Nachrichtenmosaik Berlin 19.12.16

Breitscheidplatz Gesammelte Informationen zum mutmaßlichen Anschlag in Berlin am 19.12.16 und zur notwendigen Erinnerung zum angeblich darin verwickelten "Islamischen Staat" (IS)

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• „IS beansprucht Berliner Anschlag für sich
Die Polizei ermittelt noch zu den Hintergründen des Anschlags auf einen Berliner Weihnachtsmarkt. Der Täter ist auf der Flucht. Mit einer Meldung im Internet reklamiert die Terrormiliz Islamischer Staat den Angriff nun für sich.
Die Terrormiliz Islamischer Staat hat den Angriff auf den Weihnachtsmarkt in Berlin für sich in Anspruch genommen. Das IS-Sprachrohr Amak meldete im Internet, ein IS-Kämpfer sei für den Angriff verantwortlich gewesen. Er sei damit dem Aufruf gefolgt, die Staaten der Anti-IS-Koalition anzugreifen, die den IS in Syrien und im Irak bekämpft. …
Die Ermittler wollten sich bisher nicht auf einen islamistischen Hintergrund der Tat festlegen. Ein Bekennervideo gebe es nicht, sagte Generalbundesanwalt Peter Frank am Nachmittag. …
“ (n-tv, 20.12.16)

• "Interview: «Ohne Frieden in Syrien gibt es Terror» Ob der Attentäter von Berlin dem Islamischen Staat angehöre, sei nicht klar, sagt Experte Volker Perthes. Der IS werde aber weiteren Terror nach Europa bringen.
Haben Sie mit einem Anschlag wie jenem auf den Berliner Weihnachtsmarkt gerechnet?
Nicht konkret, nicht an dem Ort, nicht zu der Zeit. Aber die Sicherheitsbehörden wie auch unser Institut haben wiederholt davor gewarnt, dass Anschläge auch in Deutschland wahrscheinlich sind, wobei Massenveranstaltungen besonders gefährdet seien. Das war indes nicht besonders kreativ oder vorausschauend, denn es gab ja bereits Versuche in Deutschland, etwa bei einem Musikfestival in Süddeutschland. ...
Aber radikalisieren die Ereignisse in Syrien, insbesondere so dramatische Bilder wie jene aus Aleppo, potenzielle Attentäter nicht zusätzlich?
Ja. Krieg radikalisiert Leute in den betroffenen Ländern und in Ländern, die sich solidarisch fühlen. Wobei der Krieg in Syrien und der Fall Aleppos nicht die einzigen Ereignisse sind, die Organisationen wie al-Qaida zur Propaganda dienen. Al-Qaida ist sehr viel älter als der Krieg in Syrien, ebenso der Islamische Staat, der sich wegen des Bürgerkriegs in Syrien einfach ausbreiten konnte. ...
Wir wissen noch nicht, ob der Täter zum IS gehört – oder ob er sich von ihm inspiriert gefühlt hat. Das ist denkbar. Wir haben erwartet, dass wenn der IS in Syrien und im Irak in Bedrängnis gerät und Territorium verliert in Mosul oder Raqqa, dass der IS versuchen wird, mehr Terror nach Europa und in andere Länder zu exportieren. Aber ob das auch für den Anschlag in Berlin gilt, wissen wir noch nicht.
Müssen wir also mit einer weiteren Terrorwelle rechnen, weil der IS dermassen unter Druck steht?
Die Sicherheitsbehörden und -experten rechnen damit. ...
Ohne Frieden in Syrien gibt es weiterhin Terror. ..." (Tages-Anzeiger online, 20.12.16)

