Nur eine mögliche Antwort auf die Kriegspläne

Syrien Die Kakophonie der Kriegstreiber hält an, der Countdown zum angekündigten Eintritt in den offenen Krieg läuft weiter. Nur ein deutliches Nein dazu ist gerechtfertigt

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Antikriegsproteste in der Downing Street, London
Antikriegsproteste in der Downing Street, London

Foto: Oli Scarff/Getty Images

U.a. bei Focus online kann das Geschehen inzwischen per "Liveticker" verfolgt werden. Nach der bisherigen indirekten Beteiligung des Westens und seiner Verbündeten am Krieg in und gegen Syrien ist der schon für den 29. August 2013 angekündigte bzw. vermutete Schritt zur direkten Beteiligung nur folgerichtig.

• Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, behauptete am 27. August 2013 tatsächlich, ein möglicher Militäreinsatz gegen Syrien ziele nicht auf den Sturz von Staatschef Bashar al-Assad. "Die Optionen, die wir erwägen, drehen sich nicht um einen Regimewechsel". Die New York Times berichtete am 27. August 2013, dass mit den Angriffen verschiedene Standorte der syrischen Armee getroffen werden sollen. Zwar wird das mit dem unbewiesenen Einsatz von Giftgas durch die Armee begründet, aber die USA und ihre willigen Verbündeten wollen der Zeitung zu Folge nicht die Chemiewaffen-Lager angreifen, u.a. um die Umwelt zu schonen, sondern neben den beschuldigten Militäreinheiten auch das Hauptquartier der Armee und Luftwaffenbasen angreifen. Es gehe darum, die Taktik der syrischen Armee, die in den letzten Wochen zunehmend die Oberhand gegenüber den „Rebellen“ errang, zu ändern und Präsident Assad an den Verhandlungstisch zu zwingen, so die Zeitung. Dass deutet daraufhin, dass der mutmaßliche Giftgaseinsatz durch wen auch immer nur ein Vorwand ist, um die Lage in Syrien wieder zugunsten der „Rebellen“ zu verändern. Dazu passt auch, wenn der Sprecher von US-Präsident Barack Obama behauptet, der wiederholt von Obama geforderte Rücktritt Assads könne nur Ergebnis einer politischen Lösung sein. Dass der angekündigte Angriff, wie lang auch immer, Assad nicht wegbomben soll, scheint formal korrekt. Aber das Ziel ist das gleiche: Damit wird die syrische Armee geschwächt, was den „Rebellen“ verschiedenster Couleur nutzt. Ein solcher Angriff kann nicht innerhalb von wenigen Tagen vorbereitet werden. Das geschah lange vor dem 21. August 2013, worauf ich in meinen Beiträgen immer wieder hingewiesen habe, nur der Vorwand fehlte noch. „Westliche Staaten bereiten nach Angaben aus russischen Sicherheitskreisen bereits seit dem vergangenen Jahr eine militärische Intervention in Syrien vor“, meldete die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti am 28. August 2013. In dem Zusammenhang muss erneut darauf hingewiesen werden, was die französische Zeitung Le Figaro am 22. August 2013 berichtete: Der Zeitung zu Folge sind seit dem 17. August 2013 "Rebellen" unter jordanischem, israelischem und US-amerikanischem Kommando im Süden über die Grenze zwischen Jordanien und Syrien gekommen und auf dem Weg nach Damaskus unterwegs. Diese Kämpfer gehören zu denen, die seit einiger Zeit vom Westen und seinen Verbündeten in Jordanien ausgebildet werden und angeblich dafür sorgen sollen, nicht nur die syrische Armee zu bekämpfen und den angestrebten Regimewechsel endlich zu erreichen, sondern dabei auch die islamistischen Gruppen zurückzudrängen. Angeblich befinden sich diese fremdkommandierten Gruppen schon am Stadtrand von Damaskus, so die Zeitung. Am Ende bleibt, dass sich die NATO, die sich auf den Angriff vorbereitet, mal wieder in die Rolle des Angreifers aus der Luft begibt, um die für die Ziele des Westens kämpfenden „Rebellen“-Gruppen am Boden zu unterstützen. Wer etwas anderes behauptet, lügt entweder oder hat sich noch nicht ausreichend mit dem bisherigen Geschehen und den Zusammenhängen beschäftigt. Nur letzteres ist verzeihbar.

