Können wir uns als Demokraten damit einverstanden erklären, dass mit Hilfe von Faschisten eine gewählte Regierung gestürzt wird? Diese Frage stellte am 27. Juni 2014 der Journalist Eckart Spoo in Berlin. „Die Frage kann gar nicht zugespitzt genug gestellt werden“, betonte er und forderte auf, das so öffentlich wie möglich die Politiker hierzulande zu fragen.
Der frühere Redakteur der Frankfurter Rundschau und heutige Mitherausgeber des Weltbühne-Nachfolgers Ossietzky wurde so deutlich während seines Vortrages „Ukraine – die aktuellen Kriegslügen“ im Berliner „Sprechsaal“. Zu den Lügen zähle, dass deutsche Politiker verharmlosen, dass sie sich einverstanden erklärten und sich in Kiew an die Seite von Faschisten stellten. „In der Ukraine wurden ganz offen Faschisten für den Regimechange benutzt“, stellte Spoo klar. Er kritisierte nicht nur, dass u.a. die Bündnisgrünen behaupteten, das sei alles ganz harmlos. Die ukrainischen Faschisten hätten die „Funktion als SA in der Umbruchzeit“ gehabt. EU und NATO hätten nicht nur nichts dagegen getan, „sondern sie bedienten sich bewußt dieser Hilfstrupps“. Die Zusammenarbeit mit Faschisten sei aber nichts Neues oder Ungewöhnliches für die NATO, erinnerte der renommierte Journalist und verwies auf Portugal, Spanien und Griechenland. In letzterem sei der faschistische Putsch 1967 gar nach dem NATO-Generalstabsplan »Prometheus« abgelaufen.
Zuvor hatte Spoo Beispiele gebracht wie deutsche Mainstream-Medien über die Vorgänge ind er Ukraine lügen, auch durch Weglassen. Er habe um Pfingsten rum eine Woche lang die Süddeutsche Zeitung ausgewertet, berichtete er. Der Krieg in der Ostukraine sei kaum vorgekommen, bis auf Sätze wie, dass dort Separatisten „zurückgedrängt“ werden sollen. Aber wohin sollen sie denn „zurückgedrängt“ werden, fragte der Journalist, „diejenigen, die Separatisten genannt werden, wohnen doch dort, leben in den Gebieten.“ Eine Antwort fand er in der Süddeutschen Zeitung nicht, ebenso wenig Informationen über die Folgen des Krieges und seine Opfer oder die ökonomischen Hintergründe. Dafür sei aber u.a. ein großer Beitrag über angebliche russische Medienmanipulationen veröffentlicht worden. Dagegen sei kein Thema gewesen, dass sich westliche Medien und Journalisten zum Teil auf Angaben und Informationen des von den Putschisten und ihren Unterstützern finanzierten „Ukraine Crisis Media Centers“ stützten. Ebenso nicht, dass der neue ukrainische Präsident Petro Poroschenko u.a. einen eigenen TV-Kanal ("Fünfter Kanal") besitzt. (O-Ton Poroschenko im Bild-Interview am 29. Mai 2014: „Das ist ein unabhängiger Kanal, der eine entscheidende Rolle bei der Revolution am Maidan gespielt hat.“) Der Krieg in der Ostukraine mit seinen Folgen wie Wassermangel für Millionen Menschen und Flüchtlingsströme sei eine Woche lang in der Süddeutschen Zeitung, einer vermeintlichen Qualitätszeitung, nicht vorgekommen, so das Fazit von Spoo. In typischen deutschen Regionalblättern sei erst recht nichts davon zu lesen gewesen.
„Die tonangebenden deutschen Medien lenken vom Krieg ab, so wie sie vorher vom Faschismus in der Ukraine abgelenkt haben.“ Sie seien der Sprachregelung der Bundesregierung gefolgt und hätten nur von „Nationalisten“ oder „Rechtspopulisten“ berichtet, kritisierte der Journalist. „Über Faschismus sollte man nicht reden – nicht nur in der Ukraine.“ Entsprechend sei zum Beispiel das Massaker von Odessa am 2. Mai 2014 von der Tagesschau der ARD verschleiert worden, indem es nur hieß, dass ein Haus in Brand geraten sei. Die Bild habe den ukrainischen Übergangsministerpräsident Arsenij Jazenjuk zitiert, der tatsächlich Moskau für das Verbrechen verantwortlich machte. Es handele sich um eine durchgehende Tendenz in der Berichterstattung, stelle Spoo in Berlin fest.
