Werbeblocker und ihr moralisches Dilemma

Surfverhalten Werbeblocker machen digitale Erfahrungen meist angenehmer und schneller. Doch sie benachteiligen meist die Falschen. Eine moralische Abwägung über dieses Dilemma

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Werbeblocker und ihr moralisches Dilemma

Foto: Mario Tama/ AFP/ Getty Images

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/88/Keine-Werbung.jpgIch blockiere Werbung auf Internetseiten. Grundsätzlich und in so gut wie jeder Form. Ich verabscheue Werbung, ich verabscheue die (mehr oder weniger) unterschwellige Botschaft irgendeinen Mist zu konsumieren. Besonders im Internet kann ich sie nicht ab. Eine Werbung im Briefkasten ist wenigstens ein rundes Ding – entweder man ließt sie, oder man wirft sie in den Müll oder man klebt einen „keine Werbung bitte“-Aufkleber auf seinen Briefkasten. Voila. Fertig. Aber Internetwerbung auf Webseiten ist manipulativ, interaktiv, versteckt, getarnt, versucht mich (den potenziellen Kunden und Nutzer!) zu täuschen und leitet mich im schlimmsten Fall auch noch auf fragwürdige Seiten. So geriet ich auf der Suche nach einer schwarzen Hose über einen Werbelink beispielsweise auf die sympathischen Verkäufer von Thor Steinar. Yeah.

Die Konsequenz:

Ich blockiere. Und zwar radikal. Ich nutze diverse Programme um alles Mögliche in meinem Browser zu blockieren und zu be- bzw. zu verhindern. Ich benutze Werbeblocker, Cookie-Blocker, ich verweigere Dritten die Datenabsaugung und Übermittlung, ich nutze Cookie-Löscher, verbiete das automatische Installieren von Plug-Ins und so weiter und so fort. Es macht mein Interneterlebnis ungleich angenehmer! Basta.

Das Problem:

Nun ist es aber leider so, dass viele Webseiten, die ich frequentiere und deren Informationsdarbietung ich wertschätze, sich (unter anderem) über Werbung auf ihren Webseiten finanzieren und so kostenlos arbeiten können. Tja, da beginnt das moralische Dilemma. Habe ich als Konsument und Nutzer dieser Seiten eine Verantwortung dahingehend, auch ihre Werbung zu konsumieren? Bin ich ansonsten egoistisch oder ignorant? Um nicht zu sagen ein sich das-Fleisch-aus-der-Suppe-pickendes-Arschloch? Manchmal kann man sich diesem Eindruck kaum entziehen! Mal bitten die Webmaster der entsprechenden Webseiten sehr persönlich und eindringlich darum, man möge doch bitte seinen Adblocker oder vergleichbare Programme ausschalten, damit sie auch weiterhin kostenlos arbeiten können. Mal verweisen Nachrichtenseiten auf die Kosten für ihre Dienste und appellieren an die Vernunft & Anständigkeit des Lesers. Am radikalsten, man sind wohl jene Anbieter, die den Zugang zu ihren Webseiten komplett verwehren, solange man Werbeblocker aktiviert hat. Dazu kommt der fragwürdige Aufbau diverser Werbeblocker-Programmen, kombiniert mit einem großen Mangel an Transparenz in Bezug auf Finanzierung und Funktion. Das erste große Problem ergibt sich aus den technischen Aspekten, welche die meisten Webseiten völlig intransparent nicht darlegen. Manche Werbeanbieter zahlen für jeden Klick auf ihren Werbelink, welcher auf ihre Webseiten führt. Andere zahlen nur bei abgeschlossenen Käufen dort, dafür meist hohe Provisionen und Umsatzbeteiligungen. Man findet manipulierende Produktempfehlungen auf scheinbar kompetenten Blogs. Webmaster und Blogger werden dafür bezahlt, dass sie bewerbende Artikel schreiben und mancherorts werden Links und Unterlinks verkauft. Darüber hinaus gibt es noch viel mehr, komplexere Methoden der Werbeeinnahmen für Webmaster. Aber es wird klar: es ist kein einheitliches Feld, manch eine Methode ist moralisch fragwürdiger als andere und theoretisch müsste jede Methode einzeln bewertet werden. Aber das kann ich nicht! Denn mir ist kaum eine Webseite bekannt die transparent und offen ihre Einnahmen und Art der Werbung kommuniziert! Daher müsste ich als Konsument und Nutzer dieser Webseiten diese Seiten erst selbst analysieren – Falscheinschätzung inklusive. Kann ich. Muss ich?

