Mach´s noch einmal, George

Kommentar Offener Brief an den Präsidenten

Lieber George, erinnerst Du Dich noch an den Morgen nach Deinem 40. Geburtstag? Im Spiegel ein versoffenes Gesicht. Elend sahst Du aus, und das nicht allein wegen der Whisky-Nacht mit den alten Kumpanen auf der Hütte in Colorado. So konnte das Leben nicht weiter gehen. Immer wieder sind Deine Ölgeschäfte gescheitert. Trockene Bohrlöcher und danach die harten Drinks. Und immer wieder musste Dein alter Herr seine Verbindungen spielen lassen, damit Du nicht auch noch finanziell absäufst.

Mittlerweile hast Du´s geschafft. Nach dem Schwur an jenem Morgen, durchgehalten bis heute, bist Du ein echter Bush geworden. Zuerst geschäftlich. Aus den Texas Rangers hast Du ein exzellentes Baseball-Team gemacht inklusive neuem Stadion, das ohne Dich nie gebaut worden wäre. Die 18 Millionen Dollar, die Du beim Verkauf der Rangers verdient hast, seien Dir auch nachträglich herzlich gegönnt. Dann 1994 Dein Sieg über Ann Richards, die populäre Gouverneurin von Texas, und vier Jahre später die triumphale Wiederwahl mit knapp 70 Prozent. Seit fast zwei Jahren nun bist Du ganz oben. Aber statt auf Texaner, die Dich lieben, blickst Du auf ein Land, das zu zweifeln beginnt und auf eine Welt, die Dich verachtet. Cheney, Rumsfeld und Rice haben Dich in eine Sackgasse geführt, die Deinen Platz in der Geschichte ruiniert.

Lieber George, halte inne und erinnere Dich an die erste Wende Deines Lebens. Du hast die Kraft, das Falsche zu erkennen und einen neuen Weg zu beschreiten. Vergiss die Wahlspender aus der Industrie, die Dich zur Marionette machen wollen, und denk zurück an die Zeit in Houston, an all die schwarzen Kids, denen Du mit Deinem sozialen Dienst in einem Straßenprojekt geholfen hast. Ich weiß ja, dass dieses halbe Jahr als Strafe für Kokain am Steuer unfreiwillig war. Aber Du musst zugeben, es war eine schöne Zeit. Zum ersten Mal in Deinem Leben hattest du wahrhaftige Freunde. Und denk auch an Deine eigene Erfahrung mit dem Militär. Wie so viele, wolltest auch Du nicht nach Vietnam. Stattdessen bist Du mit den Jets der National Guard die Küste von Texas nach Florida hoch und runter geflogen, ohne jedes Risiko. Warum willst Du den jungen Piloten Deiner Air Force zumuten, was Du selbst nie getan hättest? Erspar Ihnen diesen mörderischen Einsatz, genau so, wie Dein Vater dafür gesorgt hat, dass Du statt in Vietnam zu Hause fliegen durftest. Vor allem aber denk an Deine schlechten Erfahrungen mit dem Öl. Privat bist Du damit gescheitert, und am Golf könnte es Dir ebenso gehen. Auch wenn Deine Kabinettskollegen, die jahrelang in den Vorständen von Ölgesellschaften saßen, ständig behaupten, dass ein Schlag gegen den Satan unausweichlich ist, so weißt Du doch längst, dass es im Leben immer mehr gibt als nur eine Option. Folge nicht diesen verlogenen Gestalten und präsentier Dich so, wie Du es schon immer wolltest, als mitfühlender Konservativer, gezeichnet weder vom Suff noch von der Gier nach Öl.

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