Politische Depression in der Demokratie

Feuer im Bündnis ? Donald Trump, Präsident der USA, scheint selbstverschuldet Illusionen politisch benutzen zu wollen. Als Lügenbaron strebt er daher risikoreich eine Demokratiewende an

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Im Auftrag des Politbüros der Kommunistischen Partei wendet sich Xi Jinping aus den Schweizer Alpen an die Weltöffentlichkeit: Gefährdet den Freihandel nicht, er nützt allen! Dieses bürgerliche Glaubensbekenntnis des ‚ungehinderten‘ Waren- und Kapitalverkehrs ist in China für relativ wenige Entscheidungsträger verbindlich. Monopolistisch und streng hierarchisch hat die Partei Verfügungsrechte über diverse Eigentumsformen festgelegt. Und wenn diese Zeilen darauf nicht eingehen, so sind sie in dem Punkt euphemistisch, da sie z.B. die Situation der Menschenrechte, Quellen der Korruption, staatliche Disziplinierungspraxis des bevölkerungsreichsten Landes der Erde ausblenden.

Es kommt mir hier auf eine Sicht an, die den Angriff von Despoten auf Freiheit und Demokratie in der ‚westlichen Welt‘ ermessen möchte. Da begegnen wir auf Schritt und Tritt demokratisch verkleideten Lockrufen, wissend, dass Menschenrecht auch bei uns keinen einfachen Stand hat.

Nachrichten, die uns seit der US-Präsidentenwahl beschäftigen, sind vielleicht Signale eines Wendepunkts in der Demokratieentwicklung. Der ‚Geschäftsmann Donald Trump‘ ist 45. Präsident der USA, die traditionell als demokratische Vormacht gelten. Er steht in dieser Funktion China gegenüber in der Kreide, als ‚Privatmann‘ der Finanzindustrie gegenüber. Wenn solche Interessenlagen zum Wahrheitsschwur aufgerufen werden, hilft kein Gerichtsvollzieher wie in der Welt der ‚kleinen Leute‘.

Ein Bündnis aus Angst und Unsicherheit, des Zwiespalts mit allen denkbaren Tricks und Schwindeleien drängt auf eine dramatisierende Aufführung. Der Präsident hat sich direkt und offen gegen ‚Freihandel‘ positioniert. Darin eine freche Drohung zu erkennen, dürfte nicht ganz falsch sein. Jedenfalls sehen wir, dass sich der deutsche Außenhandel weit aus dem Fenster lehnt: „Trump braucht harte Antwort“ Wo aber riesige Unternehmen über Kontinente verschoben werden, ihre Eigentümer und verzweigten Produktionsstandorte bestenfalls nach einem durchsichtigen politischen Design ausgetauscht oder aber auch einfach 'stillgelegt' werden, scheint das Bild der Wirrnis dem Tempo des Regierens geschuldet.

Ruft Trump nicht auch unheilvolle Geister der Vergangenheit in Erinnerung? Worte aus Hitlerscher Wahnrhetorik und der anarchistischen Mottenkiste fließen in die öffentliche Selbstdarstellung. Sie sind jedoch nur Plagiate, Absichtserklärungen eines frustrierten Milieus. In ähnlich peinlicher Form hörten wir die ‚First Lady‘ in Spe im Wahlkampf sprechen. Er war ungeniert als lügnerischer Feldzug inszeniert worden.

In kurzer Zeit haben sich dann in der pragmatisch begabten, multi-kulturellen Nation Gefühle der Zurückhaltung oder Skepsis gegenüber dem staatlichen Zentrum in eine Art Schmerzempfinden verwandelt. Fast täglich muss der erfreute, erstaunte, entsetzte Blick auf das Agieren des Präsidenten erst einmal feststellen, wo die Knackpunkte in den Übergängen zwischen erfahrbarer Realität und der hell erleuchteten Dunkelkammer des ideologischen Wirrwarrs liegen. 'Ihr Präsident', so fühlt wohl eine starke Minderheit der Amerikaner, kann doch kein 'böser Mensch' sein.

Doch: Wie zu befürchten, heizt er zunächst fremdenfeindliche Vorurteile an und droht minimale Ansätze sozialstaatlicher Regulierungen zu kippen. Seine phrasenhafte Rede von Arbeit, Volk, Nation, Staat wirkt im ‚Schmelztiegel‘ der Gesellschaft für die einen heuchlerisch, die anderen unmittelbar wie ein ehrliches, tatkräftiges Wort. Lady Gaga präsentiert 100 Mio. TV-Konsumenten Mr. Präsident indirekt als unliebsamen Reaktionär. Wie werden Presse und Hollywood die in Form einer Reality-Show inszenierten, aber inkompetenten, unwirksamen Dekrete aufgreifen, die von einer blinden Unterwerfung der Gewaltenteilung unter die präsidiale Machtentfaltung ausgehen?

