Ein schwarz-weiß Foto im braunen Holzrahmen

UNVERGESSEN, das Stück Das Theater die ANDERE WELT BÜHNE in Strausberg zeigt aktuell UNVERGESSEN - der Umgang mit Erinnerungen, eine Wiederaufnahme.

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Versteckt im Wald unweit der S-Bahn Strausberg, findet sich auf dem ehemaligen Postgelände seit nun mehr fünf Jahren die ANDERE WELT BÜHNE. Ein kleines Off-Theater in einer Betonhalle, knallblau von außen bemalt, geleitet von Ines Burdow und Melanie Seeland. Ein Theater, welches sich Corona nicht gebeugt hat und Anfang 2020 eine Luftaustauschanlage einbauen konnte. Ein schöner Ort im Sommer. Mit der im Herbst eingebauten Erdwärmeheizung startet die Andere Welt Bühne mit einer Wiederaufnahme des Stückes UNVERGESSEN erstmalig in die Wintersaison.

Hier also in Strausberg kann schon mit 2G und ohne Maske, dafür mit Heizung Theater begangen werden. Damit es den Besucher*innen davor und danach behaglich bleibt, gibt es die frisch eröffnete und liebevoll renovierte Gaststätte, die Schmorpost. Im ehemaligen Pförtnerhäuschen einquartiert, bietet sie vorzügliche kalte und warme Küche, Café und Getränke für vor und nach den Stücken und ein exklusives Raucherzimmer.

Holz und Holzrahmen treffen sich nicht nur inhaltlich im aktuellen Stück. Die Einrichtung des Theaters, insbesondere die Bühne ist inspiriert von einem Raum-Bühnenkonzept des Archtikten Friedrich Kiesler aus den 20 er Jahren der Bauhausblütezeit. Sie ist drehbar von Mathias Merkle vor Ort mit viel Holz nachhaltig aus dem angrenzenden Wald gestaltet und steckt so den bespielbaren (hölzernen) Rahmen des Theaters ab.

Dem schwarz-weiß Foto im braunen Holzrahmen, diesem begegnen wir im Stück, in dem es um den Umgang mit Erinnerung der drei Schauspieler Ines Burdow, Melanie Seeland, Thomas Hupfer an die Großeltern geht. Autobiografisches, aber auch zugetragene Großeltern-Wirklichkeiten, die teils nur aus Briefen oder von schwarz-weiß Fotos gekannt waren, werden in wechselnden Erzählungen vorgestellt. Das Kriegsende, die KZ-Vergangenheit, die Kriegsgefangenschaft, die NSDAP Größe, die aus dem sowjetischen Gefängniskrankenhaus schrieb, ist die in den Fokus genommene Zeitqualität der Vorfahren. Die Zuschauer*innen erleben mit, wie der Krieg aus den verschiedenen Blickwinkeln seinem Ende entgegenläuft. Sie reisen mit durch die Stationen, so wie die Schauspieler, die die Ebenen ihrer sich immer wieder wandelnden Bühne erklimmend und erkletternd ausloten. Erinnerungsperspektiven der (Ur-)Enkelkinder derer, die zwar nichts vom Krieg erlebt haben und doch offensichtlich davon beeinflusst im Leben und dem ihrer Familien sind, eröffnen sich. Rezitationen für die verschleppten jüdischen Menschen und das Herausreißen der Zuschauer aus Monologen durch eine schier einstürzende Welt, die Andere Welt, halten die Spannung. Das Schweigen begegnet den Zuschauer*innen als letzte Form der Erinnerung. Eine Begegnung mit dem Aufbegehren gegen 76 Jahre Frieden in Deutschland, der nur einer sein kann, solange nicht gefragt wird: Was wissen wir nicht?, nimmt die Zuschauer*innen ins Visier und zurück ins hinterfragungswürdige Hier und Jetzt.

Die Wiederaufnahme von UNVERGESSEN ermöglicht es, den ersten Teil einer geplanten Trilogie (Stückvorlage Ines Burdow) in diesem Herbst zu sehen. Zum Ende des Jahres folgt Teil zwei, welcher sich der Zeit des Kalten Krieges zuwenden wird. Paul Splitter, der Regisseur und Ines Burdow kamen beide ursprünglich aus Strausberg und Umgebung. Nachdem sie viel in der Welt unterwegs und tätig waren und sind, trafen sie in der Anderen Welt aufeinander und geben, Strausberg so vielleicht ein und in diesem Fall gar mehrere Stücke gemeinsam mit ihrem innovativen Theaterteam zurück. Die dargestellten weiteren Figuren lebten oder erlebten ihr Schicksal nahe Berlin, und obwohl es alles scheinbar sehr, sehr lange her ist, ist es ganz nah. Das Stück wird über den Weg der Erinnerung ein eindrückliches Werk gegen den Nationalsozialismus, gegen das Vergessen und gegen das Wegsehen. Jetzt.

Ein sorgfältig aufbereitetes Stück, das trotz seiner Schwere aushaltbar und politisch wichtig ist, denn um es in den Worten der Schauspielerin Ines Burdow im Stück auf den Punkt zu bekommen:

"Ohne Erinnerung, keine Zukunft".

Die ANDERE WELT BÜHNE, Garzauerstr. 20, 15344 Strausberg

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Textfontana

Freie Journalistin, Bloggerin und Heilpraktikerin mit Schwerpunkt TCM. Themen Frauen-/Gesundheit, Kultur, Theater/Performances und Tanz.

*Würzburg 1966, seit 1987 in Berlin lebend. Selbstständig tätig im Gesundheitsbereich seit 1994. Journalistik Studienabschluss an der FJS Berlin 2019. Mitredakteurin bei bzw-weiterdenken.de seit 2019.

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