachrichtenagentur AFP vom 18. Februar. Danach planen von US- und anderen westlichen Militärs in Jordanien ausgebildete „Rebellen“ eine Offensive auf Damaskus. "Im Moment haben wir nur Garantien für Waffenlieferungen aus den Ländern , die den Aufstand gegen Präsident Bashar al-Assad unterstützen“, zitiert AFP einen „Rebellen“-Kommandeur. Da dürfte die von Kerry wieder ins Spiel gebrachte „Flugverbotszone“ sehr willkommen sein. Es muss außerdem daran erinnert werden, dass „Flugverbotszonen“, „Schutzzonen“, der behauptete Schutz der Zivilbevölkerung und der so begründete Schlag gegen die eine Konfliktseite zum bewährtem Drehbuch der Kriegstreiber gehört. Das wurde noch nicht beiseite gelegt. „Flugverbotszone heißt Krieg“, warnte der Bundesausschuss Friedensratschlag vor drei Jahren, bevor die NATO-Bomben auf Libyen fielen. Selbst in der Zeit war am 8. März 2011 zu lesen: „Wer Flugverbotszone sagt, muss auch Krieg sagen“. Wie die nachfolgenden Ereignisse in Libyen diese Warnung bestätigten, muss sicher nicht an dieser Stelle wiederholt werden. Erinnert werden muss aber daran, dass die „Flugverbotszone“ über Libyen mit der Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrates begründet wurde. Es dürfte kein Zufall, dass Kerrys aktuelle Forderung nach einer solchen Zone zeitlich zusammenfällt mit westlichen Bemühungen für eine neue Resolution des UN-Sicherheitsrates zu Syrien. Der vorgelegte Entwurf „schafft die Grundlage für ein militärisches Eingreifen in Syrien“, warnte der russische Vizeaußenminister Gennadi Gatilow laut der Nachrichtenagentur RIA Novosti am 12. Februar.
All das zeigt auch, wie verlogen die Klage von westlichen Politikern wie Außenminister Steinmeier über das „Leiden der Syrer“ und ihre Sorge um „die Zukunft des Landes“ ist. Ein weiterer Beleg dafür ist der Umgang der EU mit den Flüchtlingen aus Syrien, die versuchen, dem Krieg zu entkommen. „In die Nachbarregion Europa haben es seit Beginn der Revolte gegen das Assad-Regime im März 2011 lediglich etwas mehr als 60.000 Schutzsuchende geschafft - auf eigene Faust, unter Lebensgefahr.“ Das stellte Karl Kopp, Europareferent von Pro Asyl und Vorstandsmitglied im Europäischen Flüchtlingsrat ECRE, am 27. Januar in der Monatszeitung Graswurzelrevolution fest. Das kleine Nachbarland Libanon mit seinen 4,5 Millionen Einwohnern habe im selben Zeitraum bereits knapp 900.000 Flüchtlinge aufgenommen. „Es gibt bis heute keinen ernsthaften europäischen Beitrag zur aktiven Rettung oder Aufnahme von gestrandeten Schutzsuchenden aus Syrien“, stellte Kopp fest. „Es fand noch nicht einmal eine EU- Flüchtlingskonferenz zu dieser drängenden Frage statt.“ Der Umgang mit syrischen Flüchtlingen sei menschenverachtend und völkerrechtswidrig. Sie würden an den EU-Außengrenzen abgewiesen, „denjenigen, die es ins Land schaffen, wird das Leben zur Hölle gemacht“. Dabei gebe es „schwerste Menschenrechtsverletzungen“ und „Straftaten“, berichtete Kopp, „aber sie geschehen und zwar tausendfach“.
"Sterbenlassen, abwehren und wegschauen", über die syrischen Flüchtlinge und den Umgang mit ihnen überschrieben. „Der Westen bringt Unglück“, bemerkte der Politikwissenschaftler Erhard Crome am 3. Februar in der Onlinezeitung Das Blättchen. „Nicht zuletzt die westlichen Eingriffe in die Entwicklungen in Libyen (direkt durch Militärintervention) und Syrien (indirekt) nach Beginn des ‚Arabischen Frühlings‘ haben ebenfalls zu Verschärfungen der Lage, zu zehntausenden Opfern und Staatszerfall geführt.“ Crome stellte fest: „Immer, wenn der Westen irgendwo interveniert hat seit Ende des Kalten Krieges, wurden Freiheit, Demokratie und Menschenrechte versprochen. In der Sache ging es vor allem um Handelserleichterungen und Marktzugang für die westlichen Firmen beziehungsweise um geopolitische Einflusssphären. Praktisch jedoch wurde stets weder das eine noch das andere erreicht, sondern das Chaos vergrößert und die Zahl der Opfer erhöht.“ Es scheint, als sei das Unglück für Syrien noch nicht schlimm genug.
Kommentare 7
Gestern oder vorgestern schnappte ich über's Radio die Meldung auf, dass Kerry Flugverbotszonen fordert. Dass der rechte SPD-Bellizist Steinmeier ("ein Mann mit dem Charisma eines sedierten Uhus") in die selbe Kerbe schlug, ließ mich - in Ermangelung einer bei Flügen entsprechend vorhandenen Tüte- Ausschau nach einem geeigneten Eimer halten.
Politisch maßgebliche Amerikaner, Europäer und vor allem unbelehrbar vollidiotische Deutsche scheinen entschlossen zu sein, sich ein fettes Afghanistan direkt vor die eigene Haustür legen zu wollen. Selbstredend ohne die Verantwortlichkeit und absehbaren Folgen dafür auch nur annähernd zu übernehmen. Von Moral oder Ethik ganz zu schweigen. Widerlich.