Trump hat sich kalkuliert auf einen ‚Krieg‘ mit öffentlicher Kritik eingelassen. Die Presse hat den Fehdehandschuh aufgenommen und erklärt, den ‚längeren Atem‘ zu haben. Nähert sich Trumps Administration der Realität, darf eine harte, blutige Auseinandersetzung erwartet werden. Polizei – Razzia und Ku-Klux-Klan werden zu alltäglichen Erscheinungen der ‚Sicherheitslage‘. Wenn, wie Vorboten ahnen lassen, der Pleitier Mr. Präsident mit seinem ‚Kabinett der Millionäre‘ die Handlungsfähigkeit des Staates national wie international schmälert, die desolaten Strukturen der politischen Parteien noch weiter chaotisiert, werden zur Rettung der Verfassung oder zu ihrem Umsturz neue Weichen gestellt werden müssen.

Bis wir jedoch soweit sind, wird noch genug Wasser den Mississippi runter fließen, der Gott unserer Zivilisation so manche von Menschen gemachte Naturkatastrophe zulassen und die Satiriker werden auf der Welle einer Hochkonjunktur schwimmen.

Was für uns Europäer aus historischer Erfahrung immer ein Thema ist, betrifft die schwierigen Fragen nach den Bedingungen und Ursachen der Verwandlung von freiheitlichen in autoritäre, ja diktatorische Strukturen. Schablonenartige Vereinfachungen können nicht helfen zu begreifen. Aber wir kennen einige Elemente des Prozesses und wissen, dass seit dem Bürgerkrieg um die volle Durchsetzung der bürgerlich – liberalen Ordnung in den USA und der ‚Abschaffung der Sklaverei‘ der politische Spielraum nicht mehr zum Mittel kriegerischer Gewalt im Inneren greifen ließ. Das wurde von der ‚Supermacht‘ außen eingesetzt, - bis zuletzt Obama den Interventionismus aus Truppenstärke und Materialüberlegenheit in Form des ‚billigeren‘ Drohnen-Kriegs fortführte. Als Zeichen der Schwäche ist diese Form illegitimer Gewalt erkennbar, wird aber von den politischen Abenteurern als 'unnötig' empfunden und verarbeitet.

Weltweit hat eine Umverteilung der Macht stattgefunden. USA und EU verloren relativ und suchen eine neue Rolle. Inwieweit das globale Waffenarsenal, die mangelnde Bereitschaft abzurüsten dem Kampf für Verhandlung und Vereinbarung, für Entspannung Chancen belassen, ist eine offene Frage. Sie hat eine nicht zu unterschätzende Bedeutung.

Namentlich in Europa müssen sowohl die ‚rechtspopulistischen Kräfte‘ als auch die Demokraten daran interessiert sein, politische Konzepte zur Lösung chaotischer Konflikte zu entwickeln. Man wird also deutlich ausmachen können, wer uns aus ‚größerer Verantwortung‘, ‚reiner Not‘, Dummheit oder Lust am Untergang der Furie des Krieges unterwerfen möchte. Wir brauchen starken europäischen Zusammenhalt mit Betonung einer ausgearbeiteten Friedenspolitik. Eine bewusst herbeigeführte Wende der dogmatisch erstarrten 'Austerity - Politik' hätte eine Chance auf Bündnisse in einer multilateral strukturierten Welt.

Nicht nur die Fundamentalkritik am ‚Establishment‘ spielt aktuell in den USA eine Rolle. Auch die Politik zwischen den Kriegen – angesichts der großen Depression, der New Deal Periode, denen wir u.a. Reportagen John Steinbecks verdanken (Früchte des Zorns) - scheint geschminkt den heutigen Boden der Tatsachen zu betreten. Die ‚Mauer gegen Mexiko‘, die nach faschistoidem Muster das Opfer bezahlen soll, die Strafbarkeit (1937) politisch nicht gewollter Einwanderung sind Trumps aktuelle Knüller.

In der Liste der Anklagepunkte gegen Obamas ‚illegitime‘ Administration zählt neben dem rassistischen ‚Argument‘ die ‚unnötige‘ Regulierung der schweren globalen Finanz- und Schuldenkrise. Je bornierter also die Interessen des Finanzsektors oder des ‚Unternehmertums‘ überhaupt aufgefasst werden, umso leichter geht man über den anarchistischen Spruch hinweg: „Wir nehmen die Macht in die Hand und wir geben sie an euch, das Volk, zurück“ (20.Januar 2017). Diese Idee haben die politischen Strömungen des Bonapartismus und Anarchismus zu nutzen versucht. Als autoritäre Reaktion auf liberale Demokratiekonzepte betätigten sie sich auf dem Felde der politischen Auseinandersetzung seit Mitte des 19. Jahrhunderts wiederholt, hinterließen regelmäßig Spuren der Verheerung auf dem Wege der Demokratieentwicklung.

