Mursi war ohne Militär nichts

Ägypten Das Militär hat für eine Lösung der Krise im Land gesorgt – frei von der befürchteten Explosion. Ohne die landesweiten Proteste wäre das nicht möglich gewesen

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Mursi war ohne Militär nichts

Foto: Spencer Platt/Getty Images

"Mursi ist ohne Militär nichts" hatte ich am 8. Dezember 2012 festgestellt. Das wurde am heutigen 3. Juli 2013 bestätigt. Das ägyptische Militär hat die Krise auf eine Weise gelöst, die überraschend erscheint, aber eigentlich nicht überraschend ist, eben weil ohne die Armee in dem Land nichts läuft, politisch nicht, wirtschaftlich nicht und damit auch sozial, im Positiven wie im Negativen.

Seit etwa 2010 zeigte sich in Ägypten eine klassische revolutionäre Situation, in der die Herrschenden nicht mehr weiter wie bisher herrschen können und die Beherrschten nicht mehr so wie bisher leben können und beherrscht werden wollen. Sie wurde mit dem Sturz Hosni Mubaraks Anfang 2011 und nach der Wahl von Mohammed Mursi zum Präsidenten im vorigen Jahr nicht gelöst. Sie schwelte weiter und spitzte sich zu – mit dem Ergebnis des heutigen Abends. Sie hat ihre Grundlage in der sozialen Situation in Ägypten, was auch für andere arabische und nordafrikanische Länder gilt. Die Lage der Menschen verschlechterte sich sogar noch nach dem Sturz Mubaraks und Hoffnungen auf eine Verbesserung der Lebensverhältnisse wurden von Mursi enttäuscht. Weltbank und Internationaler Währungsfond haben ihren Anteil daran. Das Militär habe eine Regierung gebraucht, die die politische Ökonomie Ägyptens so managt, dass der Zustand der Unruhe begrenzt bleibt, meint der private Nachrichtendienst Strafor in einer ersten Analyse. Dabei hat Mursi versagt, weshalb es zu dem "atypischen Militärputsch" kam, wie es Stratfor bezeichnet.

Nun bleibt weiter abzuwarten, ob endlich eine dauerhafte Lösung gefunden wird, wie sie Dorothea Schmidt von der internationalen Arbeitsorganisation der UNO, der ILO, schon 2011 beschrieb: "Eine Konzentration der Wirtschaftspolitik auf die Schaffung von Beschäftigung, die Entwicklung des sozialen Dialogs und eine Ausweitung der sozialen Sicherungssysteme werden darüber entscheiden, ob die Länder Nordafrikas einen Weg zu mehr Demokratie und zu menschenwürdiger Arbeit für alle finden werden." (siehe hier, PDF-Datei) Rania al Malky von der ägyptischen Zeitung Daily News stellte im Bericht des TV-Senders Phoenix am heutigen 3. Juli 2013 klar, dass, wer daran scheitere, die wirtschaftliche Entwicklung voranzubringen, Arbeitsplätze zu schaffen und die Revolution auf das herunterzubrechen, "was sie sein soll", nämlich die Lebensverhältnisse zu verbessern, "der kann gleich einpacken". Die Frage ist auch, ob der Westen samt Weltbank und Internationalem Währungsfond den dazu notwendigen Kurswechsel weg von der neoliberalen Ausrichtung der ägyptischen Politik zulassen werden.

Sicher ist, dass in Ägypten zwei Dinge bleiben wie sie waren: Das Militär bleibt die "ultimative Quelle der Macht" in dem Land (Stratfor) und ohne die USA ist die ägyptische Armee nichts. Der ZDF-Korrespondent Bernhard Lichte hat es in der heutigen Berichterstattung von Phoenix über die neuen historischen Ereignisse in Ägypten so formuliert: Die USA werden darauf achten, dass da niemand aus dem Ruder läuft. Deshalb werden sie seiner Ansicht nach auf eine "Technokraten"-Regierung auch in Ägypten hinarbeiten. Zuvor hatte Lichte von Informationen erzählt, dass es Kontakte zwischen der ägyptischen Armeeführung und der US-Regierung gegeben habe, bevor Verteidigungsminister Abdel Fattah al-Sisi den Sturz Mursis verkündete.

Bei allen nun zu erwartenden auch gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den von der Macht entfernten Muslimbrüdern ist und bleibt die grundsätzlich friedliche Lösung der Krise in Ägypten vom heutigen 3. Juli 2013 ein gutes Ereignis. Nun wird sich zeigen, was das den Menschen in dem Land am Nil bringt. Und es bleibt die Hoffnung, dass ein befürchteter Bürgerkrieg, angezettelt von den entmachteten Muslimbrüdern, ausbleibt.

aktualisiert: 4.7.13, 0.03 Uhr

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Geschrieben von

Hans Springstein

Argumente und Fakten als Beitrag zur Aufklärung (Bild: Eine weißeTaube in Nantes)

Hans Springstein

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