Die deutschen Mainstream-Medien interessierten sich für die Ukrainer viel weniger als für den russischen Präsidenten Wladimir Putin, „der bestraft werden müsse“. Der Ossietzky-Mitherausgeber wandte sich gegen den medialen Eifer, alles Russische verächtlichen zu machen, der sich in den letzten Monaten verstärkt gezeigt habe. Noch sei die Bereitschaft zur Konfrontation hierzulande gering ausgeprägt. Aber diese permanente Hetze bleibe nicht wirkungslos, warnte Spoo. „Wenn zehnmal aus den Medien von Putins Annexion der Krim zu hören und zu lesen ist, dann glaubt man es irgendwann.“ Die Medien in der Bundesrepublik entfernen sich seiner Meinung nach immer weiter von dem Anspruch der Verständigung. Dabei könnten sie „sehr viel zum Frieden beitragen“, indem sie vermitteln, beide Seiten eines Konfliktes zu Wort kommen lassen und öffentliche Debatten anregen. Im Fall des Konfliktes in der Ukraine werde aber eine Seite „bewußt abgeschnitten“ und wegegelassen, werde Kurs genommen auf die wachsende Erpressung Russlands und auf Krieg. „Die Hauptbotschaft ist: Russland ist wieder der Hauptgegner. Die Hetze wird weitergehen.“ Für Spoo hängt das mit dem Rohstoffreichtum des Landes zusammen, wie er erklärte. Er warnte vor dem Prozess, sich wieder an militärisches Denken und Kriege zu gewöhnen. Das zeige sich auch daran, dass der Krieg gegen Jugoslawien 1999 noch mit zahlreichen Lügen begründet wurde. Jetzt scheine das nicht mehr nötig, da sich die Menschen schon an deutsche Kriegsbeteiligungen gewöhnt hätten.
Dass die Medien hierzulande diese politisch gewollte Entwicklung mitmachten, liegt für Spoo auch an der Medienkonzentration, dem damit verbundenen Personalabbau in Redaktionen und in der Folge auch der journalistischen Standards. „Zehn Medienkonzerne bestimmen die Landschaft. Sie geben Monopolzeitungen heraus und bestimmen, was gesendet wird. Sie sind ungeeignet, zu vermitteln.“ Doch der Journalist sieht die Mediennutzer dieser gefährlichen Entwicklung nicht machtlos ausgesetzt. Er forderte zu Zweifel und Widerspruch auf und dazu, den grundgesetzlichen Anspruch auf umfassende und zuverlässige Berichterstattung bei den Medien und Redaktionen einzufordern. Wer nicht einverstanden sei, solle sich an die Redaktionen wenden, durch Leserbriefe und Kommentare. Das würde auch jene Journalisten unterstützen, die sich noch nicht völlig angepasst hätten. Eine andere Möglichkeit sei, sich zu vernetzen, Informationen alternativer Medien auszutauschen und einen Gegenpol zur öffentlichen Propaganda zu bilden. Es müsse etwas getan werden, um sich nicht von Kampagnen überrollen zu lassen. Spoo stellte klar: „Es gibt keine Demokratie ohne Demokratisierung der Medien! Erst wenn das erreicht ist, kann hierzulande von Demokratie gesprochen werden!“
Der Vortrag von Eckart Spoo war Teil des Programms der Ausstellung "Im Osten nichts Neues – Alte Feindbilder, moderne Propganda". Sie wird vom Institut für Medienverantwortung (IMV) seit dem 20. Juni 2014 im Sprechsaal Berlin gezeigt und läuft noch bis zum 25. Juli 2014.
Korrigiert im 5. Absatz, ersten Satz, um 11:02 Uhr
Kommentare 12
Danke für den Beitrag, habe die Veranstaltung leider verpaßt.