• „IS veröffentlichte im November konkrete Tat-Anleitung
Die Motive des Angreifers vom Breitscheidplatz in Berlin sind noch unklar. Aber seine Vorgehensweise folgt genau einem Muster der Terrororganisation "Islamischer Staat".
… Bundesregierung und Bundesanwaltschaft gehen von einem Terroranschlag aus.
In der November-Ausgabe des IS-Propagandamagazins "Rumiyah" lieferten die Dschihadisten des "Islamischen Staats" detaillierte Tipps zu einem Anschlag mit einem Lastwagen. Der Truck sollte möglichst schwer und hoch sein und schnell beschleunigen können, um Bordsteinkanten und Absperrungen zu überwinden. Als ideale Ziele nannte der IS Fußgängerzonen und öffentliche Feiern. Ausdrücklich wiesen die Terroristen auch auf die Möglichkeit hin, einen Lkw zu entführen …
Nicht erst seit dem Anschlag von Nizza, bei dem ein Anhänger des IS mit einem Lastwagen während der Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag am 14. Juli in eine Menschenmenge raste, gehören Attentate mit Fahrzeugen zur Taktik der Dschihadisten. …
“ (Spiegel online, 20.12.16)

• zum Stichwort Nizza: „Bedenken von Sicherheitsexperten
Zweifel an IS-Bekennerschreiben

Das Bekenntnis des "Islamischen Staates" enthält nur die Aussage, dass der Attentäter von Nizza "ein Soldat des IS" gewesen sei. Es fehlt an Täterwissen, weshalb Sicherheitsexperten skeptisch sind, ob das Schreiben ernst zu nehmen ist.
Die Nachricht erschien auf einer Internetseite des Dienstes Amak - einer Nachrichtenquelle, die dem sogenannten Islamischen Staat nahe steht und in der immer wieder Botschaften des IS verbreitet werden. Allerdings sagt Amak nur, dass der Fahrer des Lkw "ein Soldat des IS" gewesen sei - und das man sich über die Tat freue. Die Botschaft enthält keinerlei weitere Einzelheiten.
In deutschen Sicherheitskreisen herrscht nicht nur deshalb große Skepsis, ob dieses Bekenntnis ernst zu nehmen ist. …
Zudem gibt es nach Einschätzung deutscher Sicherheitsbehörden bislang nicht den kleinsten Hinweis darauf, dass der Fahrer des Lkw islamistisch radikalisiert gewesen sein könnte. Auch bei französischen Behörden wächst die Skepsis, ob die frühe Festlegung zum Motiv des Täters richtig war. …
“ (ARD tagesschau.de, 16.7.16)

• zum Stichwort Islamischer Staat: „Pentagon-Bericht enthüllt
USA ließen den IS gewähren

Eine der gängigsten Verschwörungstheorien zum Islamischen Staat ist, er sei ein Produkt der USA. Die Enthüllung geheimer Dokumente zeigt, dass die Amerikaner der Entstehung des IS zumindest nichts entgegensetzt haben - weil sie darin ein Chance sahen.
Die Regierung der USA ahnte schon vor drei Jahren, dass eine islamistische Terrororganisation im Osten Syriens einen eigenen Staat ausrufen könnte. Das belegen Dokumente der amerikanischen Defense Intelligence Agency (DIA), die der britische Enthüllungsjournalist Nafeez Ahmed ausgewertet hat. Der Artikel ist auf der durch freiwillige Spenden ("Crowdfunding") finanzierten Plattform "Insurge Intelligence" erschienen.
Ahmed schreibt unter Berufung auf die Dokumente, dass die USA und westliche Staaten gemeinsam mit der Türkei und sunnitischen Golfstaaten wissentlich radikal-islamische Gruppen in Syrien unterstützt hätten. Dabei hätten sie in Kauf genommen, dass sich diese im weiteren Verlauf des Krieges zu einer großen neuen islamistischen Terrorgruppe zusammenschließen könnten.
Genau das ist mit dem "Islamischen Staat" vor etwa zwei Jahren auch geschehen. Es wurde vom Pentagon jedoch - trotz aller ebenfalls erkannten Gefahren - als hilfreich bei der Destabilisierung des syrischen Regimes gesehen. …
“ (n-tv, 27.5.15)
siehe auch Luftpost vom 27.5.15
siehe auch Rainer Rupp im Mai 2015: „Der DIA-Bericht prognostiziert den Aufstieg eines solchen »Islamischen Staats« als direkte Folge der US-Destabilisierungsstrategie.