Heute funktionieren diese Vorstellungen vielleicht überraschend in Agitprop – Manier. Gelangen sie tatsächlich an die Macht, überrascht es gar nicht mehr, dass schon ihre ersten 'Maßnahmen' Wissenschaft und demokratische Kommunikation zurückdrängen und die Risiken global auf vielen Gebieten gesellschaftlichen Seins ausweiten.

Arbeitslosen und Multi – Jobbern im Hamsterrad verspricht Trump die heiße Luft des Protektionismus, an der sich viele verbrennen, wenige ihr eigenes Süppchen kochen. Das sieht man der billigen Phrase nicht an: „Wir werden unsere Nation mit amerikanischen Händen wieder aufbauen“. Ein solches Programm kann nur deklamieren, wer sich aus seiner Pleite schwindeln, die Macht der Aufklärung, der Berechenbarkeit, der Freiheit und Demokratie durch Wunderglaube und permanente Notverordnungspolitik ersetzen will. Wollen das wirklich die Republikaner in den USA? Weltweit dürfen die interessierten Beobachter auf diesen internen politischen Waffengang gespannt sein.

Im Außenverhältnis der USA ist bereits eine bedrohliche Perspektive angekündigt worden. Sie passt wie die Faust aufs Auge. Die 'staatsmännische Wende' Trumps im Kongress kombiniert nämlich das heuchlerische Bekenntnis zur 'freien Welt' mit einer aufreizenden 'Erhöhung des Militäretats' und dem verbrecherischen Versprechen: "Wir müssen wieder Kriege gewinnen." Wie angedeutet, haben wir in der Geschichte gesehen, dass die extremen Parteien der angeblich bewährten, ‚großartigen Ordnung‘ den nationalen Mythos im Maße hochjubelten, in dem sie die Zerstörung der realen Nation betrieben. Und die Internationale der ‚Rechtspopulisten‘? Deren erklärtes Ziel ist in Anlehnung an Trumps familiäres, wohlfeiles Geschwätz die Aushöhlung der Europäischen Union und die ernst zu nehmende Drohung einer vertrauensseligen Kooperation mit den autoritären - totalitären Bestrebungen der russischen Variante der Demokratie.

Den Aufbau einer handlungsfähigen, vielfältig zusammengesetzten Gemeinschaft hintertreiben die europäischen ‚Patrioten‘ mit ihren Vorstellungen vom nationalistischen bzw. regionalistischen Einheitsbrei und einem scheinheiligen Bekenntnis zur Demokratie des Rechtsstaats, an dessen Standfestigkeit sie rütteln. Um einen Vergleich vor Augen zu haben: Ähnlich bekämpfen die verbitterten Gegner gleicher Bildungschancen Fortschritte einer gemeinsamen Bildung. Sie weichen auch auf irreführende ‚Argumente‘ aus, wenn sie die vielbemühte Intelligenz mehr als Ausdruck 'rein' biologischer denn als gesellschaftlich-kultureller Tatsachen auffassen und propagieren – Herrschaft des ‚gesunden Menschenverstands‘ als Verschleierung undemokratischer Möchtegerndiktatur.

Wenn im ‚Schmelztiegel‘ Amerikas die ‚Administration Trump‘ scheitert oder auf 'Normalmaß' gestutzt wird, hoffentlich ohne bürgerkriegsähnliches Chaos auszulösen, sinken die Chancen der völkischen Zerstörer der repräsentativen Demokratie auch in Europa. Aber nicht automatisch. Die entschiedenen Demokraten müssen die vielzitierten Menschenrechte, die Freiheit und den demokratischen Rechtsstaat mit Leben füllen und geeignete Bündnisse suchen, sich wirklich ins Zeug legen. Gegen die scheinbar selbstgenügsamen Illusionen der 'Patrioten', die in Wirklichkeit an jedem imperialistischen Abenteuer mitwirken, helfen keine Anleihen an deren Vokabular, sondern möglichst vielfältige Formen der Aufklärung. Dabei muss Toleranz keine Schwäche sein.



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Geschrieben von

Ernst H. Stiebeling

Diplomsoziologe.Als Lehrer gearbeitet.Freier Publizist.Kultur-,Wissenschafts-,Politikthemen

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