Nachspiel für den Wettermann

Fall Kachelmann lebt Es geht um eine andere Art von Liebe. Aber der materielle Gehalt der juristisch verschleierten Waffengänge weist auf Kulturkampf hin.

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Moralischer Streit beruht nicht selten auf Falschmünzerei. Das scheint mit den rigorosen Wahrheitsansprüchen auf dem schwankenden Grund unsrer Existenz zusammenzuhängen. Dort verlaufen sich die Antipoden mit ihrem eigentümlich phantastischen Weltverständnis. Schön ist es, in großer Treue zu leben. Aber gelingt das auch? Ironie als sprachliches Hilfsmittel ist zu billig, um hier begreifend eingesetzt zu werden. Verwirrende Symptome treten ans Licht. Und da jetzt einer erklärt, er sei nicht stolz auf seine Liebesabenteuer, hören wir auf‘s Echo, das nun zurück schallt.

Dem idealistischen Missverständnis beabsichtigen wir nicht auf den Leim zu gehen. Denn die materiellen Schäden, psychischen Verletzungen und Selbstverstümmelungen unter der Regie des demokratischen Rechtsstaats sind offensichtlich. Der Strafprozess wegen Vergewaltigung, allen unmittelbar Beteiligten als Falschinszenierung klar vor Augen und öffentlich auf Irreführung ausgerichtet, muss als fahrlässig, unvernünftig und verantwortungslos gelten. Kann die Verantwortung dafür jedoch zugerechnet und in rechtsstaatlicher Weise verwirklicht werden?

Erinnern wir uns, dass die Natur der Liebe ziemlich ungeeignet ist, den einander zugeneigten Partnern Treueschwüre aufzuzwingen. Geschlechtliche und andere Liebesaspekte bilden eine Einheit, Promiskuität scheint allgemein auf dem Vormarsch. Gewöhnlich entstehende Probleme stammen aus dem Zusammenhang mit dem Reich der gesellschaftlichen Zwangsmechanismen. Durchschnittlich aber gilt immer noch als Rechtsnorm in der bürgerlich monogam gewünschten Ehe, dass promiskuitives Sexualverhalten toleriert und nicht strafbar ist. Jedenfalls soweit es die Eigentumsverhältnisse nicht ungebührlich beschädigt. Es muss daher regelmäßig, nicht selten heuchlerisch, der Vorwurf der Lüge und Täuschung erhoben werden, um auf den Kern der Geschäftsbedingungen zu kommen, die für die ehelichen bzw. nicht ehelichen Beziehungen gleichermaßen gelten.

Die Ehe wird tendenziell zum Risiko in unserer Gesellschaft, die zunehmend von Unsicherheiten und Ungewissheiten durchzogen zu sein scheint. Es besteht daher ein gewisser Druck auf die Individuen, das Eherisiko zu umgehen oder vertraglich abzusichern, um übermäßige Selbstbeschädigung zu vermeiden. Wer ein gewisses Interesse an den inneren Zusammenhängen von Massenerscheinungen hat, dem liefert heute die Statistik ausführliche Entwicklungsprofile, was allerdings nicht von der Arbeit entlastet, ein tieferes Verständnis unserer Zeitläufe anzustreben.

Der Freispruch im Sommer 2011 war nicht kostenneutral. Wir wissen noch nicht, mit welcher Münze wir die Willkürakte der Mannheimer Staatsanwaltschaft, das Zögern des Gerichts bezahlen müssen. Der Preis wird sich ja erst durch die Anhäufung der Fälle geltend machen. Hinzuzufügen ist, auf welch hinterhältige Weise die Verteidigung ihre Mandantin plakatierte, indem diese hinter Autoscheiben den scheinbar passenden Buchtitel vor's Gesicht hielt. Das ging der Würde des Menschen stark an die Nieren und beschwor beweiskräftig die altbekannte reaktionäre Gesinnung, die sich den mittelalterlichen Pranger wünscht.

Noch bleiben die Einzelheiten sympathisierender Phantasie überlassen, den Verlust an Würde und beruflicher Befriedigung abstrakt als Kosten des Waffengangs im Täter – Opfer Verhältnis sich vorzustellen. Müssen auch Staatsanwälte und Richter mit einem Knick in ihrer Karriere bezahlen oder sind sie inzwischen beruflich aufgestiegen? Der ökonomische Anreiz war zweifellos virulent. Einem Dutzend hochrangiger Gutachterleistungen stehen für die Lieferung ihrer Ware geldwerte Gegenleistungen zu, unabhängig von deren Qualität. Die Rollen der Verteidigung in diesem falschen Spiel unterschieden sich in der öffentlichen Wahrnehmung nur graduell, erschienen als betriebsblinde Mitspieler im komischen Rechtsstreit.

Überflüssige Kritik am demokratischen Rechtsstaat liegt uns fern. Wir denken aber durchaus an die geschäftstüchtigen Zeuginnen, an die Reisen im gerichtlichen Auftrag in die Lüneburger Heide und die Schweiz, die für die Art der inszenierten Gerechtigkeit durchaus lehrreich waren. Ebenso an den oft geschlossenen Gerichtssaal, der die Öffentlichkeit zu Unrecht aussperrte. Und schließlich erinnern wir uns der verantwortungslosen Frechheit, das von der Justiz produzierte >Vergewaltigungsopfer< als >potenzielle Lügnerin< zu brandmarken und den freigesprochenen, unbescholtenen Wettermoderator als >potenziellen Vergewaltiger< zu diffamieren. Für den neuerdings publizistischen Holperkurs des Medienunternehmers und die angetraute Psychologie – Studentin, die sich im TV-Talk clever schlagen, hegen wir eine eben solche kritische Distanz wie für die Justiz.

Dabei wissen wir nicht, wie das Landgericht Frankfurt a.M. in der Zivilklage des Schweizer Wettermanns auf 13 352,69 Euro Schadensersatz entscheiden und seine Entscheidung begründen will und kann. Er hatte den Geldbetrag während der skandalösen, 4 monatigen Untersuchungshaft für Gutachter aufwenden müssen. Jetzt möchte er das Geld als Ausgleich für die juristisch inzenierte Falschbeschuldigung zurück. Das scheint allerdings nur der Einstieg in eine Justiz-Rally zu sein. Auch den Verlust einer Immobilie und eines lukrativen Jobs habe er zu beklagen. Wo der Staat nun aber in hohem Maße und ursächlich den Schaden mit zu verantworten hat, den das Individuum erleidet, hat dies erfahrungsgemäß nur geringe Chancen auf angemessenen Ausgleich. Für weitere Spannung im Fall K. scheint gesorgt, wenn der Wettermann ernsthaft für den demokratischen Rechtsstaat kämpft und vermeidet, diesen für eine märchenhafte Episode in seinem Leben zu halten.

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Geschrieben von

Ernst H. Stiebeling

Diplomsoziologe.Als Lehrer gearbeitet.Freier Publizist.Kultur-,Wissenschafts-,Politikthemen

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