Sozial is' Muss!

1. Mai Noch immer ist der 1. Mai ein Feiertag. An das Kämpfen für soziale Rechte denken dabei anscheinend nur noch wenige. Doch es gibt sie noch, diese Wenigen

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Sozial is' Muss!

Bild: Carsten Koall/Getty Images

Was ich als Kind in der DDR als "Internationalen Kampf- und Feiertag der Werktätigen" kennenlernte und erlebte, war damals mehr ein Pflichtdemonstrations- und Feiertag. In der vergrößerten Bundesrepublik ist er immer noch als "Tag der Arbeit" ein Feiertag. Das nutzen viele zum Feiern, manche zum Demonstrieren und andere auch zum Randalieren, die nächsten rufen gar jedes Jahr an diesem Datum die "Revolution" aus.

Der Kampf für die sozialen Rechte der Menschen spielt anscheinend die geringste Rolle, wie selbst der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zeigt. Ihm geht es in seinem Aufruf zum 1. Mai gar nur um "die Würde und Rechte der arbeitenden Menschen". Wer nicht arbeitet, für den interessiert sich der DGB nicht? Das wäre nur mit Blick auf die Geschichte dieses Tages erklärbar: Im Jahr 1886 streikten in Chicago Arbeiter. Sie forderten, dass der Acht-Stunden-Tag eingeführt wird. Eine gewalttätige Polizeiaktion beendete den Streik. 17 Menschen getötet und über 100 verletzt. Die vermeintlichen Rädelsführer wurden vor Gericht gestellt. Vier von ihnen wurden hingerichtet.

Aber die Geschichte ist bekanntermaßen weitergegangen und immer noch ist Arbeit ein bestimmender Teil des Lebens, das aber für immer weniger Menschen. Kämpferisch klingt der DGB-Aufruf "Gute Arbeit. Soziales Europa." kaum. Da haben sich angeblich "Politik und Gesellschaft endlich auf den Weg zu einer Neuen Ordnung der Arbeit" gemacht. Da wird an die Betriebsrats- und die Europawahlen erinnert und eine Investitionsoffensive für Europa gefordert. Die soll dann neue Arbeitsplätze bringen. Das kling alles ziemlich weichgespült und angepasst.

Es geht auch klarer und deutlicher, ohne gleich zur "Revolution" aufzurufen. Das zeigt ein Aufruf zum 1. Mai, auf den mich ein Freund aufmerksam gemacht hat. Der Aufruf stammt von einer kleinen Gruppe des Sozialverbandes Volkssolidarität in Ratingen (Nordrhein-Westfalen). Diese, Teil eines vorrangig ostdeutschen Verbandes, haben ihr Statement auf der Verbandshomepage veröffentlicht. In dem Aufruf erinnern sie daran, dass die sozialen Rechte kein gnädiges "Geschenk" der Herschenden sind, sondern "erstritten, erkämpft und verteidigt" wurden und werden müssen. Weil ich ihn so klar und deutlich finde, auch im Vergleich zum DGB-Aufruf, zitier ich ihn hier vollständig und schließe mich ihm einfach mal an:

Ein soziales Europa für alle - mit guten Löhnen für gute Arbeit

"Gute Arbeit. Soziales Europa" - so lautet das diesjährige Motto des DGB zum 1. Mai. Dem kann nur zugestimmt werden. Allerdings fehlt etwas: Gute Löhne. Nur mit diesen kann von "guter Arbeit" gesprochen werden. Das kann es nur zusammen geben. Nicht nur, weil von Arbeit allein niemand satt wird. Gute Arbeit sorgt für gute Ergebnisse. Das bedeutet für die Unternehmen gute Gewinne. Davon müssen ebenso jene etwas haben, die diese erwirtschaften.

Deshalb unterstützt die Volkssolidarität den Mindestlohn. Der muss ohne Ausnahmen gelten. Davon dürfen Langzeitarbeitslose nicht ausgeschlossen werden. Solche Ausnahmen nehmen nur Rücksicht auf die Unternehmen. Diese Gerechtigkeitslücke muss geschlossen werden. Das gilt auch für bestehende Unterschiede beim Mindestlohn in Ost und West. Er reicht aber nicht aus, um Altersarmut zu vermeiden. Mit 8,50 Euro bekommt niemand eine Rente, die vor Armut schützt. Auch deshalb muss gute Arbeit gut entlohnt werden.

Zu guter Arbeit gehören gute Arbeitsbedingungen. Daran darf nicht gespart werden. Sonst wird Arbeit schnell belastend. Zu viele Menschen müssen aus gesundheitlichen Gründen aufhören zu arbeiten. Wichtigster Grund dafür sind die Arbeitsbedingungen. Das gilt für verschiedene Berufsgruppen. Es trifft nicht nur die, die schwer körperlich arbeiten.

Gute Arbeit und gute Löhne dürfen nicht auf die Bundesrepublik beschränkt bleiben. Sie muss es überall in Europa geben. Nur so wird Europa auch sozial. Nur dann haben Menschen etwas davon, egal wo sie leben. Es kann nicht sein, dass gute Arbeit und gute Löhne so ungleich verteilt sind. Diese gehören zu einem lebenswerten Dasein, egal an welchem Ort innerhalb der EU. Menschen müssen Perspektiven haben, da wo sie leben.

Europa muss mehr sein als ein Europa, das der Wirtschaft dient. Es muss an den sozialen Interessen seiner Bürger ausgerichtet sein. Nur dann werden sie es akzeptieren. So wird auch jenen rechten Rattenfängern der Boden entzogen, die mit der Angst vor Europa auf Stimmenfang gehen. Ein soziales Europa heißt aber ebenso, offen zu bleiben für andere. Jenen, die vor Armut, Krieg und Terror fliehen, dürfen die Tore nicht verschlossen bleiben. Will Europa sozial sein, muss es Solidarität leben. Es muss dafür auch andere Länder unterstützen, statt sie auszunutzen.

Gute Arbeit, gute Löhne und ein soziales Europa wird es nicht als Geschenk geben. Sie müssen erstritten, erkämpft und verteidigt werden. Daran muss immer wieder am 1. Mai erinnert werden.

Gabi Evers

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Geschrieben von

Hans Springstein

Argumente und Fakten als Beitrag zur Aufklärung (Bild: Eine weißeTaube in Nantes)

Hans Springstein

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