MfG-mcmac
..."In der Sache ging es vor allem um Handelserleichterungen und Marktzugang für die westlichen Firmen beziehungsweise um geopolitische Einflusssphären"...
Und um Aufträge den Schutt hinterher wieder aufzubauen.
Gruss
Sorry, Hans Springstein, ich halte die gegenwaertig westliche Rhetorik nur noch fuer ein Pfeifen im Walde. Der Chemiewaffenabzug wie auch die Genfer Konferenz konnte nicht fuer die westlichen Propaganda ausgeschlachtet werden. Dumm gelaufen.
Die "gemaessigten" Rebellengruppen" sind militaerisch am Ende und werden nur noch halbherzig vom Westen unterstuetzt.
Die Dreiteilung Syriens in je einen shia-, sunni- und kurdischen Kanton steht bevor. Damit waere die westliche Strategie, nach dem Vorbild Lybien einen failed state zu kreieren, gescheitert.
Das hoffe ich jedenfalls fuer die Syrer.
Dass es nur rhetorische Drohungen sein könnten, dachte ich mir auch schon. Ich weiß es nicht. Die Kriegstreiber hatten sich zumindest eine Zeit lang damit zurückgehalten. Aber das Nähren des Krieges durch westliche und arabische Waffenlieferungen und Geldspritzen an die "Rebellen" sorgt dafür, dass Gewalt und Elend weitergehen. Sollte tatsächlich der Abnutzungsbürgerkrieg statt einer Intervention die westliche Strategie sein, wie es Jürgen Wagner von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) beschrieb, bedeutet das genauso wenig Gutes für die Menschen in Syrien.
ok. Abnutzungskrieg ist sehr wahrscheinlich, sofern sich die "guten" Rebellen-Gruppen nicht von selbst aufloesen.
Warten wirs ab.
Überall wo sich Menschen gegen widerwärtige Strukturen denen sie ausgesetzt sind wehren, kennen die Vertreter ähnlicher Interessenlagen nur das Ziel die eigene Potenz zu stärken.
Der Rest ist Lüge und Vertuschung realer Ansprüche.
"...der Angriff des bewaffneten Mobs und der Bruch des “Waffenstillstands” hat deutlich gemacht, dass – genau wie in Syrien – die “legale” Opposition in keiner Weise die Lage beherrscht. Bewaffnete Banden und Terroristen sind jetzt die treibenden Kräfte und Subjekte der Ereignisse, während die unsägliche Dreiheit der “Oppositionsführer” nichts anderes ist als die mediale Kulisse für kriminelle Schlägertrupps; sie imitieren einen nichtvorhandenen Einfluss auf die Ereignisse, rufen zu dem einen auf und fordern das andere – nichts als eine Show. Die Verhandlungen und der gestern vereinbarte Waffenstillstand haben den Rädelsführern des bewaffneten Mobs garantiert, dass die Räumung des “Maidan” in der Nacht nicht stattfindet, und diese Garantie haben sie maximal zu nutzen gewusst – nach Mitteilungen des ukrainischen Innenministeriums war es gerade die vergangene Nacht, als Mengen an am Vortag in Armeelagern im Westen des Landes geraubte Schusswaffen auf den Maidan gekommen sind, und zwar unter Zuhilfenahme und Deckung von Rada-Abgeordneten, die dort zu Vermittlung und Gesprächen zugegen waren.
Zweitens. Dass der Angriff der Banden mit den Visiten des deutschen und des französischen Außenministers zusammenfällt, kann natürlich Zufall sein. Es wäre aber logischer, genau das Gegenteil anzunehmen. Der Franzose hat nach diesen Angriffen erklärt, dass Frankreich nunmehr auf vorgezogenen Präsidentenwahlen bestehe und dazu mitgeteilt, dass “die EU und Russland” schleunigst die Beilegung der Krise in der Ukraine untereinander ausmachen sollten.
Hier geht es folglich um eine gewisse Modifikation des “syrischen” Szenarios – man bietet Russland an, die Konfrontation mit dem Westen zu vermeiden, wie es sie in Syrien gegeben hat; vielmehr soll Russland in der Sache einer Aufteilung der Ukraine kooperieren. Somit würde Russland ganz offiziell zum Mittäter und hätte kein Recht mehr, den von der EU und den USA gegen die Ukraine geführten Krieg diplomatisch oder sonst auf einem anderen Weg abzublocken.
Das Szenario, das sich in Kiew entwickelt, wiederholt völlig unverhohlen sämtliche vorausgegangenen Szenarien der gewaltsamen “farbigen Revolutionen” – es gibt Scharfschützen auf den Dächern, die sowohl Sicherheitskräfte als auch Demonstranten ins Visier nehmen, womit für gegenseitige Anschuldigungen und ein Anheizen der Lage gesorgt werden soll. Das alte Muster; genau solche Scharfschützen gab es in Kairo, sie waren regelmäßig im Kontext der Freitagsgebete in Syrien im Frühjahr / Sommer 2011 aktiv, lange Zeit vorher gab es dieses Phänomen 1993 in Moskau – mit anderen Worten, ein ganz und gar traditionelles, weil wunderbar funktionierendes Verfahren. Leichen sehen immer schrecklich aus und sorgen dafür, dass die Reste des Verstandes abgeschaltet werden. Die sozialen Medien sind voll von hysterischem Gebrüll über das “Blutigeregime” – der Effekt ist eingetreten, die Hirne sind ausgeschaltet. Ein Mantra haben die bewaffneten Banden auch – fast wie “Allahu akhbar” heißt es, genauso eingängig und oft wiederholt, “Slawa Ukraine!...”
Der ganze sehr lesenswerte Beitrag :
http://www.chartophylakeion.de/blog/2014/02/20/operation-winterzauber/