Im Dickicht von Edmund und Sabine

Gebührenkampf Zum Wohle der "Privaten" und der Politiker sind die öffentlich-rechtlichen Sender entweder die Manövriermasse oder die Dummen

Seit 1984 gibt es das duale System aus öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Sendern, und seitdem gibt es im Vorfeld jeder Gebührenerhöhung Streit. Ohne Verbesserungen für die "Privaten" wollen CDU-regierte Länder - häufig im Einklang mit dem Medienstandort Nordrhein-Westfalen - keiner Gebührenerhöhung zustimmen. So forderten Kurt Biedenkopf und Edmund Stoiber im Jahre 1995, das erste Programm der ARD und die Konzentrationsgrenzen für Kirch und Bertelsmann abzuschaffen. Ergebnis: Die Rundfunkgebühr stieg, und die Konzentrationsgrenzen fielen.

Medienpolitik ist ein ständiges Nehmen und Geben. ARD und ZDF sind dabei entweder die Manövriermasse oder die Dummen. Immer wenn Leo Kirch, Deutschlands ehemals größter privater Fernsehbetreiber, in finanziellen Schwierigkeiten war, halfen die beiden öffentlich-rechtlichen Anstalten aus, sei es durch den Kauf von überteuerten Filmpaketen oder durch den Erwerb von Fußballrechten. Wenn es sein musste, konnten Helmut Kohl (jahrelang im ZDF-Verwaltungsrat) oder Kurt Beck (Koordinator der Ministerpräsidenten) den nötigen Druck ausüben.

Heute sind viele Filmstudios der privaten Sender mit ihrem teuren technischen Inventar kaum ausgelastet. Weil die Werbeeinnahmen sinken, fehlt das Geld für aufwändige Produktionen. Aus staatlichen Kassen Subventionen zu zahlen, wie noch vor wenigen Jahren sowohl in Bayern als auch in Nordrhein-Westfalen üblich, trauen sich die Landespolitiker angesichts prekärer Haushalte nicht mehr. So bleibt offenbar wiederum nur ein Angriff auf ARD und ZDF, um die "Privaten" zu entlasten. Der Anteil jener an den Medienbudgets der Konsumenten und am Werbeetat der Unternehmen soll in Grenzen bleiben, damit diese wieder frei und mit Gewinn durchatmen können. Darum geht es auch jetzt, bei der aktuellen Debatte um eine weitere Gebührenerhöhung.

Leider geben die öffentlich-rechtlichen Sender immer wieder Vorlagen, die ihnen selbst schaden. Warum muss das ZDF ausgerechnet der ARD eine Moderatorin abwerben und ihr fast den doppelten Produktionsetat (circa 20 Millionen Euro) zusichern? So geschehen mit Carmen Nebel, die für das Zweite im Osten die Quote verbessern soll. Weshalb begeben sich beide mit Volkmusik oder Boulevard-Sendungen in die Schlacht um die Marktführerschaft statt für ein breites Angebot an unterschiedliche Zielgruppen zu sorgen? Als es sonntags Christiansen noch nicht gab, hatten die ARD-Kulturmagazine über zwei Millionen Zuschauer. Jetzt sind sie bei einer Million angekommen. Wieso laufen Mare TV, Super-Illu TV und Bunte TV in der ARD beziehungsweise beim ZDF? Was bekommt man für diese Werbung in fremder Sache? Senkt man so nicht ohne Not den eigenen Standard? In Zukunft, so heißt es beruhigend, wolle man zumindest auf kostenlos bereitgestelltes Filmmaterial der pharmazeutischen Industrie verzichten. Was hat man bisher so einfach mitgenommen?

Die Kosten, die ARD und ZDF so sehr beklagen und die eine Gebührenerhöhung begründen sollen, haben sie selbst kräftig mit angeheizt. Warum wurde im Jahre 2001 der vierfache Marktpreis für die Fußball-WM 2002 gezahlt? Weshalb ließ sich die ARD nach der Kirch-Pleite von den Ministerpräsidenten dazu drängen, die Übertragungsrechte für die Fußball-Bundesliga zu kaufen? Ging es nur darum, die mit über 600 Millionen Euro verschuldeten Fußball-Klubs vor der Insolvenz zu retten? Dass dabei Günter Netzer als Geschäftsführer der Rechtefirma Infront die Spiele verkauft, über die er dann als Sportmoderator berichtet und so doppelt verdient, störte offenbar nicht. Wieso erhält Sabine Christiansens Firma TV 21 pro Auftritt 30.000 Euro und dazu noch eine vertraglich festgelegte Umsatzrendite von sieben Prozent? Solche oder ähnliche Verträge haben noch viele andere, die in ARD und ZDF groß geworden sind und nach Ausflügen zu den "Privaten" teuer zurück gekauft wurden: Beckmann, Kerner, Maischberger, Bulthaupt. Warum sollen nicht alle, die mit ARD und ZDF kräftige Gewinne machen, auf zehn Prozent verzichten? Warum kann hier nicht gespart werden? Müssen Sendungen, die Politiker ins Bild setzen, unbedingt geschont werden?

Die Politik saß all die Jahre mit am Tisch der Intendanten. Die Regierungen und Parteien haben ihre Vertreter in den Rundfunk- und Verwaltungsräten der Sender. Sie sind also immer aus erster Quelle informiert. Und - sie gestalten mit! Gekümmert haben sie sich aber vor allem um eins: um die Posten. Monate und mehrere Wahlgänge dauerte es, bis das ZDF mit Markus Schächter einen neuen Intendanten hatte. Wilfried Scharnagel, Chefredakteur des Bayernkurier, blockierte die Entscheidungen. Nebenbei hatte er einen mit 360.000 DM gut dotierten Beratervertrag mit Leo Kirch, ebenso wie Helmut Kohl, der mehr als eine Million Euro von Kirch erhielt.

Kirchs Nachfolger, Haim Saban, stellt seine Bedingungen dafür, den Medienstandort Bayern und damit Arbeitsplätze zu retten. Das will Stoiber. Seine Vorschläge sollen Bewegung in die Diskussion bringen. Dazu müssen sie weder durchdacht noch durchgerechnet sein. Es geht um Verhandlungsmasse. "Ohne eine Strukturreform wird es keine Erhöhung der Rundfunkgebühr geben", sagt Stoiber und nennt als Beispiel eine Fusion von arte und 3sat, obwohl weder er noch die deutsche Seite allein darüber entscheiden. Schließlich sind Frankreich beziehungsweise die Schweiz und Österreich an diesen Sendern beteiligt. Stoibers merkwürdige Logik kann man auch umkehren: Nach Strukturveränderungen darf eine Gebührenerhöhung kommen. Wenn also ARD und ZDF ihre Strukturen ändern und eigentlich weniger Geld brauchen, dann bekommen sie mehr. "Ist dass nicht Irrsinn, Herr Stoiber?" Diese ausnahmsweise freche Frage eines Journalisten, bei anderer Gelegenheit an den bayerischen Ministerpräsidenten gerichtet, könnte Stoiber auch in diesem Fall locker beantworten: "Nein, das ist Politik."


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