„Und tüsskes, Dein Harry“

Leseprobe Ein Brief von Harry Rowohlt ist nicht einfach nur ein Brief, er ist eine rhetorische Meisterleistung. Herrlich schräge Einblicke in den Alltag eines tingelnden Übersetzers und Literaten

Der Verlag über das Buch:

Als Fibel der Schlagfertigkeit wurde Harry Rowohlts Briefband Der Kampf geht weiter!: Nicht weggeschmissene Briefe" target="_blank">Der Kampf geht weiter! ein Publikumserfolg. Nun erscheinen noch mehr beste Briefe vom Pavarotti der Schreibmaschine.
Seine Briefe sind reinstes Kunsthandwerk aus Wörtern, perfekt durchkomponiert oder, nicht selten und noch besser, perfekt durchimprovisiert. Jeder ist ein Unikat, ein Geschenk des Autors an sich selbst und seine Korrespondenzpartner.
Harry Rowohlt schreibt Briefe wie andere sich am Bart zupfen: unablässig, selbstvergessen

An eine Veranstalterin

1-2-05

Liebste B.:

Nochmal Dank über Dank für die Rundumbetreuung!!!

Ich wollte Dich nochmal anrufen (zweimal); Du warst aber entwetzt. Das war eine geruhsame, gesunde (Nichtraucher!) Fahrt nach München-Pasing („Ach, meine alte Alma Mater“, habe ich laut auf dem Bahnsteig gesagt), wo der Anschlußzug natürlich längst Geschichte war, weshalb ich friedvoll eine Leberk… einen Leberkässemmel fraß und mir auf dem Bahnsteig eine gepflegte Pfingstbräune zulegte. In Murnau (in der Tat in Oberbayern, aber hallo) dann Schnee bis zum Skrotum, und der Hackenporsche ohne Kufen, holdrio. Statt Hôtels eine Ferienwohnung mit Küche/Bad/Balkon. Man hätte dort in eheähnlichen Verbänden hausen können; ich hab sie aber zum Pennen mißbraucht (was ja eheähnlich genug ist). Die Wirtin (die ständig wie am Spieß schreit, weshalb ich zurückschrie, was sie aber naturgemäß nicht dämpfte) rief (laut) bei einem Italiener an (überflüssigerweise mit einem einleitenden „Bonn Tschiorno“) und mußte feststellen, daß es in Murnau um diese Zeit nichts zu essen gab, aber daß Einheimische nix wissen, wußte ich schon. (Ich sage nur: Seezungenfilets in Weißweinsauce mit Wildreis bei einem Griechen aus Lárisa, anschließend Kirsch/Schokoschnitte bei der Bäckerin und abermals einen Leberkässemmel für die Nacht von Vincenz Murr. Vincenz Murr wollte mir eine Suppe zum Mitnehmen andrehen, ich sagte: „Nö, damit fall ich nur hin“, er sagte: „Mit am Leberkas fallens auch hin“, ich: „Das macht dann aber nix.“) Auf der Lesung dann ausschließlich beautés. Ich weiß nicht, woher die kommen, Oberbayern halt. Und zum erstenmal in meinem Leben je ein Buch „FÜR HANIFE“ und „FÜR KORBINIAN“ signiert. (Allein schon Hanife hätte einen Umweg gelohnt.) Am nächsten Morgen hat mich die Oma des Hôtels selbstherrlich zum Bahnhof gefahren, weil alle ihre Gäste in meiner Lesung waren und immer noch ziemlich kopfstanden bzw. kabolzschossen, wie schön es doch gewesen sei. Sie hatte mich vorher aufgefordert, den Hackenporsche nicht draußen stehen zu lassen („Wamma den Fußboden nicht einsauen kann, was denn dann?“), und sagte, als ich ihr meine weiteren Stationen aufzählte: „Jeder Stand hat seine Sorgen, jeder Stand hat seine Not.“...


© 2009 by Kein Aber AG, Zürich


Aufgrund von Absprachen mit den Verlagen, die uns die Leseproben zur Verfügung stellen, können wir diese nur für eine begrenzte Zeit online stellen. Vielen Dank für Ihr Verständnis!

Harry Rowohlt, geboren 1945 in Hamburg, lebt heute als Autor, Übersetzer und begnadeter Vortragskünstler in Hamburg Eppendorf. Nebenbei brilliert er unregelmäßig als Penner Harry in der Fernsehserie Lindenstraße. 1999 erhielt er den Johann-Heinrich-Voß-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Im Herbst 2000 wurde Harry Rowohlt mit dem Goldenen Hörbuch für 250.000 verkaufte Tonträger von Pu der Bär ausgezeichnet. Im Januar 2001 erhielt er den Satirepreis Göttinger Elch und im März 2004 wurde das Hörbuch Auf Schwimmen-zwei-Vögel von Flann OBrien, welches von ihm übersetzt und gelesen wurde, mit dem deutschen Hörbuchpreis 2004 in der Kategorie Best of all ausgezeichnet. 2005 wurde ihm der Deutsche Jugendliteratur Sonderpreis für das Gesamtwerk als Übersetzer verliehen.

Harry Rowohlt; herausgegeben von Anna Mikula Kein Aber 272 S., 19,90 . Das Buch ist im Juni 2009 erschienen

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