Jürgen Todenhöfer dazu im Mai 2015: „Ein salafistischer Terrorstaat in Ost-Syrien war ihnen nicht nur egal. Sie ‚wollten‘ ihn. Sie nahmen zusätzlich bewusst in Kauf, dass der ISI einen islamistischen Terrorstaat gründen konnte, der Teile des Irak umfasste. Der DIA-Bericht ist in diesem Punkt unmissverständlich.
Deshalb planen die USA zur Zeit auch nicht, den ‚Islamischen Staat‘ völlig auszuschalten. Selbst wenn sie wüssten wie. Sie brauchen den IS noch. Iran würde ihnen sonst zu stark. So kämpfen sie mit angezogener Handbremse.
Wetten, dass die westlichen Politiker und die Mainstream-Medien alles tun werden, um diese Perversion der offiziellen westlichen Anti-Terrorpolitik herunterzuspielen oder totzuschweigen? Die DIA-Analyse ist der Offenbarungseid einer abenteuerlichen und leider auch kriminellen Strategie. Obama und der Westen als vom US-Geheimdienst überführte Terrorpaten – das ist schwer zu verdauen.

Herbert Ludwig auf Fassadenkratzer am 10.2.16 über das „Das Zerstörungswerk der USA im Irak und die Bildung des „Islamischen Staates“": „Der IS ist ein fanatisches Instrument in den Händen der USA, das ungewollt für deren gnadenlose Weltherrschafts-Ziele kämpft. Tod und Leid, Not und Vertreibung, die der IS verbreitet, gehören ebenso auf das Unheil-Konto der scheinheiligen US-Machtelite, das sie im Vorderasien seit Jahrzehnten angehäuft hat. Und die europäischen Vasallen-Regierungen, auch die deutsche im Verein mit ihren permanent die Wahrheit verschleiernden Propaganda-Medien, haben ihren schändlichen Anteil daran.

• Jürgen Todenhöfer in seinem Buch „Inside IS – 10 Tage im ›Islamischen Staat‹“: „… Für die Störungsfreiheit der Ölförderung und des Öltransports waren die USA stets bereit, Kriege zu führen. Solange die IS-Kämpfer nur in Syrien, fernab der viel größeren irakischen Ölfelder, mordeten und köpften, ließen die USA sie gewähren. Sie unterstützten sie sogar indirekt. Über die mit ihnen verbündeten Golfstaaten. Der Exchef des Geheimdiensts des US-Verteidigungsministeriums DIA, Michael Flynn, hat hierzu sehr offene, erschreckende Werte gefunden. Auch die Geld- und Waffenlieferungen an die anderen großen syrischen Terrororganisationen Jabhat Al Nusra, Islamic Front oder Ahrar Al Sham winkten die USA durch. Teilweise koordinierten sie sie sogar durch ihre Geheimdienste. Weil sie Assad bekämpfen. Den Verbündeten des Iran, der den USA durch den Irakkrieg 2003 und den Sturz seines Gegners Saddam Hussein zu mächtig geworden ist. …“ (S. 17)

• Ex-DIA-Chef Michael Flynn sagte im August 2015 in einem Interview mit Al Jazeera, dass es sich beim geförderten Aufstieg des IS um eine “bewusste Entscheidung” seitens der US-Führung gehandelt habe - „...the White House’s sponsoring of radical jihadists (that would emerge as ISIL and Nusra) against the Syrian regime was “a willful decision.”“: „Former DIA Chief Michael Flynn Says Rise of Islamic State was “a willful decision” and Defends Accuracy of 2012 Memo"

• noch was zum Stichwort Islamischer Staat: „"Ich bitte um Verzeihung"
Ex-Premier Blair: IS ist Folge von Irakeinsatz

Großbritanniens ehemaliger Premierminister Tony Blair hat zugegeben, dass der Irakkrieg aufgrund falscher Informationen begonnen wurde und die Folgen schlecht durchdacht waren. "Ich bitte für die Tatsache um Verzeihung, dass die Geheimdienstinformationen, die wir bekommen haben, falsch waren", sagte der ehemalige Labourchef dem US-Sender CNN. …
Auf die Frage von Moderator Fareed Zakaria, ob der 2003 begonnene Irakkrieg der Hauptgrund für das Erstarken der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) gewesen sei, sagte Blair: "Ich denke, das ist in Teilen wahr." …
“ (n-tv, 25.10.15)

• Phyllis Bennis, Institute for Policy Studies, Washington D.C., am 2.12.16 auf Kontext-TV über den „komplizierten Syrienkrieg, den IS und das Terrorzüchtungsprogramm der USA“: „Die Geburt und Stärke des IS ist eng dabei gekoppelt an den Widerstand gegenüber jenen Regierungen, die wir eingesetzt haben. Das sind nun aber Dinge, die wir ändern könnten. Wir müssen beginnen, die tieferen Ursachen in den Blick zu nehmen.

