Natur ist alles, nur kein Argument

Schwangerwerdenkönnen!? Eine Rezension zum Buch: „Schwangerwerdenkönnen“, von Antje SchruppDie Feministin, Journalistin, Bloggerin und Autorin Antje Schrupp, trifft den patriachalen Nerv...

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Die Feministin, Journalistin, Bloggerin und Autorin Antje Schrupp, trifft offensichtlich mit ihrem frisch veröffentlichten Essay zum Thema Schwangerwerdenkönnen, direkt den zeitlich tickenden und zuckenden patriarchalen Nerv. Wir haben es, den öffentlichen Kommentaren zu folge, mit einem echtem Triggeressay für Antifeministen zu tun, was das Buch doch erst recht spannend macht.

Als ich den Buchtitel las und ein paar Infos über die Autorin, dachte ich zunächst: Ok, was wird nun eine schreiben, die doch selbst gar keine Kinder geboren hat, also vielleicht gar nie schwanger war? Und zweitens: Wohin meint sie wohl, dass der Weg um das Schwangerwerdenkönnen aus feministischer Sicht die Gesellschaft führen könnte? Nun ersteres ist eindeutig ein mir implizites frauenfeindliches altes Muster, denn hätte es ein Mann geschrieben, hätte ich ihm vielleicht weniger Skepsis vorab zu Teil kommen lassen (oder es erst gar nicht gelesen) und so bewirkte das Werk schon mal ein erstes auf-t-räumen: Recherche betreiben, Diskussionen und Meinungen entwickeln, Entwicklungen benennen, zu diesem Thema, dürfen und können letztlich alle Menschen, mit und ohne körperlichem Geburtserlebnis und es handelt sich keinesfalls um einen weiteren: „Wie atme ich am Besten um Schwangerwerden-zu-können Selbsterfahrungs-Ratgeber“, sondern eben um einen feministischen, politischen Essay. Der zweite Aspekt, wie und an welcher Stelle die aktuelle feministische Diskussion aus ihrer Sicht steht oder stehen könnte, ist dafür umso Ergebnis reicher.

Daher denke ich zunächst zurück an einen vor zwei Jahren stattgefunden Frauengesundheitskongress1 in Bielefeld, denn viele der Gedanken und Diskussionen wurden auch dort schon angedacht. In ihren Kapiteln wie: „Schwanger werden können: nur noch eine Nebensache?“, „Warum es normal ist nicht schwanger zu sein“ oder „Über die körperliche Selbstbestimmung schwangerer Menschen“ werden diese Themen von Frau Schrupp dezidiert ausbuchstabiert.

Zudem hatte ich vor ein paar Jahren über den Besuch bei einer Kinderwunschklinik2 in Dänemark geschrieben. Die Problematiken, Fragestellungen, die auf der persönlichen und gesetzlichen, also letztlich politischen Ebene dort vor fünf Jahren auf der Tagesordnung standen, finde ich in diesem Buch eingehend thematisiert wieder. Diesen aktuellen Themen, rund um Befruchtung, Austragung, von wem und für wen und wenn wie, stellt sich die Autorin. Ich sehe diesen Essay als einen wichtigen zeitgemäßen Beitrag, der zunehmende "Schwangerwerdenkönnens-Realitäten" beschreibt, aufklärerischer Art ist und offen weiterdenkt. Schon alleine für die journalistische Recherchearbeit ist ihr ein echter Dank auszusprechen, für die vielen, Daten, Aussagen, Zahlen und Zitate von DenkerInnen, MedizinerInnen, StatistikerInnen, PhilosophInnen, WissenschaftlerInnen, PolitikerInnen und vielen, vielen anderen, die sie fast wie nebenbei zusammengeführt hat.

Antje Schrupp schließt mit diesem Buch an eine feministische Diskussion an, die lange als reine Utopie galt (Schwangerwerdenkönnen frei vom Mann oder direktem Besamungsakt…) und die für sehr viele Menschen inzwischen Realität geworden ist. Zudem eröffnet sie eine Diskussion, die, an diesen geschaffenen Realitäten entlang, Handlungs- und Diskussionsbedarf in verschiedenste Richtungen, von feministisch/queeren, philosophischen und wirtschaftlichen Ideen und Szenarien, bis zum Wohle und Schutz der betont, freiwilligen Schwangerschaft formuliert.

Die Autorin hat glücklicherweise die Kunst bewiesen, dieses Thema nicht nur trocken oder gar (selbst-) unkritisch herunter zu reißen, nein, auch wenn es manchmal wirklich etwas kleinkariert anmutet, so hat dieser Essay eine ausgesprochen positive Lesedynamik. Vorsicht, Perspektivwechsel kann er auslösen, nach der Lektüre sehe ich z.B. einen meiner aktuellsten Lieblingsfilme Border3 (schwedisch, 2018), in einem anderen Licht, Stichwort Hermaphroditen, Zwangs-Genital-Operationen/Angleichung. Genau das macht Antje Schrupp einfach sehr gut: schonungslos das „Spot-on“, auf dieses heiß umkämpfte (Feucht-) Gebiet, in neun Kapiteln und auf 192 Seiten verteilt. Das so etwas nicht immer aalglatt abläuft, sondern auch mal provokant in Höhen und Tiefen steigt passt schließlich zum Thema: Schwangersein ist schließlich auch eine Berg- und Talfahrt mit hormonellen Eskapaden, wie ich mich dunkel erinnere.

Autorin/Verlagsinfos:

Antje Schrupp

Schwangerwedenkönnen

Essay über Körper, Geschlecht und Politik

Ulrike Helmer Verlag, 2019, 192 Seiten, 17.-

ISBN978-3-89741-43-8

Anmerkungen

1LACHESIS.FRAUEN.GESUNDHEIT. -Wo leben stört- 2017, Bielefeld

2http://www.chisalon.de/Zu%20Besuch%20bei%20Vita%20Nova_DK.pdf

3https://www.kino.de/film/border-2018/

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Textfontana

Freie Journalistin, Bloggerin und Heilpraktikerin mit Schwerpunkt TCM. Themen Frauen-/Gesundheit, Kultur, Theater/Performances und Tanz.

*Würzburg 1966, seit 1987 in Berlin lebend. Selbstständig tätig im Gesundheitsbereich seit 1994. Journalistik Studienabschluss an der FJS Berlin 2019. Mitredakteurin bei bzw-weiterdenken.de seit 2019.

Textfontana

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