Robin Hood, Lothar Mayer und Gerhard, der Esel

MANNESMANN, HOLZMANN Der Kampf um die beiden Traditionskonzerne zeigt tektonische Verschiebungen unter der deutschen Konsensplatte

Endlich haben die Briten ihren Robin Hood gefunden. Vodafone-Chef Chris Gent schickt sich an, mit seinem Angriff auf Mannesmann zum Rächer der Beleidigten und Verkauften zu werden. Nach der Schmach von Rover, Bentley, Rolls Royce und anderen urbritischen Marken, die sich in der Hand der "neureichen Deutschen" befinden, tut Satisfaktion gut. Um so besser für die britischen Medien, wenn nun auch noch Schröder gegen feindliche Übernahmen Stellung nimmt und damit die Front zementiert: auf der einen Seite die hart, aber fair kämpfenden Briten, auf der anderen Seite die rückständigen, protektionistischen und provinziellen Deutschen, die noch vor 60 Jahren Europa mit einer Welle feindlicher Übernahmen überzogen. Um den kleinen Wirtschaftskrieg im Zeitalter der Seifen oper komplett zu machen, fehlt nur noch, dass parallel zum englischen Volkshelden die einzigen wirklichen Rebellen der deutschen Geschichte ins Feld geführt werden. Wer dabei den Hund, die Katze und den Hahn gibt, ist noch nicht ausgemacht. Auf jeden Fall aber werden sie im Kollektiv auftreten - quasi rheinisch-korporatistisch - und mit einem soliden Esel, den sie Gerhard nennen.

Völlig zu Recht verweisen die Briten auf die Unhaltbarkeit der Argumentation sowohl von Mannesmann als auch des Bundeskanzlers. Wer Globalisierung predigt und gerade auch gegenüber britischen Unternehmen erfolgreich praktiziert, sollte nicht lamentieren, wenn der umgekehrte Fall eintritt. Auch die beiden scheinbar rationalen Argumente - feindliche Übernahmen entsprächen nicht der deutschen Unternehmenskultur und seien schon gar nicht zu akzeptieren, wenn ein erfolgreicher Konzern zerschlagen werden soll - fallen schnell in sich zusammen.

Übernahmen gegen den Willen des jeweils betroffenen Managements sind zwar in der Tat in Deutschland bisher kaum vorgekommen, aber nicht wegen irgendeiner nebulösen Tradition, sondern wegen klarer Interessen. An der Mehrzahl der deutschen Großkonzerne halten deutsche Großbanken immer noch beträchtliche Aktienpakete und sind gleichzeitig deren maßgebliche Kreditgeber. Solche festen Verbindungen sind von außen kaum zu knacken. Verbünden sich allerdings die beteiligten Banken untereinander, können sich starre Fronten rasch auflösen, wie vor zwei Jahren im Falle Krupp / Thyssen geschehen. Gegen die Einheitsfront von Deutscher und Dresdner Bank hatte der auf Eigenständigkeit bedachte Thyssen-Vorstand keine Chance.

Im Falle Hochtief / Holzmann dagegen ist diese Bankeneinheit eben nicht zustande gekommen, und so scheiterten mehrere Versuche des Hochtief-Vorstandes, den Frankfurter Konkurrenten zu schlucken. Der lang jährige, ehemalige Holzmann-Chef Lothar Mayer, der jetzt für das Debakel verantwortlich gemacht wird, hatte offensichtlich trotz Akkumulation fauler Projekte die Rückendeckung "seiner" Vertrauensleute bei "seinen" Banken.

Solche Vertuschung und Verschleppung ist zwar im typisch deutschen Konsensualismus zwischen Banken und Industriekonzernen nicht der Regelfall, vielmehr klappte bislang meist die Krisenprävention, aber deutlich wird am Beispiel Holzmann auch, dass die Banken auf Dauer kein Interesse daran haben können, mit Konzernen verbunden zu sein, an denen sie wenig verdienen und viel verlieren können. Der ehemals größte deutschen Baukonzern - gewachsen mit Reichsbahnen und Autobahnen, beteiligt an KZ-Bauten und gescheitert an den wilden Spekulationen des "Aufbaus Ost" - wäre da ein symbolträchtiges Exempel für den Abschied von nationalen Ladenhütern und von einer Sanierungsverantwortung, die auch die Interessen der Beschäftigten berücksichtigt.