Die Medien in der Bundesrepublik entfernen sich seiner Meinung nach immer weiter von dem Anspruch der Verständigung. Dabei könnten sie „sehr viel zum Frieden beitragen“, indem sie vermitteln.
MM nach gibt es diesen Anspruch nicht mehr. Es geht um wirtschaftlichen Erfolg & diesen haben nur die, die nachplappern, (manch einer glaubt sicherlich auch fest daran) & mithilfe transatlantischem Coach aufsteigen. Es lohnt sich, ab & an den Werdegang von den medienpräsenten Journalisten zu googeln.
Dass die Medien hierzulande diese politisch gewollte Entwicklung mitmachten, liegt für Spoo auch an der Medienkonzentration, dem damit verbundenen Personalabbau in Redaktionen und in der Folge auch der journalistischen Standards.
Es liegt auch daran, dass seit Kohl kritische Medien keinen Fuss mehr in die Tür kriegen. Mitmachen oder draussenbleiebn. Das ist dann auch die Devise für Journalisten, wer das nicht mitmachen kann & möchte, braucht zumeist einen weiteren Job oder sucht sich langfristig einen anderen.
Wer nicht einverstanden sei, solle sich an die Redaktionen wenden, durch Leserbriefe und Kommentare.
Genau! Wenn es zu viele werden, heißt es dann, dass die alle in Russland geschrieben oder gar Leute hierzulande bezahlt werden, natürlich alles von Putin cash finanziert...;-)
>Aber diese permanente Hetze bleibe nicht wirkungslos, warnte Spoo.<
Und zwar in die eine wie in die andere Richtung! Die Propaganda ist so schlecht, dass ich mich immer wieder ermahnen muss nicht als Reflexhandlung doch noch zum Putinfreund zu werden. Erlebe viele in meinem Umfeld denen es ähnlich ergeht. Da muss man sich vergegenwärtigen: Die russische Presse ist keinen Deut besser.
Die Mehrheit der Bevölkerung ist natürlich schlicht zu apolitisch um einen medialen Tenor zu hinterfragen. Sie sind aber auch ein undankbares Ziel für die Propaganda: Es interessiert sie einfach nicht genügend um greifbare Effekte zu haben. Unter den politischen Menschen erlebe ich es so, dass eine Mehrheit ziemlich angekotzt ist von der Berichterstattung.
Die Mehrheit der Bevölkerung ist natürlich schlicht zu apolitisch um einen medialen Tenor zu hinterfragen.
wenn das stimmt, und ich bin davon überzeugt, dass es so ist, dann fehlt der demokratie die basis. es lebe die oligarchie! oder auch die plutokratie.
danke für den bericht, lieber hans.
sag mal, kennst du gegenwärtig diensttuende journalisten vom schlage spoo, köhler, bednarz? ich lese keine zeitungen und sehe nicht fern. mich interessiert deine antwort.
ohne Kommentar ein link aus Ukraine:
http://nmpu.org.ua/2014/06/pamyatka-dlya-pratsivnykiv-zmi-schodo-vysvitlennya-bojovyh-dij/?fb_action_ids=10202133529915554&fb_action_types=og.recommends
wenn das stimmt, und ich bin davon überzeugt, dass es so ist, dann fehlt der demokratie die basis. es lebe die oligarchie! oder auch die plutokratie.
Ich hätte zwar nicht Es lebe! sondern Es lebt geschrieben, aber in der Tat sehe ich es so, dass das Finanzkapital Medien und Politik so beherrscht, dass das Volk gegen seine Interessen verdummt und regiert wird.
Das erleben wir in der Ukraine selbst, und bei uns zum ersten Male in dieser Deutlichkeit auch in unserer Ukraine-Berichterstattung. Die (transatlantische) Plutokratie in Medien und Politik ist soweit fortgeschritten, dass wir keine funktionierende Demokratie mehr haben, etwas, was Jimmy Carter auch schon über die USA konstatiert, im Zsh. auch mit der Regentschaft der Geheimdienste.
