Naturwerk und Menschenbeitrag

Hochwasser Die erschreckenden Bilder verstellen den Blick für menschengemachte Ursachen. Die sind lange bekannt, aber Korrekturen als Schutz vor den nächsten Katastrophen selten

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Hochwasser in Grimma
Hochwasser in Grimma

Foto: Jens Schlueter/Getty Images

Als ich von dem Hochwasser u.a. in meiner Herkunftsregion Thüringen, erfuhr, dachte ich, dass das nicht nur das Werk der Natur ist, sondern der Mensch seinen Beitrag mal wieder zu der Katastrophe geleistet hat ("Gottes Werk und Teufels Beitrag", um mal John Irvings Buchtitel zweckentfremdet zu verwenden). Es sind nicht nur die großen Zusammenhänge, die globalen Veränderungen, wie der Klimawandel. Einen nicht geringen Teil tragen auch die "kleinen" Veränderungen, des Menschen Werk an der Oberfläche des Planeten bei.

Wie geahnt und befürchtet, bin ich z.B. bei der Mulde bei Grimma fündig geworden. Eine Studie der Uni Bonn aus dem Jahr 2005 stellt zur Mulde Folgendes fest: "Im August 2002 war das gesamte Einzugsgebiet der Elbe und damit auch viele Bäche und Flüsse des Mulde-Einzugsgebietes von einem verheerenden Hochwasser betroffen. Grund hierfür war eine Vb-Wetterlage mit Niederschlagsmengen entsprechend eines ganzen Jahres, die innerhalb weniger Tage fielen (Meinel et al. 2003; LFUG Sachsen 2002).
Besonders in Bereichen, in denen die Gewässer aufgrund der intensiven Umlandnutzung begradigt und verbaut wurden, hatte dieses Hochwasser extreme Schäden zur Folge. Dieses
Hochwasser, dass durch eine Kombination aus extremen Niederschlagsereignissen und einem sehr schnellen Abfluss des Wassers entstanden ist, hatte weitreichende Folgen für
die Bevölkerung der betroffenen Region.

In einem Bericht des Landesumweltamtes Sachsen-Anhalt (LAU 2002), der im Juni 2002 erschienen ist, werden verschiedene Ursachen genannt, die neben den natürlichen Gegebenheiten
zu Hochwasserereignissen beitragen können:
• Versiegelung durch Siedlung, Gewerbe und Verkehr,
• Umwandlung von Grünland in Ackerland sowie Waldrodung,
• Waldschäden als Folge von Umweltbelastungen,
• Formen der nicht standortgerechten Landbewirtschaftung,
• Flurbereinigung zu großen Bewirtschaftungsflächen,
• Kanalisierung von Gewässern,
• Intensive Auennutzung.
Der Kriterienkatalog zeigt, dass die negativen Einflusskriterien durchaus vor dem Hochwasserereignis im August 2002 schon bekannt waren. Dennoch wurde nach dem Hochwasser mit dem Wiederaufbau der zerstörten Einrichtungen und Gebäude an Ort und Stelle begonnen (Abb. 7.6 vom Oktober 2003), obwohl Hochwasservorsorge und die Gewässerschutzziele der EG-Wasserrahmenrichtlinie bei neuen Baumaßnahmen zu berücksichtigen sind. ..." (Quelle)

Die Flussbegradigung gilt inzwischen allgemein als eine der bekannten Hochwasserkatalysatoren. "Für den Hochwasserschutz birgt ein begradigter und vertiefter Fluss ebenfalls viel größere Risiken als ein Fluss im natürlichen Zustand", warnte ein Beitrag des DeutschlandFunk im Jahr 2003. "Baggern, begradigen, betonieren - Hochwasserursachen oft menschengemacht", stellte der BUND schon 1998 fest. Der Rhein ist eines der meistbeschriebenen und -diskutierten Beispiele dafür. Einen interessanten aktuellen Überblick über die Ursachen, Probleme und Versäumnisse in diesem Zusammenhang gibt der "Länderreport" von Deutschlandradio Kultur vom 7. Juni 2013.

Wie so oft hat Schaden leider nicht klug (genug) gemacht und wurden Erkenntnisse nicht in Handeln umgesetzt, soweit sich kommender Schaden verringern lässt. Bei allem Erschrecken angesichts der aktuellen Bilder aus Thüringen, Bayern und Sachsen und dem Mitgefühl für die Betroffenen sollte das nicht außer acht gelassen werden und der klare Blick auf die menschengemachten Ursachen nicht verstellt werden.

aktualisiert: 8.6.2013, 16.55 Uhr

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Geschrieben von

Hans Springstein

Argumente und Fakten als Beitrag zur Aufklärung (Bild: Eine weißeTaube in Nantes)

Hans Springstein

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