Nicht nur wegen dieser aktuellen Ereignisse ist Schröders Verweis auf die deutsche Unternehmenskultur deplaziert. Auch das Argument, Vodafone wolle Mannesmann ausschlachten und nur die Perle Mobilfunk behalten, trifft nicht, da das deutsche Management seit längerem dasselbe plant und aus dem ehemals reinen Stahlkonzern einen reinen Telekomkonzern machen will. Auch Vodafone würde nichts anderes tun, als die nicht so ergiebigen oder zum eigenen Konzept nicht passenden Unternehmensteile einzeln zu verkaufen oder an die Börse zu bringen.

Für öffentliche Verteidigungslinien, die schnell auf ihren unappetitlichen, nationalen Kern zusammenschrumpfen, taugt ein Globalisierungsgewinner wie Mannesmann nicht. Unter den deutschen Industrieunternehmen ist Mannesmann schließlich fast das einzige, das seine Bindung an traditionelle Produkte überwunden und erfolgreich in nationale wie internationale Zukunftsmärkte eingedrungen ist. Gerade wegen dieses Erfolges, der nicht zuletzt auf Übernahmen anderer Firmen beruht, ist das Unternehmen zum Objekt der Begierde geworden ist. Gemessen an der Börsenkapitalisierung ist Mannesmann mit aktuell 150 Milliarden DM hinter der Deutschen Telekom der zweitgrößte deutsche Konzern - noch vor der Allianz, Daimler-Chrysler und Siemens. Mannesmann hebt sich auch darin von anderen deutschen Industriekonzernen ab, dass seine Expansion nicht von einem Banken-Patron finanziert und gesteuert wird. Die Unternehmensaktien sind vielmehr breit und international gestreut. Angesichts dieser Besonderheiten bleibt dem Mannesmann-Chef konsequenterweise nur noch das eine Argument: Der Preis stimmt nicht.

Die Politik allerdings müsste keineswegs an diesem Punkt stehen bleiben. Sie könnte, statt auf dümmliche Weise nationale Champions zu fördern, mindestens drei berechtigte Fragen stellen. Zum einen könnte der Bund als Eigentümer eines 62,9-prozentigen Anteils an der Deutschen Telekom fragen, wie sich eine eventuelle Übernahme von Mannesmann durch Vodafone auf den Wert dieser Firmenbeteiligung auswirkt. Die Briten müssten für dieses Interesse des Shareholders Bundesrepublik wohl Verständnis aufbringen. Immerhin handelt es sich - angesichts des aktuellen Kurses der Telekom-Aktie - um rund 200 Milliarden DM, die der Bund bei weiterer Privatisierung erlösen könnte.

Darüber hinaus könnte die Politik fragen: Wie würde sich eine Übernahme auf die strategische Position Europas im Telekommunikationsmarkt auswirken? Gerade der Mobilfunk gehört zu den wenigen Technologiebereichen, in denen Euroland die Maßstäbe setzt und die Standards bestimmt. Das wäre immerhin eine Art europäischer Selbstbehauptung, die angesichts der Übermacht der USA in vielen anderen Bereichen wichtig wäre. Entscheidend aber wäre wohl die Frage nach der Zukunft weltweiter Netze. Sechs der zehn größten Firmenfusionen der Geschichte betreffen die Telekommunikation und sind in den vergangenen zwei Jahren angebahnt beziehungsweise vollzogen worden. Hier entstehen die Monopole der Zukunft, und die Gesellschaft könnte sich fragen, was sie davon hält, statt sich mit nationaler Idiotie abspeisen zu lassen.

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