Die Finanz-Lobby in den Medien hat aber auch schon in der Vergangenheit in vielen Fragen volksschädliche Entwicklungen und Entscheidungen betrieben, etwa bei Hartz IV, Steuererleichterungen für Reiche, Bankenrettung, Privatisierung der Altersvorsorge zugunsten der Banken- und Versicherungswirtschaft, Apathie gegen Steuerflucht u.v.m.
Jain. Es entspricht nicht dem Idealbild der Demokratie, das stimmt. Aber wenn man nach Alternativen fragt, was bleibt da? Andere Formen der Plutokratie oder schlimmeres.
Der Verweis auf die westliche, verhurte Bettgemeinschaft mit dem faschistischen Spanien, Portugal & Griechenland ist richtig. Argentienien & Chile wären mindestens hinzuzufügen. Vor allem Chile, wo der Faschismus von den USA ja bewußt installiert wurde und die neoliberalen Stricher aus Chicago deutlich demonstrierten, was sie unter "Freiheit" verstehen.
Diese Art von "Freiheit" sehen einige Wirtschaftbosse heute in China & Russland sehr viel besser verwirklicht als bei uns. Die zunehmende Ermächtigung EU und TTip & Co sollen da wohl zu einer Annäherung der Systeme führen.
Und hierzulande hat man die Basis für diese postdemokratische Oligharchie des Kapitals bereits beim Aufbau der BRD gelegt, in dem man jede Menge Faschisten gleich in die Schaltstellen des Systems mit einbaute. Darauf könnte man auch verweisen.
Insofern hat die Ukraine-Krise etwas Absurdes. Denn der Maidan störte ja die Oligarchen auf allen Seiten. Der Unterschied ist doch lediglich, dass man im Westen den demokratischen Schein stärker hervorheben möchte als dies in Russland der Fall ist.
Und der Konflikt hat in meinen Augen auch nicht zu einem faschistischen Regime geführt. Es wurden im Resultat lediglich die einen, abgewirtschafteten Oligarchen gegen andere ausgetauscht.Und was da jetzt faschistisch sein mag, was vorher schon da und unterscheidet sich wohl eher nicht von faschistischen Tendenzen in Russland und anderen Nachfolgestaaten der UdSSR.
Wie weit man trotz faschistischer Tendenzen aber vom tatsächlichen Faschismus entfernt ist, zeigt genau der Blick auf die o.g. faschistischen Regime.
Vergleichbare Fälle zu dem der Ukraine sehe ich daher auch eher im Nordirland- oder dem spanischen Basken-Konflikt. Da geht es um Territorial- bzw. Nationalinteressen, nicht um Systeminteressen.
Und wenn da schon Faschismus involviert ist, dann auf beiden Seiten in Form von "Blut & Boden"-Mentalität. Von Äußerungen vor laufender Kamera aus der Ostukraine dergestalt, dass man mit den schwulen Pädophilen in Europa nichts zu tun haben wolle man ganz abgesehen....
Danke für den Artikel!
Schade, dass diese Information wohl nur von einigen wenigen gesehen wird und von noch wenigeren verstanden wird. Aber so ist das nun mal bei Kriegshetze - ohne klaren Feind wird das nichts mit dem Krieg und den vielen Freiwilligen, die ihr Leben als Kanonenfutter beenden werden oder es schon getan haben.
Erstaunlich, wie einfach und heute noch immer effektiv diese Mechanismen sind.
Hm, mir fallen da nur die Kollegen von der jungen Welt ein ... Aber bei den meinungsmachenden Medien zur Zeit leider nicht
Es entspricht nicht dem Idealbild der Demokratie, das stimmt. Aber wenn man nach Alternativen fragt, was bleibt da? Andere Formen der Plutokratie oder schlimmeres.
weiß nicht, was ich von idealbildchen halten soll...
aber ich bin mir sicher, dass plutokratie und schlimmeres nicht die einzigen alternativen sind.
Ich hätte zwar nicht Es lebe! sondern Es lebt geschrieben, aber in der Tat sehe ich es so, dass das Finanzkapital Medien und Politik so beherrscht, dass das Volk gegen seine Interessen verdummt und regiert wird.
und ich gebe zu, dass ironie in blogs und kommentaren zu blogs eine rarität ist. erfasste ironie ist noch seltener, weil die mimik und andere hilfsmittel fehlen.