Frust am Freitag

Meinungen Fokus-Online Korrespondentin Martina Fietz bricht in ihrer Kolumne eine Lanze für Egoismus und Respektlosigkeit. Ein Versehen?

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Vergangene Woche beschwerte sich Martina Fietz in ihrem Artikel "Die Tugend-Tyrannen erobern Deutschland" über den Aufstieg der "Gutmenschen", der regelungsdurstigen Weltverbesserer Deutschlands. Ihr zufolge sieht sich der tugendgeplagte Deutsche einer tyrannischen Minderheit von Besserwissern gegenüber, die in seinen bürgerlichen Freiheiten wildern. Sie sind für Rauchverbot in der Gastronomie, "Political Correctness" in der Sprache, Gleichberechtigung für homosexuelle Paare; für weniger Fleisch auf deutschen Tellern, Tempolimit auf den Autobahnen, höhere Steuern und dafür, dass Kreuze aus den Gerichtssälen verschwinden.

Doch wer sind diese Wächter der Gerechtigkeit? Fietz wird schnell fündig: Die Grünen und die SPD. Der Feind des ungebremsten Neo-Liberalismus ist enttarnt. CDU/CSU schweigen und die FDP rebelliert für den Fietz'schen Geschmack auch noch zu wenig, um die tatsächlichen Grundwerte der Bundesrepublik zu verteidigen. Die "Werte", die es zu verteidigen gilt sind für Fietz: Das Kreuz an der Gerichssaalwand, denn wen interessieren schon die fast 40 Prozent Nicht-Christen Deutschlands; die genüssliche Zigarette im Restaurant, denn wen stört es, dass der Tischnachbar Asthma hat; die Fahrt im Porsche mit 250 km/h auf der Autobahn, denn was jucken mich die viele Verkehrsopfer; oder das fette argentinische Steak - solange das Rind zu fressen bekommt ist mit doch egal ob die dritte Welt an Hunger verreckt; und natürlich, die Meinungsfreiheit: Denn wo kämen wir hin, ohne das zünftige Stammstischgespräch bei dem man noch sagen darf, dass Neger faul und Schwule eklig sind.

Ignoranz, Intoleranz, Egoismus und Hass

Da klingt alles sehr drastisch und natürlich hat Fietz nichts dergleichen sagen oder aussagen wollen, so ist zu hoffen. Sie tut es aber doch, wenn auch versehentlich. Respektlosigkeit, Verschwendungssucht, Egoismus, Schwulen- und Fremdenhass und Diskriminierung müssen aufhören. Wer über das Verschwinden des christlichen Wertesystems klagt wie Fietz, ist kaum in der Position den Egoismus zu predigen. Leider gefällt es viele Autoren wie Martina Fietz viel zu gut sich selbst als rebellischen und auch ein bisschen verwegen darzustellen. Nach dem Motto: "Das wird man doch noch sagen dürfen". Aber so bestärken sie ihre Leserschaft in ihrem eigenen Egoismus. Ohne Sinn und Verstand Ungerechtigkeit zu proklamieren ist ignorant, ist nicht rebellisch, sondern asozial. Wenn es tatsächlich so um Moral, Anstand und Erziehung der Deutschen bestellt ist, darf sich letztlich keiner über U-Bahn Schläger, noch über nationalen und internationalen Terrorismus in Deutschland wundern.

Auch dass Fietz über Steuern und deren Erhöhung klagt überrascht wenig, denn wer tut das nicht. Andererseits verlangen wir vom Staat aber ein funktionierendes Bildungssystem, adäquate Infrastruktur, ein faires Sozialsystem und eine Bundeswehr, die uns am Hindukusch verteidigt. Die Frage sollte also nicht heißen ob, sonder wofür Steuern sinnvoll sind. Natürlich ist auch das wie ein Streitpunkt. Aber wenn Besserverdiener und freie Wirtschaft auch in Zukunft stärker steuerlich belastet werden, dann nur weil sie am meisten von Bildung und Verkehrswegen profitieren. Bringt eine Regierung mit dem Geld wiederum nichts zustande, liegt der Fehler weniger an der Steuer, sondern an Verschwendung oder Fehlinvestition von Geldern durch die Regierenden.

Letzten Endes beweist Fietz nur eins: Egoismus ist ein allgegenwärtigs Problem. Solidarität, Vernunft und Gemeinschaftssinn dagegen sind häufig Mangelware - auch in der Presse.
Fietz rechnet fest mit einer Flut von Beleidigungen als Reaktion auf ihren Beitrag. Keine davon ist aber angebracht; nur ein resigniertes, wütendes, aber auch sehr müdes Kopfschütteln.

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