Am 29. Januar 1935 erlebte der UFA-Film Der alte und der junge König in Stuttgart seine Uraufführung. Regie führte Hans Steinhoff, ein alter Routinier der Branche, der sich gleich mit Hitlerjunge Quex den neuen Machthabern angedient hatte. Das Drehbuch hatten Thea von Harbou und Rolf Lauckner verfasst. Die Vielschreiberin - Parteigenossin seit 1932 - hatte schon mit Die Nibelungen und Metropolis präfaschistisches Gedankengut auf die Leinwand gebracht, damals noch als Ehefrau des Regisseurs Fritz Lang. Ihr Co-Autor entwickelte ebenfalls frühzeitig Sympathien für die braune Ideologie. So wirkte das authentischen historischen Begebenheiten nachgebildete Kinostück um die Auseinandersetzungen zwischen dem "Soldatenkönig" Friedrich Wilhelm I. und seinem Sohn, der dann als Friedrich der Große in die Geschichte einging, als Folie für die Vermittlung erwünschter Interpretationen höchst aktueller Ereignisse.
Die "Niederschlagung des Röhm-Putsches" und der Tod Hindenburgs lagen erst ein halbes Jahr zurück, letzte Stationen auf dem Weg des "Führers" zur absoluten Macht. Der Film endet mit der Versöhnung von Vater und Sohn und Machtübergabe am Sterbebett des alten Königs, wobei der junge nachträglich die brutalen Erziehungsmethoden seines Erzeugers gut heißt. Die Erschießung des Freundes Katte wird analog zu Hitlers Reichstagsrede nach der Liquidierung des SA-Stabschefs Röhm mit dem selbstherrlichen Recht des Staatsoberhaupts begründet: "Sein Wille ist Gesetz, und was sich ihm nicht beugt, muss er vernichten." Wenn Friedrich Wilhelm I. gegen den dekadenten Lebenswandel des Kronprinzen wütet und dessen französische Bücher ins Kaminfeuer wirft, wirkt auch dies wie eine historische Legitimierung der Bücherverbrennung vom Mai 1933.
Der alte und der junge König eröffnete die Reihe des Filmmuseums Potsdam über Preußenbilder im deutschen Film - nicht ohne gegenwärtige Assoziationen. Wenn am Beginn die alte Garnisonkirche - Schauplatz der Hitler-Hindenburg-Show im März 1933 - im Bild erscheint, dachte man an die umstrittenen Wiederaufbaupläne des Bauwerks, und die "Langen Kerls" sind ja inzwischen nicht nur Filmstatisten, sondern feierten als Ausdruck fragwürdiger Traditionspflege bereits Wiederauferstehung. Auch dies zeigt: Das Preußenbild, wie es sich in den Köpfen der Menschen malte - teilweise auch heute noch - ist nicht zuletzt beeinflusst durch Filme. Was übrigens nicht nur für Preußen gilt. Im Zeitalter der bewegten Bilder wird die Vorstellung von einem Land und seiner Geschichte in starkem Maße geprägt von dessen Darstellung im Kino. Im Falle Preußens ist dies eine Mischung aus Mythos, Legende und Ideologie. Preußen im Film reduziert sich im wesentlichen auf drei historische Epochen: die friderizianische, die napoleonische und die wilhelminische. Das heißt auch: auf kriegerische Zeiten, und die wurden stets heroisch dargestellt. Negative Seiten des Preußentums blieben ausgeblendet - abgesehen von den wenigen Ausnahmen der nach Theaterstücken gedrehten Filme wie Die Hose, Mädchen in Uniform und Der Hauptmann von Köpenick.
Dem Preußenthema im Kino waren bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs nicht weniger als 44 Produktionen gewidmet, 27 davon entstanden schon in der Weimarer Republik. Am häufigsten personalisierte sich Preußen dabei in der Gestalt Friedrich II. - "Fridericus-Filme" waren ein Begriff. Der erste unter dem Titel Der alte Fritz stammt schon aus dem Jahr 1896. Das Kino feierte gerade mal seinen ersten Geburtstag. Drei weitere Leinwand-Inkarnationen des populärsten Preußenkönigs folgten noch zur Kaiserzeit, bis in der ungeliebten Republik das Thema einen regelrechten Boom erlebte und sich darin ganze 13 Mal monarchische Sehnsüchte nach einem starken Mann projizierten.
Im Januar 1922 startete die UFA den vierteiligen Film Fridericus Rex. SPD und KPD riefen zum Boykott auf, weil sie ihn als Propaganda-Instrument der Rechten zu Gunsten der untergegangenen Monarchie ansahen, und oft kam es vor und in den Kinos zu handgreiflichen Auseinandersetzungen. Eine Ausstellung im Filmmuseum erinnert an den Regisseur Arsen von Cserépy, einen heute vergessenen, sonst filmisch eher glücklosen Ungarn, der sich später mit einem üblen antisemitischen Hetzartikel zum Berlin-Besuch Eisensteins bei Goebbels einzuschmeicheln versuchte. Als Ebenbild des Alten Fritzen stand bei ihm, wie in allen folgenden preußischen Königs-Kinodramen, Otto Gebühr vor der Kamera (den "jungen König" mimte Werner Hinz).
Für die Masse des Publikums verkörperte Friedrich jene Vaterfigur, als die sie ja schon Hindenburg gewählt hatte. Überhaupt spiegelt sich in der Behandlung des Preußenthemas jeweils auch in besonderer Weise die Entstehungszeit des Films. Im Choral von Leuthen, dem ersten von sechs Fridericus-Filmen, die in der Nazizeit herauskamen, erscheint der Protagonist ganz deutlich als einsame Führergestalt; eine Stilisierung, die 1942 ihren Höhepunkt in Veit Harlans Der große König erreicht, einem Propagandaprodukt, das in der Verherrlichung des Preußenherrschers als genialem Feldherrn unverkennbar auf die Analogie zu Hitler zielt.
Der historischen Untermauerung des Führer-Kults dienten auch zwei Bismarck-Filme. Für den ersten, 1940 mit Paul Hartmann in der Titelrolle, schrieb wieder Rolf Lauckner am Drehbuch mit, und die Zeitung von Propagandaminister Goebbels Der Angriff lieferte die Gebrauchsanweisung: "Gerade heute in den Tagen des größten und schwersten Freiheitskampfes der deutschen Geschichte unter der Führung Adolf Hitlers geht das Gedenken und die Erinnerung immer wider auch auf den großen deutschen Kaiser Bismarck zurück, der schon das Ziel vor Augen hatte, das heute dem Führer bis zur letzten Phase gelungen ist." In der Fortsetzung Die Entlassung zwei Jahre später verkörperte Emil Jannings den "eisernen Kanzler".
Die kassenträchtige Wirkung der Filme beruhte nicht zuletzt auf der hochrangigen Rollenbesetzung. Auch für den letzten Missbrauch Preußens im Dienste der Nazi-Propaganda wurde eine Schauspieler-Elite verpflichtet. Ein Vierteljahr nach der Proklamierung des totalen Krieges gab Goebbels den teuersten UFA-Film Kolberg in Auftrag. Als Sprachrohr diente ihm Heinrich George in der Rolle des Bürgermeisters Nettelbeck, der 1807 die von den Franzosen belagerte pommersche Stadt selbst gegen die bessere Einsicht des Festungskommandanten Gneisenau verteidigen will: "Und wenn wir uns mit unseren Nägeln in unseren Boden einkrallen, an unsere Stadt, wir lassen nicht los. Nein, da muss man uns die Hände einzeln abhacken, einem nach dem anderen ... Lieber unter Trümmern begraben, als kapitulieren." Freilich, der Durchhalte-Appell erreichte kaum noch ein Publikum. Als der Film am 30. Januar 1945 uraufgeführt wird, liegen mit deutschen Städten auch viele Kinos in Trümmern. Die Alliierten lösen das Land Preußen - für sie Keimzelle des deutschen Militarismus - auf und verbieten fast alle Filme, die sich mit ihm befasst haben.
Im westdeutschen Film taucht das Preußenthema Mitte der fünfziger Jahre nostalgisch in Gesellschaftsdramen wieder auf, die auf ostelbischen Gütern spielen, und Wolfgang Liebeneiner, Regisseur der Bismarck-Filme, setzt Königin Luise ein Zelluloid-Denkmal. Der generell um eine neue Geschichtsinterpretation bemühte Film der DDR entdeckte in Filmen wie Die Buntkarierten und Die Unbesiegbaren das proletarische Preußen und lieferte mit Wolfgang Staudtes Der Untertan eine brillante Satire auf wilhelminischen Ungeist. Anfang der siebziger Jahre versucht die DEFA mit der Verfilmung von Hedda Zinners Theaterstück Lützower über dieses preußische Freikorps auch einen neuen Blick auf die Befreiungskriege gegen Napoleon, die schon gegen Ende der Weimarer Republik Stoff für einige Produktionen lieferten. Die gleiche Epoche nahm sich 1978 ein fünfteiliger Film des DDR-Fernsehens vor. Auf den Titelhelden Scharnhorst als Heeresreformer berief sich die Nationale Volksarmee, und auch die damalige deutsch-russische Waffenbrüderschaft passte in den ideologischen Zusammenhang.
Schließlich verhalf man in Adlershof sogar dem alten Fritz zu einem Comeback auf dem Bildschirm: Der erstmals 1985 ausgestrahlte - und dann auch von der ARD übernommene -Vierteiler nach Romanvorlage eines polnischen Autors aus dem Jahr 1875 Sachsens Glanz und Preußens Gloria zeugte vom Wandel des Preußenbilds in der DDR und gleichzeitig von einer Rückbesinnung auf regionale Traditionen. Die Darstellung Friedrich II. im Siebenjährigen Krieg zeigte ihn in seiner ganzen Widersprüchlichkeit und stützte sich teilweise auf authentische Äußerungen des Königs. Zwei Szenen, die ihn in einem zu negativen Licht erscheinen ließen, mussten auf höhere Weisung sogar reduziert werden. Da man gerade wieder sein Denkmal Unter den Linden aufgestellt hatte, war zu heftige Kritik an Preußens filmisch meistverwertetem König nicht mehr erwünscht.
Die Reihe im Filmmuseum Potsdam wird im Dezember fortgesetzt mit Bismarck (Wolfgang Liebeneiner, 1940), Die Unbesiegbaren (Arthur Pohl, 1953), Die Buntkarierten (Kurt Maetzig, 1949) und Geliebtes Leben (Rolf Thiele, 1953)
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