• Nicht nur der angekündigte Angriff, sondern der Krieg gegen Syrien an sich, auch der verdeckte, ist seit langem geplant und das schon vor den ersten Unruhen im März 2011. Auf entsprechende Informationen habe ich neben anderen auch mehrmals hingewiesen. So berichtete der ehemalige französische Aussenminister Roland Dumas am 10. Juni 2013 im französischen Parlaments-TV LCP von Kriegsplänen vor dem "Arabischen Frühling". ”Ich werde Ihnen etwas sagen. Ich war zwei Jahre vor dem Beginn der Gewaltausbrüche in Syrien wegen anderer Unterredungen in England. Während meines Aufenthaltes dort traf ich mich mit britischen Spitzenbeamten, die mir gegenüber äusserten, dass man sich darauf vorbereite, etwas in Syrien zu unternehmen.”, sagte Dumas in der Sendung. Ein anderes Beispiel lieferte Ex-NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark, der im Interview mit der österreichischen Zeitung Der Standard, veröffentlicht am 22. Mai 2011, Folgendes von sich gab: „Bashar al-Assad könnte das gleiche Schicksal wie Gaddafi ereilen, wenn er jetzt nicht seine Armee und Sicherheitskräfte unter Kontrolle bringt. Die geostrategische Bedeutung Libyens machen Öl und Menschen aus. Im Fall Syrien ist das geostrategische Gewicht ein völlig anderes: Wenn Assad dort einen humanitären Anlass für eine Aktion gibt, könnte die Entscheidung dafür durchaus beschleunigt werden, weil der Wert eines Wandels in Syrien als sehr hoch eingeschätzt wird. Assad bewegt sich derzeit auf sehr dünnem Eis.“ Schon 2003 hielt Clark einen US-Krieg gegen Syrien für möglich. 2004 schrieb er in seinem Buch "Winning Modern Wars" (dt.: Das andere Amerika), dass er bereits 2001 von Kriegsplänen u.a. gegen Syrien erfuhr (S. 167). "Als ich im November 2001 das Pentagon aufsuchte, hatte ein hochrangiger Stabsoffizier Zeit für eine Unterhaltung. Er bestätigte mir, dass die Operationen gegen den Irak vorangetrieben wurden. Doch das war nicht alles. Diese Aktion sollte Teil eines auf fünf Jahre angelegten Planes sein, der neben dem Irak noch weitere sechs Länder umfasste: Syrien, den Libanon, Libyen, den Iran, Somalia und den Sudan. ..." Die Liste ließe sich fortsetzen. Nicht zu vergessen, dass auch Seymour Hersh 2007 auf die Kriegspläne hingewiesen hatte, deren Endziel der Iran sei. Jens Berger hatte den Beitrag aus dem New Yorker vom 5. März 2007 ins Deutsche übersetzt.

• UN-Sondergesandter Lakhdar Brahimi wandte sich am 28. August 2013 in Genf gegen den angekündigten Militärschlag. Brahimi sagte laut der Nachrichtenagentur Reuters auch, dass nach dem internationalen Recht ein Militärschlag von einer Resolution des UN-Sicherheitsrates gedeckt sein müsse. Die USA, Großbritannien und Frankreich hätten außerdem bis jetzt keine Beweise für einen C-Waffen-Einsatz in Syrien vorgelegt, zitierte RIA Novosti am 28. August 2013 den UN-Sondergesandten. Bisher hatten die Kriegstreiber der Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs immer angekündigt, auch ohne UNO zuschlagen zu wollen. Nun kündigte der britische Premierminister David Cameron einen entsprechenden Entwurf für eine passende UN-Resolution an, wie u.a. Spiegel online am 28. August 2013 berichtete.