• Dazu noch der Hinweis auf Erkenntnisse aus dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) über die Folgen des Terrors, veröffentlicht am 25. Januar 2010: "Anti-Terror-Maßnahmen und Freiheitsrechte – meist geht das eine zu Lasten des anderen. Jetzt haben Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) empirisch nachgewiesen, was politische Beobachter seit langem vermuten: Die Bereitschaft, Freiheitsrechte mit dem Ziel verschärfter Sicherheitsmaßnahmen einzuschränken, steigt nach einem Anschlag oder vereitelten Anschlag phasenweise deutlich an. ...
Politische Brisanz gewinnen die Ergebnisse der DIW-Untersuchung vor dem Hintergrund der Medien- und Politikspirale, die sich nach jedem Anschlag oder vereitelten Anschlag neu zu drehen beginnt – zumindest, wenn er sich in Westeuropa oder den USA ereignet hat. Für Befürworter möglichst harter Anti-Terror-Maßnahmen käme es demzufolge darauf an, beschlussfähige Vorschläge bereits in der Schublade zu haben und die breite öffentliche Zustimmung dafür so schnell wie möglich in politische Beschlüsse umzusetzen. ..."

• Aus einem Interview der Nachdenkseiten mit Paul Schreyer, veröffentlicht am 7.12.15: "... Im Online-Magazin Telepolis haben Sie in den letzten Jahren ja immer wieder auf Unschlüssigkeiten und Eigenartigkeiten bei bekannten Terroranschlägen, die hiernach noch jedes Mal dazu genutzt wurden, um den Abbau von Grund- und Freiheitsrechten zu forcieren, hingewiesen. Warum ist dieses Thema so wichtig für Sie?
Mit Terror wird Politik gemacht, überall, und eigentlich auch schon immer. Der Abbau von Bürgerrechten ist das eine. Zugleich werden mit Terroranschlägen weiterhin Kriege im Ausland legitimiert, die man sonst kaum durchsetzen könnte. Wir erleben es ja gerade wieder. Kurz nach dem Blutbad in Paris schickt die Bundeswehr Soldaten nach Mali und Tornado-Jets nach Syrien.
Man sollte sich dabei immer wieder klar machen, dass eine Unterscheidung zwischen Terrorismus und Krieg völlig willkürlich ist. Der Krieg ist seinem Wesen nach eine Abfolge von Terrorangriffen. Der „Krieg gegen den Terror“ ist also zutreffender ein „Terror gegen den Terror“, oder noch zutreffender häufig ein „Terror zur Erlangung von Bodenschätzen“.
Gerade deshalb ist es so wichtig, darauf zu beharren, dass Terroranschläge transparent aufgeklärt werden. Da gibt es große Lücken. Auch das erleben wir gerade wieder. Einen Tag nach den Pariser Anschlägen wurde behauptet, man kenne die Täter und inzwischen fragt kaum noch jemand nach einer detaillierten, sauberen Aufklärung mit Fakten, Indizien, überprüfbaren Beweisen und transparentem Strafprozess. Alles scheint längst geklärt, die Attentäter sind tot oder verschwunden, die Entsendung von Militär als „Antwort“ nur noch Formsache. Dabei sind auch bei diesem Terroranschlag viele Fragen offen. ...
"

Das könnte zu der Frage führen, wer uns wirklich gefährdet … An dem Punkt muss ich erst mal aufhören. Irgendwie hoffe ich immer noch, dass es "nur" eine Amokfahrt oder ein Unfall gewesen ist ...

aktualisiert: 21.12.16; 00:38 Uhr

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Geschrieben von

Hans Springstein

Argumente und Fakten als Beitrag zur Aufklärung (Bild: Eine weißeTaube in Nantes)

Hans Springstein

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