Tessiner Allerlei

Festival Locarno war in diesem Jahr ein Festival der Superlative. 400 Filme wurden gezeigt, interessant waren dabei vor allem einige Produktionen aus Asien und Osteuropa

Ein Ort versinkt in Schwarz-Gelb. Was nicht für eine mögliche Koalition nach dem 27. September werben soll, sondern mit einer schwierigeren Wahl zu tun hat. Der Besucher des im Zeichen des Leoparden stehenden Filmfestivals von Locarno musste sich zwischen fast 400 Filmen entscheiden.

Wer wollte, konnte sich dabei zum Manga-Spezialisten ausbilden. Allein 160 Beiträge waren der japanischen Spielart des Animationsfilms in deren bisher umfangreichster Retrospektive gewidmet. Skurril präsentierte sich eine neue Koproduktion mit Russland. Heldin von First Squad: The Moment of Truth ist eine russische Komsomolzin mit übernatürlichen Fähigkeiten, die sie im Winter 1942 im Kampf gegen einen okkulten SS-Orden einsetzt.

Realer waren Filme über gegenwärtige Kriege. Lignes de Front, Spielfilmdebüt des Franzosen Jean-Christophe Klotz, erinnert an den Genozid in Ruanda. Ein Journalist begleitet einen Hutu-Studenten aus Paris auf der Suche nach seiner Tutsi-Verlobten in dessen Heimat und verzweifelt angesichts der Massaker-Opfer am Beruf des Kriegsreporters. Aktuelle Bilder der Zerstörung in Gaza liefert die mit dem Spezial­preis des Wettbewerbs „Filmmakers of the Present“ gewürdigte Dokumentation Piumno Fuso des Italieners Stefano Savona, dem es gelang, die Einreisesperren zu überwinden. Ohne Kommentar widerlegen sie eingeblendete israelische Beteuerungen, Angriffe haben nur der Hamas gegolten.

Bei der deutschen Auswahl litt Locarno unter der nahen Konkurrenz von Venedig, wo neue Filme von Fatih Akin, Werner Herzog und Romuald Karmarkar laufen. Als rein deutsche Produktion blieb auf der Piazza Grande Detlev Bucks Same Same But Different, die Liebesgeschichte eines Hamburger Studenten (David Kross) und einem HIV-positiven Barmädchen aus Pnom Penh. Am überzeugendsten wirkten dabei die Einblicke in kambodschanisches Leben von heute. Verhaltener Beifall.

Sympathien beim Publikum eroberte sich die 97-jährige Marga Spiegel, Autorin eines Buches über die Rettung ihrer von westfälischen Bauern zwischen 1943 und ’45 versteckten jüdischen Familie, das der holländische Regisseur Ludi Boeken unter dem Titel Unter Bauern – Retter in der Nacht verfilmte – leider mit Veronica Ferres.

Eine deutsch-britisch-französische Koproduktion verdiente sich den Goldenen Leoparden: She, a Chinese von Guo Xiaolu begleitet eine Dorfschönheit auf ihrer Odyssee von einem chinesischen Nest bis nach London, wobei sie trotz immer wieder scheiternder Beziehungen ihr Selbstbewusstsein bewahrt. Zum Besten im Wettbewerb gehörte ferner die mit dem Preis der Ökumenischen Jury ausgezeichnete deutsch-griechische Koproduktion Akadimia Platonos. Der in Berlin lebende Regisseur Filippos Tsitos wirft dabei einen ironischen Blick auf eine Athener Männerrunde, die allmählich von ihren antialbanischen Ressentiments lässt.

Bot Locarno in den sechziger und siebziger Jahren als eines der ersten internationalen Festivals osteuropäischen Kinematografien ein Forum, so waren diese allein durch den russischen Wettbewerbsbeitrag Buben. Baraban vertreten. Der Film erzählt die Geschichte einer enttäuschten Liebe, ist aber vor allem reflektierte Milieustudie eines Russland im Umbruch. Umso erfreulicher, dass Regisseur Alexej Mizgirev, der bereits mit seinem Debüt Kremen (2007) erfolgreich war, dafür den Spezialpreis der Jury und den Preis für die beste Regie erhielt.


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