• Was das von den Kriegstreibern missachtete internationale Recht über den angekündigten offenen Kriegseintritt des Westens und seiner Verbündeten sagt, darauf haben schon mehrmals Völker- und Staatsrechtler aufmerksam gemacht. In dem Zusammenhang sei an einen Text des Staatsrechtler Reinhard Merkel vom 22. März 2011 in der FAZ erinnert, als die NATO gegen Libyen vorging: "Die Militärintervention gegen Gaddafi ist illegitim". Gegen Gaddafi wurde damals vorgebracht er wolle einen "Völkermord" gegen die Aufständischen verüben. Merkel dazu: "Dass Gaddafi keinen Völkermord begonnen oder beabsichtigt hat, ist evident." Das kann jede und jeder für Syrien übersetzen. Reinhard Merkel hat sich auch jüngst zur Rolle des Westens in Syrien geäußert, in der FAZ vom 2. August 2013: "Der Westen ist schuldig".
Ein Beitrag in der Online-Ausgabe der österreichischen Zeitung Die Presse vom 20. Mai 2013 berichtete über ein Positionspapier der Regierung in Wien, das schon die vom Westen diskutierte Lieferung von Waffen an die „Rebellen“ in Syrien für völkerrechtswidrig erklärte: „Denn das vom Außenministerium erstellte und von Zeitungen öffentlich zugänglich gemachte Positionspapier kann sich vor allem auf das Urteil des Internationalen Gerichtshofs im Nicaragua-Fall aus dem Jahr 1986 berufen, das nach wie vor die herrschende Meinung widerspiegelt. Dabei verwies der IGH unter anderem auf die Friendly-Relations-Deklaration aus dem Jahr 1970, die jeden Staat dazu verpflichtet, die ‚Organisierung, Anstiftung oder Unterstützung von Bürgerkriegs- oder Terrorhandlungen in einem anderen Staat (...) zu unterlassen‘, wenn diese ‚die Androhung oder Anwendung von Gewalt einschließen‘.“ In der Online-Ausgabe der Zeitschrift Zenith erklärte Botschafter a.D. Gerhard Fulda am 19. August 2013: „Der Konflikt in Syrien verführt offenbar zur Sprachlosigkeit und zur Vernachlässigung elementarer Grundsätze des Völkerrechts.“ Schon die Angriffe Israels wie der im Mai 2013 hätten als völkerrechtswidrig verurteilt werden müssen. Der Diplomat stellte fest: „Die amerikanische Vorstellung, man brauche nur irgendeine Gruppe als terroristisch einzustufen – und die ganze Erde werde zum »Kriegsschauplatz«, auf dem man sich gegen diesen Feind verteidigen dürfe, ist unhaltbar. Diese Auffassung hebelt nicht nur den Grundsatz der Souveränität aller Staaten aus. Sie schafft auch das generelle Gewaltverbot in den internationalen Beziehungen ab, auf das sich die Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Gründung der Vereinten Nationen geeinigt hatten.“ Fulda verwies auf die Parallelen zum NATO-Krieg gegen Jugoslawien 1999. Wie damals werde schon gar nicht mehr von der „responsibility to protect“ gesprochen, sondern behauptet, das Rechtssystem der Vereinten Nationen habe „versagt“. In diesem „Rechtsnotstand“ dürfe das strikte Gewaltverbot im Artikel 2 (4) der UN-Charta nicht so absolut wie niedergeschrieben gelten. „Interessanterweise verläuft die Verschiebung auf einen anderen Rechtsbegriff genau parallel mit den sich verändernden militärischen Kräfteverhältnissen in Syrien“, so der Ex-Botschafter. „Wenn wir schon den Präsidenten nicht stürzen können, dann soll wenigstens sein Land mit militärischer Hilfe von außen zerschnitten werden. Im Rahmen des geltenden Völkerrechts gehe aber ohne den Sicherheitsrat weder das Eine noch das Andere. Auch die Berufung auf die früher als Rechtfertigung für gewaltsame Eingriffe herangezogene ‚humanitäre Intervention‘ hilft da nicht weiter, betonte Fulda in seinem Beitrag. Er forderte von der kriegsunterstützenden Bundesregierung: Sie sollte sich zurückbesinnen auf ihre lange außenpolitische Tradition einer hohen Priorität für die Beachtung der allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts. So steht es schließlich auch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.“

Alles deutet daraufhin, dass die westlichen Kriegstreiber samt ihrer Verbündeten und willigen Unterstützer wie Lettland sich durch diese und andere Argumente nicht von ihrem Plan abhalten lassen. Noch wird diskutiert, ob der Kriegsakt am 29. August 2013 erfolgt oder später, etwa erst nach dem G 20-Gipfel in Sankt Petersburg Anfang September. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier hat davor gewarnt, einen Militärschlag in Syrien vor dem G20-Gipfel zu führen, wie die Nachrichtenagentur dpa am 28. August 2013 meldete. Der SPD-Politiker wandte sich aber nicht grundsätzlich gegen die Kriegspläne. Russland und China bleibt nur, gegen den angekündigten Krieg zu protestieren und den Westen zu warnen sowie ihre Möglichkeiten im UN-Sicherheitsrat auszuschöpfen. Verhindern können sie nichts, sie würden es auch nicht versuchen, auch weil ihnen klar ist, dass zum Beispiel eine angemessene Reaktion der russischen Kriegsschiffe vor der syrischen Küste auf den Abschuss von Marschflugkörpern durch US-Kriegsschiffe weitreichendere Folgen hätte, die sie nicht provozieren wollen. Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte laut RIA Novosti vom 27. August 2013 der russischen Zeitung Kommersant: „„Wir wollen gegen niemanden einen Krieg führen.“ Den Kriegsgegnern bleibt nur ein weiteres Mal, den für den Krieg in und gegen Syrien Verantwortlichen in den Regierungen des Westens und seiner Verbündeten klar zu verdeutlichen, dass diese nicht in ihren Namen handeln: „Wir sagen Nein!“

Unterdessen wurde von der Nachrichtenagentur AFP gegen 21 Uhr gemeldet: "Die britische Regierung will nicht militärisch in Syrien eingreifen, bevor die Prüfungsergebnisse der UN-Chemiewaffeninspektoren vorliegen." Diese hatten ihre Arbeit am 26. August 2013 begonnen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte darum gebeten, den UN-Ermittlern in Syrien mindestens vier Tage Zeit für ihre Nachforschungen zu lassen.

ergänzt am 29.8.13, 19:47 Uhr

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Hans Springstein

Argumente und Fakten als Beitrag zur Aufklärung (Bild: Eine weißeTaube in Nantes)

Hans Springstein

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden