Gedränge der Preisträger

Filmfestival Soziale Fragen und kein wohlfeiles Stasi-Bashing: Eindrücke vom 32. Max-Ophüls-Preis, dem Filmfestival für den deutschsprachigen Nachwuchsfilm in Saarbrücken

„Regisseur zu sein ist ein hartes Leben. Es zahlt sich nie aus. Was man an Energien und Qualen reingesteckt hat, kriegt man nie zurück.“ Ein Stoßseufzer von Isabelle Stever, die nun zum dritten Mal in Saarbrücken war. Jungfilmer können ein Lied davon singen, lassen sich aber nicht entmutigen. Immerhin erhalten sie beim Festival Max-Ophüls-Preis für den deutschsprachigen Filmnachwuchs in Saarbrücken ein Forum für ihre frühen Werke.

Andreas Kannengießer hatte nach der Hochschule gerade mal ein Budget von 200.000 Euro. Dank Gagenverzicht bekam er für seinen Diplomfilm an der HFF „Konrad Wolf“ Potsdam Vergiss dein Ende sogar ein Starensemble zusammen: Renate Krößner (Solo Sunny), Hermann Beyer und Dieter Mann tragen den ohne viele Worte und Larmoyanz inszenierten Film mit dem aktuellen Thema Demenz. Von der Pflege ihres Ehemanns überfordert, nimmt sich seine Frau eine Auszeit und versucht sich einem Nachbarn anzunähern, der durch den Krebstod seines Lebenspartners gerade selbst in eine Krise gestürzt ist.

Trotz seines in guter DEFA-Tradition stehenden Hochschulabschlusses muss Kannengießer vorerst von Hartz IV leben. Umso unverständlicher, dass er bei der fast inflationären Preisverleihung leer ausging. Erfreulich aber, dass viele Filmemacher sich für soziale Probleme interessierten. Auch die alleinerziehende deutsch-türkische Mutter dreier Kinder in Abgebrannt lebt von Hartz IV. Das Jugendamt vermittelt ihr eine Mutter-Kind-Kur. Nachdem ein Drogendeal, zu dem sie von ihrem Ex-Freund missbraucht wurde, schief gegangen ist, macht man sich nicht allzu viel Hoffnung – die Autorenregisseurin Verena S. Freytag verdiente sich damit den Drehbuchpreis ex aequo mit Der Mann, der über Autos sprang von Nick Baker-Monteys, einem die Grenzen des Esoterischen streifendes Road Movie mit Robert Stadlober und Jessica Schwarz.

Politthriller über Stasi-Seilschaften

Während alle vier Schweizer Beiträge im Wettbewerb für lange Spielfilme prämiert wurden, war Österreich nur einmal vertreten: In Inside America beschreibt Barbara Eder, basierend auf Erfahrungen in einer texanischen Grenzstadt zu Mexiko und ausgezeichnet mit einem Spezialpreis der Jury, eine Generation zwischen patriotischer Schulerziehung, Model- und Heiratsträumen, Drogen und Fremdenhass. In der Gegenerzählung zum amerikanischen Traum spielen die Jugendlichen sich selbst und vermitteln die Erleichterung, outside America zu leben.

Über anfängliche Komplikationen hinweg dienten gleich drei Filme deutsch-polnischer Verständigung: Wintertochter von Johannes Schmid, Polnische Ostern von Jakob Ziemnicki und Kümmel baut von Paul Hadwiger. Im ZDF kann man demnächst Marc Bauders Spielfilm Das System begegnen: ein perfekter Politthriller über alte Stasi-Seilschaften, der ohne wohlfeiles Bashing auf das nicht an eine Gesellschaftsordnung gebundene Phänomen von Korruption verweist.

Der Max-Ophüls-Preis an Johannes Habers Der Albaner honorierte das politische Engagement in Sachen Immigration, exemplifiziert am Schicksal eines jungen Albaners, der illegal in Deutschland die Mitgift für seine erhoffte Hochzeit verdienen will. Die Saarbrücker waren wie immer ein allen Neulingen aufgeschlossenes Massenpublikum. Zur Attraktivität des Festivals wäre deshalb keine Prominenten-Jury nötig – eine Kinogängerin gestand allerdings, zwei von deren Mitgliedern im Gedrängel „zu streifen“, sei „schon atemberaubend“ gewesen.

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