Eine individuelle Bewertung und Abschätzung:

Das klassische Argument für eine Deaktivierung der Werbeblocker ist ja, dass die Webseiten auf diese Einnahmen angewiesen sind um ihren Dienst betreiben zu können. Als Nutzer der Seiten ist man somit in der moralischen Verpflichtung sich doch zumindest die Werbung anzusehen. Und schon wieder stößt man auf die Heterogenität der Werbung. Nehmen wir das Beispiel Pay per Click – die Webseite bekommt Geld von einem Drittanbieter für jeden Klick auf den entsprechenden Link. Wenn ich also als Nutzer der Webseite NICHT auf den Link klicke – sagen wir aus Prinzip nicht – hat die Webseite dann wirklich Verlust gemacht? Eine Werbung die ich nicht nutze, und eine Werbung die ich blockiere, hat – nach meiner persönlichen Einschätzung – keine negativen Auswirkungen auf die Kasse des WebseitbetreiberIn. Dort reden wir über hypothetische Verluste – und hypothetischen Verlusten gegenüber habe ich keine moralische Verantwortung. Bekommt der Betreiber der Seite hingegen schon Geld für das Schalten der Werbung alleine entsteht ihm durch mein Verhalten womöglich ein finanzieller Verlust. Mal wieder: Ein Hoch auf die Transparenz! Solange mir nicht klar und deutlich (und authentisch) dargelegt wird, wo, wie und warum durch mich ein Schaden entsteht, halte ich dieses Argument für angreifbar.

Habe ich als Konsument nicht ein natürliches Recht Werbung zu ignorieren? Wenn ich ein Magazin kaufe habe ich jedes Recht der Welt die Werbung darin zu entfernen, zu übermalen oder anderweitig zu ignorieren. Selbst die kostenlosen Wochenzeitungen, die sich über Werbungen finanzieren, können mich nicht zwingen oder drängen ihre Werbung zu lesen. Aber digital bin ich auf einmal moralisch dazu verpflichtet? Das kann man so sehen – muss man natürlich nicht. Gerade bei „liebenswerten“ Webseiten und Ideen sollte man überlegen, ob man diese leicht Ich-bezogene Sichtweise anwenden möchte. Aber Grundsätzlich gilt schon irgendwo: das Unternehmen bzw. die Webseite hat sich dem Kunden und den Wünschen/Verhalten ihrer Nutzer anzupassen, nicht andersrum.

Kommen wir zu finanziellen Gedanken. Wenn die Webseiten zwingend auf die Werbeeinahmen angewiesen sind – warum zwingen sie ihre Nutzer dann nicht, Werbeblocker zu deaktivieren? Das das technisch möglich ist haben bereits andere Webseiten vorgemacht. Trotzdem tut es kaum ein Webmaster. Natürlich ist der Grund dafür offensichtlich: Täten sie es, würde sich der Nutzerkreis ihrer Webseite schlagartig reduzieren – im Extremfall sogar aufhören zu existieren. Es ist also wirtschaftlich unsinnig darauf zu pochen, solange der Nutzer die Webseite durch ähnliche, auf derartige Regeln verzichtende, Seiten kompensieren kann. Der Apell an die Moral der Nutzer ist somit eine der wenigen Möglichkeiten, die dem Webmaster bleiben. Dass sie kostenlos und risikolos ist sollte vielleicht auch kurz angemerkt werden.

(Persönliches) Fazit:

Es ist und bleibt eine moralische und somit persönliche Entscheidung. Es gibt Pros und Contras für beide Verhaltensweisen. Ich persönlich kann es für mich moralisch rechtfertigen Werbung grundsätzlich und prinzipiell zu blockieren. Auch auf Webseiten denen ich ein gutes Gelingen wünsche. Auf das Argument, ich würde (hypothetische!) finanzielle Verluste erzeugen, reagiere ich mit einer Forderung nach Transparenz. Ich will Zahlen, ich will Fakten, und keine moralischen Apelle mehr! Welche Werbung schaltet ihr? Welche Art? Wie viel? Welche(r) Anbieter? Welches Budget bringt euch eure Werbung ein? Sollte ein Webmaster dieser Forderung nachkommen befürworte ich allerdings auch das Deaktivieren von Werbeblockern.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

HappyMaxi

Student der Staatswissenschaft; stets um höflichen Umgang bemüht, auch in Foren!

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