Deutschland PEGIDA-Land?

Islamfeindlichkeit Siebzig Jahre nach Ende des zweiten Weltkriegs spazieren PEGIDA und ihre Ableger durch die Innenstädte und zeichnen ein bedrohliches Bild der Deutschen. Ein Kommentar

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Man möchte kotzen. Seit einigen Monaten sogar wöchentlich.

Ganz egal wohin man auch blickt, Verschwörungstheoretiker, Hassprediger, Neonazis, Rassisten und andere Menschen mit zweifelhafter Lebenseinstellung. Montag für Montag beweihräuchert die Masse der PEGIDA-Anhänger sich und ihre fremdenfeindliche Ideologie. Die Islamisierung stünde Deutschland bevor, sagen sie. Die Scharia würde bald deutsches Recht, der Koran Grundlage für das deutsche Schulsystem. Man müsse die abendländische Kultur schützen, heißt es. Also ziehen sie durch die Innenstädte und schüren Rassismus, Hass und unbegründete Angst.

Wer ist PEGIDA?

"Was ist da los?", muss man sich fragen. Proteste gegen Anhänger einer Religionsgemeinschaft in Deutschland - das wirkt unangenehm bekannt. Sucht sich der deutsche Michel erneut eine Minderheit als Sündenbock für sein eigenes Versagen? Auffälligerweise hat die Bewegung und ihre Ableger den größten Zulauf in den neuen Bundesländern, vor allem in Sachsen. Sind die Protestierenden also überwiegend sogenannte Wendeverlierer? Die Regionen mit den höchsten PEGIDA-Aufkommen sind gleichzeitig die mit den niedrigsten Zahlen an Migranten und Moslems in der Bundesrepublik. Sind die Demonstranten also schlicht xenophob, fürchten das Unbekannte? Grassiert etwa die Angst vor dem Verlust einer zweifelhaften, deutschen Identität? Oder haben schon längst Rechtsextreme die Organisation der bundesweiten Demonstrationen unterwandert, in der Hofffnung, Rassismus endlich wieder salonfähig zu machen?

Wissenschaftliche Erhebungen der TU Dresden und des WZB konnten bisher nicht zweifelsfrei feststellen, wer genau sich hinter den PEGIDA-Demonstranten verbirgt. Die Studien legen aber nahe, dass es sich wohl eher nicht um "Normalbürger" handelt. Rechtspopulistische und rechtsextreme Einstellungen, Menschenfeindlichkeit, Rassismus und allgemeine Politikverdrossenheit dominieren. Angst vor dem Islam scheint vor allem ein vorgeschobener Grund, um offen rechts auftreten zu können. Die Studie untersuchte allerdings lediglich die PEGIDA-Demonstration in Dresden und hatte teils mit methodischen Problemen zu kämpfen.

Aber es gibt viel Widerstand gegen die Bewegung. Wissenschaft, Politik, Kirchen, Zivilgesellschaft und Presse stellen sich zusammen mit tausenden Gegendemonstranten deutschlandweit PEGIDA entgegen. Statistiken werden präsentiert, Zahlen veröffentlicht, Reden und Predigten gehalten, um aufgebrachte PEGIDA-Anhänger zu beschwichtigen und ihre Argumente zu entkräften. Doch von denen wird alles Abwiegeln schnell als Lüge oder Mainstream-Propaganda "entlarvt". Wie einfach es doch ist, eine Realität zu konstruieren, die nur die eigene Beweisführung zulässt und sich nur der eigenen Bewertung unterwirft. Auch das erscheint bekannt.

Wiederholt sich die Geschichte?

Siebzig Jahre nach Ende des zweiten Weltkriegs offenbaren sich beachtliche Teile des "deutschen Volks" erneut. Offensichtlich sind sieben Jahrzehnte nicht genug, um über die dunkelste Epoche des Landes aufzuklären. Und erneut wird marschiert bzw. spaziert, um einen nicht weiter definierten Kanon an abendländischen und deutschen Werten zu verteidigen. Offensichtlich haben viele noch nicht verstanden, wohin uns Ressentiments und Rassismus führen.

Rassismus und Fremdenfeindlichkeit dürfen keine tragbaren Meinungen in einer Demokratie sein. Meinungsfreiheit ja, aber ohne Hass gegen das Fremde. Denn Demokratie ist auch Minderheitenschutz, Toleranz und Miteinander.

Die meisten deutschen Städte präsentieren sich Montags vor allem bunt. Das gilt auch für Dresden. "Liebe für Alle", liest man auf Schildern und Plakaten der Demonstranten gegen MAGIDA in Magdeburg. Besser als PEGIDA wäre das allemal.

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