(Nichts) Neues vom US-Imperialismus

USA 1. Teil eines zweiteiligen Beitrages über Neues und Altes zum US-Imperialismus aus Anlass zweier Reden von Barack Obama

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US-Präsident Barack Obama hat am 28. Mai 2014 den Absolventen der US-Militärakademie West Point und dem Rest der Welt erklärt, dass und warum die USA die Führungsrolle inne hat und haben muss. In der Ausgabe 23/14 des Freitag vom 5. Juni 2014 hat Konrad Ege einige Passagen der Präsidentenrede wiedergegeben: „Kaum jemals zuvor sei Amerika ‚stärker gewesen, verglichen mit dem Rest der Welt‘, so Obama vor der Militärakademie West Point. Wer anderes behaupte, deute die Geschichte falsch oder sei parteipolitisch motiviert. ‚Amerika wird auf der Weltbühne immer führen. Wenn wir das nicht tun, wird es niemand tun.‘“ Laut Ege handelte es sich um eine Rede, die mit dem Eingestehen von „Fehlern“ zeigte, dass die USA anpassungsfähig seien. „Ein Rückzug ist das freilich kaum. Die Partner sind vermehrt gefragt, auch bei der neuen ‚Anti-Terror-Initiative‘, lokale Streitkräfte in Afrika und im Nahen Osten auszubilden. Etwas unscharf sprach Obama von neuen Aufträgen für die NATO, aber in den Krieg ziehen würden die USA nur noch, wenn ihre Kerninteressen bedroht seien. Die Hemmschwelle für Interventionen steigt; man sah das bei der Kehrtwende gegenüber Syrien.

Der US-Politiker und -Publizist Paul Graig Roberts wurde am 2. Juni 2014 in einem Text, auf deutsch veröffentlicht u.a. vom Online-Magazin Cashkurs am 3. Juni 2014, deutlicher und stellte fest: „Im Rahmen seiner Rede an der Militärakademie West Point teilte uns Obama unter Applaus der zuhörenden West Point Kadetten mit, dass sich aus der ‚Einzigartigkeit Amerikas‘ eine Doktrin ableite, die als Rechtfertigung – für welche Unternehmungen Washingtons auch immer – zu verstehen sei.“ Roberts wies darauf hin, dass Obama die Rechtsstaatlichkeit auf den Kopf stellte, als er sagte: „Ich glaube mit jeder Faser meiner Seele an die Einzigartigkeit Amerikas. Doch was uns einzigartig macht ist nicht unsere Fähigkeit, internationale Regeln und die allgemeine Rechtstaatlichkeit zu missachten, sondern es ist unser unbedingter Wille, beides durch unser Handeln zu bewahren.“ So verwandelten sich „Washingtons Verbrechen … in ein Bekenntnis zur Wahrung der Rechtstaatlichkeit“, stellte Roberts, Ex-Vize-Finanzminister unter Ronald Reagan, fest. Die von Obama verkündete „Einzigartigkeit“ der USA habe allein im 21. Jahrhundert sieben souveräne Nationen komplett oder teilweise zerstört. „Millionen von Menschen sind tot, verkrüppelt oder ihrer Heimat beraubt, und all diese kriminelle Zerstörungswut ist Beweis für Washingtons Bekenntnis zur Einhaltung internationaler Normen und der allgemeinen Rechtstaatlichkeit.

