Italienischer Journalist Del Grande verhaftet

Türkei Der italienische Journalist Gabriele Del Grande wurde am 9. April in der Türkei festgenommen. Offenbar verweigern ihm die Behörden bislang jeden rechtlichen Beistand

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Der italienische Journalist Gabriele Del Grande wurde am 9. April in der Türkei festgenommen
Der italienische Journalist Gabriele Del Grande wurde am 9. April in der Türkei festgenommen

TIZIANA FABI/AFP/Getty Images

Zehn Tage nach seiner Festnahme in der türkischen Grenzregion zu Syrien ist der italienische Journalist und Menschenrechtler Gabriele Del Grande weiterhin in der Türkei in Haft. Nachdem Angehörige und Mitstreiter*innen, wie der Vater des Journalisten noch am Vortag in einem Interview mit dem Corriere della Sera berichtete, seit der Festnahme in völliger Ungewissheit waren, da jeglicher Kontakt oder Lebenszeichen ausblieben, konnte Del Grande am 18. April zum ersten Mal wieder telefonisch Kontakt zur Außenwelt aufnehmen. Dabei erläuterte der 34jährige knapp seine Lage und kündigte an, in Hungerstreik zu treten.

Die telefonische Nachricht des Journalisten, die am 18.4. über die Facebookseite seines Dokumentarfilms „Io sto con la sposa“ (dt. An der Seite der Braut) verbreitet wurde, wird hier ungekürzt übersetzt und dokumentiert:

„Ich spreche hier in Anwesenheit von vier Polizisten, die mich beobachten und mir zuhören. Ich wurde an der Grenze festgenommen. Nachdem sie mich im Identifikations- und Abschiebelager* von Hatay festgehalten haben, wurde ich nach Muğla – wiederum ein Identifikations- und Abschiebelager – in Einzelhaft verlegt. Meine Dokumente sind in Ordnung, aber es ist mir weder erlaubt, einen Anwalt zu benennen, noch wurde mir mitgeteilt, wann die Haft beendet sein wird. Es geht mir gut, es wurde mir kein Haar gekrümmt, aber ich darf nicht telefonieren; mein Telefon und meine Sachen wurden beschlagnahmt, obwohl mir keine Straftat zur Last gelegt wird. Der Grund meiner Verhaftung hat mit dem Inhalt meiner Arbeit zu tun. Ich habe wiederholte Befragungen diesbezüglich durchlaufen. Telefonieren durfte ich erst nach mehreren Tagen des Protests. Mir wurde nicht mitgeteilt, dass die italienischen Behörden mit mir in Kontakt treten wollten. Ab heute Abend werde ich in Hungerstreik treten und ich rufe alle dazu auf, sich dafür einzusetzen, dass meine Rechte respektiert werden.“
(* Del Grande verwendet hier die in Italien geläufige Bezeichnung der Auffang- und Abschiebelager Centro di Identificazione e Espulsione, kurz: CIE)

Gabriele Del Grande hielt sich offenbar zu Recherchen für sein aktuelles Projekt zum Krieg in Syrien in der türkischen Grenzregion auf, das wie schon frühere Projekte des Journalisten und Aktivisten über Crowdfunding finanziert wird. Neben dem vielbeachteten und preisgekrönten Dokumentarfilm „An der Seite der Braut“ von 2014, der eine Gruppe Geflüchteter auf ihrem Weg von Italien durch Europa bis nach Schweden begleitet, hat sich Gabriele Del Grande über Italien hinaus durch diverse Buchveröffentlichungen (auf deutsch u.a. "Mamadous Fahrt in den Tod. Die Tragödie der irregulären Migranten im Mittelmeer", 2011) und besonders durch seinen Blog Fortress Europe einen Namen gemacht, auf dem er mit einem Team über Jahre hinweg die Fluchtbewegungen und die Zahlen der im Mittelmeer Umgekommenen recherchierte und zusammentrug. Del Grande setzt sich seit langem für legale Fluchtmöglichkeiten nach Europa ein und legt seit 2012 einen besonderen Schwerpunkt seiner Arbeit auf Syrien.

Das italienische Außenministerium teilte wenige Stunden nach der Nachricht von Del Grande mit, dass es sich mit Nachdruck um Kontakt zu dem Journalisten und um seine Freilassung bemühe. Im Statement vom 18. April heißt es (ungekürztes Statement):

„Die Farnesina [= ital. Außenministerium] und die Botschaft Italiens in Ankara verfolgen den Fall des Journalisten Gabriele Del Grande seit seinem Beginn mit größter Aufmerksamkeit und in kontinuierlichem Kontakt mit den Angehörigen. Auch am heutigen Tag wurden die Kontakte mit der Lebensgefährtin von Gabriele Del Grande und dem Rechtsanwalt der Familie fortgesetzt.
Außenminister Alfano hat die Entsendung des italienischen Konsuls von Smirna nach Muğla – wo Del Grande inhaftiert ist – angeordnet, um dem Landsmann einen konsularischen Besuch abzustatten. Der Botschafter Italiens in Ankara hat den türkischen Behörden das Gesuch auf konsularischen Besuch gemäß der Wiener Konvention von 1963 übermittelt. Die Farnesina verlangt seit dem ersten Tag des Vorgangs mit Nachdruck, dass Gabriele Del Grande einen rechtmäßigen rechtlichen und konsularischen Beistand erhalten muss.
Auch dank dem Einsatz und der Sensibilisierung durch die italienischen Behörden von Anfang an konnte Herr Del Grande heute ein Telefonat mit der Familie führen. Aber dies reicht selbstverständlich nicht aus, insofern die Farnesina die Freilassung Del Grandes fordert, unter vollständiger Achtung der Gesetze.“

Unterdessen hat nach der Nachricht von Del Grande unter italienischen Mitstreiter*innen und interessierter Öffentlichkeit die Mobilisierung zur Unterstützung des Inhaftierten Fahrt aufgenommen. Auch die größeren italienischen Medien, die, anders als im Fall Deniz Yücel in Deutschland, in den ersten Tagen zunächst sehr wenig berichteten, geben dem Fall ihres Freelancer-Kollegen endlich mehr Aufmerksamkeit. Über die Facebookseite „Io sto con la sposa“ werden Solidaritätsaktionen und Veranstaltungen in vielen italienischen Städten koordiniert, als Hashtag hat sich #IoStoConGabriele etabliert.

Stand: 19.04.2017

Blog von Gabriele Del Grande: http://fortresseurope.blogspot.de/

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