Während in Seattle die WTO-Verhandlungen von massivem Protest begleitet waren, kann im Bereich der Klimapolitik eher von einer kooperativen Zusammenarbeit der gesellschaftlichen und der staatlichen Kräfte gesprochen werden.
Neben der naturwissenschaftichen Probleminterpretation sind es vor allem nationalstaatliche Machtkonstellationen, in denen Industrie- und Entwicklungsländer sowie die osteuropäischen Transformationsländer eine unterschiedliche Position einnehmen. Gleichzeitig sind an den Verhandlungsprozessen neben den Nationalstaaten und den NGOs auch die Wissenschaft und die Industrielobby beteiligt. Welche Rolle und welchen Einfluss üben aber die einzelnen Akteursgruppen auf die Entscheidungen aus?
Die internationale Klimapolitik ist spätestens seit der 3. UN-Klimakonferenz 1997 in Kyoto von massiven ökonomischen Interessen durchdrungen. Der Gedanke zum Schutz der Atmosphäre, der noch auf der 1.UN-Klimakonferenz 1995 in Berlin eine Rolle spielte, wurde von Überlegungen in Richtung marktkompatibler Umwelttechnologien und Effizienzstrategien verdrängt. Damit hat die internationale Klimapolitik den Bereich der sogenannten Âweichen Politikfelder (Soziales, Umwelt) verlassen und ist nun dem Bereich der Âharten Themenfelder (Sicherheit, Wirtschaft, Finanzen) zuzuordnen. Im Vordergrund stehen Fragen, wie zum Beispiel der richtige Preis für die Verschmutzungsrechte bestimmt werden kann, wie viel Verschmutzung die Erde verträgt und wie Wettbewerbsnachteile verhindert werden können.
Die NGOs bleiben von diesen Entwicklungen nicht unbeeinflusst. Ihre Strategien und Forderungen haben sich im Laufe der Klimaverhandlungen gewandelt. Die im Climate Action Network (CAN) zusammengeschlossenen Umweltorganisationen sind von ihrer noch auf der 1. UN-Klimakonferenz gestellten Forderung nach einer 25prozentigen CO2-Reduktion der Industrieländer abgekommen und orientieren sich mittlerweile an Detailfragen der Verhandlungsdokumente, die sich kaum noch an die Öffentlichkeit oder die Umweltgruppen an der Basis vermitteln lassen. Das CAN umfasst zwar an die 300 NGOs weltweit, es existieren aber deutliche Dominanzstrukturen. Es sind vor allem die großen ressourcenstarken NGOs und vornweg die transnational ausgerichteten NGOs, wie der Environmental Defense Fund, der World Wide Fund for Nature, Greenpeace u.a., die den Konferenzmarathon langfristig durchstehen.
Die lokalen Gruppen greifen zwar vielfältige Impulse auf, die von der internationalen Politik ausgehen, sie wirken aber nicht auf die Probleminterpretation und -bearbeitung der internationalen Klimapolitik ein. Auf Grund des strukturellen Zwangs zur Anpassung, der vom internationalen System der Klimapolitik ausgeht, kommt es quasi zum Âmainstreaming der NGOs: Nur bestimmte politische Aktionsformen und Themen sind global anschlussfähig. Außerdem steigen die Anforderungen an finanzielle Ressourcen, Personal und fachliche Kompetenzen. In der Folge bleibt der Bewegungsspielraum der NGOs und der Kreis der gesellschaftlichen Akteure, die überhaupt teilnehmen können, beschränkt.
Die mittlerweile institutionalisierte Teilnahme der NGOs an den internationalen Verhandlungen ist aber keinesfalls gleichzusetzen mit formalisierten Mitbestimmungsrechten. Nach wie vor obliegt es den Nationalstaaten oder den internationalen Institutionen, zu entscheiden, an welchen Tischen NGOs platznehmen dürfen. Die politische Forderung der NGOs nach Beteiligungs- und Mitspracheformen im Rahmen der UN-Konferenzen blieb bislang unerfüllt.
Neben den Umweltgruppen gewinnen auch die Wirtschaftsunternehmen, die ebenfalls unter dem NGO-Begriff agieren, wachsenden Einfluss auf die internationale Klimapolitik. Ihre Zahl ist von Verhandlungsrunde zu Verhandlungsrunde angestiegen. Zunehmend erkennen viele Unternehmen die ökonomischen Chancen, die ihnen die Klimapolitik bietet. Die Lobby der fossilen Energieträger und mittlerweile auch die Atomlobby intervenieren massiv. Im Gegensatz zu den Umweltgruppen, die jede Gelegenheit zur Herstellung von Öffentlichkeit nutzen, agieren die Industrielobbyisten eher im Hintergrund.
Gleichzeitig gibt es auch Wirtschaftsunternehmen, die die Bedeutung vorbeugender Maßnahmen gegen die Klimaveränderungen erkannt haben und dadurch ihre Wettberwerbsvorteile nicht unmittelbar gefährdet sehen. Auch zwischen diesen Âfortschrittlichen Unternehmen und den Umwelt-NGOs bilden sich zunehmend sogenannte Âstrategische AllianzenÂ, die nicht nur finanzielle Zuschüsse für die Umweltorganisationen bedeuten, sondern auch eine verbesserte gesellschaftliche Positionierung.
Den größten Erfolg, den NGOs für sich verbuchen können, liegt aber ohne Zweifel darin, dass sie die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit für den Klimawandel erhöht haben. Sie haben für Transparenz hinsichtlich der Verhandlungen gesorgt, auf die Ursachen und Verantwortlichen hingewiesen und eine Plattform zur Einspeisung alternativer Expertisen in die offiziellen Debatten geschaffen. Die Positionen der Umwelt-NGOs wurden in den Aushandlungsprozessen durchaus berücksichtigt, sofern das NGO-Fachwissen sich in die offiziellen klimapolitischen Fragestellungen einpasste. Sowohl die Nationalstaaten als auch die Umwelt-NGOs ziehen also ihren Nutzen aus der Teilnahme der NGOs an der globalen Kooperationsgemeinschaft.
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