Dazu zähle auch, „dass US-Präsidenten nach Strich und Faden lügen und diejenigen in der Öffentlichkeit falsch darstellen können, die sie zu dämonisieren beabsichtigen“, so Roberts. Obama rücke Russland in ein falsches Licht, wenn er wie in West Point erkläre: „Russlands Aggression gegenüber ehemaligen Satellitenstaaten der Sowjetunion verunsichert die Hauptstädte Europas . . . In der Ukraine erinnern Russlands jüngste Aktionen an jene Tage, an denen sowjetische Panzer in Osteuropa einrollten.“ Das gelte auch für den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad, den der US-Präsident „als Diktator, der seine eigenen Landsleute bombardiert und verhungern lässt“, darstelle. Roberts Kommentar dazu: „Fragte sich auch nur irgendeiner der anwesenden West Point Kadetten unter Obamas Zuhörerschaft – falls sich Assad tatsächlich als brutaler Diktator bezeichnen ließe, der seine eigenen Landsleute bombardiert und verhungern lässt – warum die Syrer eher einer Unterstützung Assads anstatt den durch Amerika hofierten ‚Freiheitskräften‘ aus einer Kombination aus den ins Land einsickernden Gotteskriegern sowie al-Qaida Kämpfern – die die Assad-Regierung ablehnen, weil diese eher säkularistisch veranlagt ist – zuneigen?

Katastrophale Kombination

Der Publizist meint, statt sich kaputtzulachen über „Obamas lächerliche Rede, die offensichtlich an den Massengeschmack der Abschlussklasse von West Point angelehnt war“, solle Obamas Schlussfolgerung beachtet werden: „Amerika muss auf globaler Ebene stets die Führungsrolle übernehmen. ... Unser Militär ist das Rückgrat dieses Führungsanspruchs und wird auch in Zukunft stets das Rückgrat dieses Führungsanspruchs bleiben.“ Das zeige, dass Washington nicht auf Diplomatie setze, sondern auf die Ausübung von Zwang. „Die ernsthafteste Bedrohung lautet: ‚Tut, was wir Euch sagen, oder wir bomben Euch zurück in die Steinzeit.‘“ Roberts bezeichnete Obamas Rede als „eine Rechtfertigung für Washingtons kriminelle Aktionen mit der Begründung, dass Washington im Namen der einzigartigen Amerikaner handelt, deren Einzigartigkeit sowohl sie als auch ihre Regierung über Rechtstaatlichkeit und internationale Gesetze stellt“.

Was von Obamas Worten zu halten ist, beschrieb Jan Oberg, Däne und Direktor der „Transnational Foundation for Peace and Future Research“ im schwedischen Lund, in einem Beitrag am 29. Mai 2014. Auf diesen machte William Blum in seinem neuesten „Anti-Empire Report“ aufmerksam. Oberg vermisste in Obamas Worten eine „hinreichend genaue Bewertung der Welt und der Rolle der anderen Nationen“ ebenso wie „ein Gefühl der Demut und Respekt für Verbündete und andere Ländern in dieser Welt“. Fehlanzeige gebe es auch bei „einer Gesamtstrategie für Amerika, für die Außen-und Sicherheitspolitik und einer Art von Vision, wie eine bessere Welt aussehen würde“. Die Rede in West Point mit ihrer „müden, selbstherrlichen Rhetorik“ sei ein „dünner Deckmantel für die Tatsache, dass es keine solche Vision oder Gesamtstrategie gibt“. Ebenso fehle „ein kleiner Hauch von Reformen der bestehenden Institutionen oder von neuem Denken über die Globalisierung und globale demokratische Entscheidungsfindung“. Obama habe „keine Spur von Kreativität“ gezeigt, keine Ideen und Initiativen, keine „ausgestreckten Hände“ präsentiert, die in Richtung von Konfliktlösungen in Krisengebieten wie der Ukraine, Syrien, Libyen, China-Japan und dem Iran weisen. Dagegen hätten „Arroganz und Selbstlob“ des US-Präsidenten wenig Hoffnung gemacht für all jene, die angewidert seien von seiner imperialen Arroganz, dem einzigartigen Militarismus und der Unempfindlichkeit gegenüber den Opfern seiner verabscheuten Politik. Die West Point-Rede habe eher die Angst vor der „potenziell katastrophalen Kombination von Militarismus, Hybris, einem abnehmenden Realitätssinn und dummen Eigenlob“ befördert.

Natürlich kümmert solche Kritik einen US-Präsidenten nicht, wenn er sie denn zur Kenntnis nimmt. Und so legte Obama am 4. Juni in Warschau nach. „Echte Demokratie, echter Wohlstand, dauerhafte Sicherheit - diese sind weder einfach gegeben, noch von außen aufgezwungen“, erklärte er den Polen und dem Rest der Welt. „Sie müssen verdient und von innen heraus geschaffen werden.“ Der US-Präsident sah in Warschau den Lohn dafür: „die Kraft der freien Märkte und die Ergebnisse der harten Reformen - strahlende Wolkenkratzer hoch über der Stadt und Autobahnen über das Land, High-Tech-Zentren und einen Lebensstandard, den sich frühere Generationen von Polen nur vorstellen konnten“. Und er merkte nicht, dass er sich wieder lächerlich machte wie schon in West Point, indem er erklärte, dass die Wirtschaft für einen breiteren Wohlstand in Europa und überall auf der Welt sorgen müsse, vor allem für junge Leute. Führungskräfte müssten das öffentliche Vertrauen hochhalten, gegen Korruption eintreten und dürften nicht in die eigenen Taschen wirtschaften, gab Obama die ökonomische Theorie wieder. „Unsere Gesellschaften müssen eine größere Gerechtigkeit umfassen, die die jedem Menschen innewohnende Würde anerkennt.

All das werde immer noch bedroht, wie „Russlands Aggression in der Ukraine“ gezeigt habe, erklärte Obama in Warschau. Doch Polen müsse keine Angst haben, denn der US-Präsident war nach Warschau gekommen, „um unser unerschütterliches Engagement für die Sicherheit Polens zu bekräftigen“. Dafür stehe Artikel 5 des NATO-Vertrages: „ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf alle“. Die USA hätten als Polens Verbündete „eine heilige Pflicht … Ihre territoriale Integrität zu verteidigen“. Obama bekam Beifall, als er sagte, es handele sich um „unverbrüchliche Verpflichtungen, gesichert durch die stärkste Allianz der Welt und die Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika - das mächtigste Militär in der Geschichte“. Das zeigten NATO-Flugzeuge am Himmel über den baltischen Staaten, NATO-Kriegsschiffe im Schwarzen Meer, gemeinsame Militärübungen und „die erhöhte und dauerhafte amerikanische Präsenz hier auf polnischem Boden“. Das dürfe nicht als Bedrohung für irgendeine Nation missverstanden werden, so der US-Präsident, sondern sei nur dazu da, „um die Sicherheit und das Gebiet von uns selbst und unserer Freunde zu verteidigen“. Es gehe nur darum, zusammenzustehen, „weil wir glauben, dass Völker und Nationen das Recht haben, ihr eigenes Schicksal zu bestimmen“. Das gelte auch für die Ukraine, stellte Obama klar, der er versprach, ihr beizustehen, auch auf dem „harten Weg der Reformen“, die in Angriff genommen worden seien. Der US-Präsident, der Tage zuvor in West Point die imperiale oder besser imperialistische Führungsrolle seines Landes in der Welt betonte, behauptete in Warschau tatsächlich: „Die Tage von Imperien und Einflusssphären sind vorbei.“ Großen Nationen dürfe es nicht erlaubt werden, kleinere zu schikanieren oder diesen „mit Gewehrläufen und maskierten Männern“ ihren Willen aufzuzwingen. „Deshalb werden wir die russische Besetzung der Krim oder die Verletzung der ukrainischen Souveränität nicht akzeptieren.“ Es könne nicht zugelassen werden, dass diese „dunklen Taktiken des 20. Jahrhunderts“ das neue Jahrhundert bestimmten.

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Geschrieben von

Hans Springstein

Argumente und Fakten als Beitrag zur Aufklärung (Bild: Eine weißeTaube in Nantes)

Hans Springstein

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