Berlin 1889. Robert Koch ist in sein Labor zurückgekehrt. Der weltberühmte Bakteriologe weiß, seine Karriere steht auf dem Spiel. Koch muss liefern. Während er vergeblich nach einem Mittel gegen die Geißel Tuberkulose forscht, droht ihm sein Erzrivale Louis Pasteur mit der Entwicklung von Impfstoffen den Rang abzulaufen. Erneut setzt Koch auf Innovation.
Damit nimmt im August 1890 eine schlimme Geschichte ihren Gang. Wie gewohnt hält Koch auf dem 10. Internationalen Medizinkongress in Berlin seinen Vortrag Über Bakteriologie. Im Zuge dessen ermuntert er eine wissenschaftsbegeisterte Presse, das Gerücht von der Entdeckung eines Heilmittels gegen Tuberkulose in Umlauf zu bringen. Bereits die Ankündigung löst weltweit Euphorie aus. Massenhaft p
e aus. Massenhaft pilgern Patienten nach Berlin. Auch der noch unbekannte Landarzt Dr. Arthur Conan Doyle packt im November 1890 seine Tasche, um, wie er später in sein Tagebuch notiert, „sich sofort auf dieses eigenartige Abenteuer zu begeben“. Ein einziger Krankenhausrundgang und „die Analyse aller ihm zur Verfügung stehenden Daten“ reichen Doyle aus, um an den Daily Telegraph nach London zu telegrafieren: „Das ist experimentell und unreif.“ Koch selbst wird 1891 die Unwirksamkeit seines Heilmittels eingestehen. „Tuberkulin“ entpuppt sich zum Wissenschaftsskandal, nachgewiesen von Kochs berühmtem Kollegen Rudolf Virchow. Conan Doyle hingegen verarbeitet in The Dying Detective die Geschichte, in der der Bösewicht an Sherlock Holmes eine infizierte Nadel verschickt und Doyle den ersten Bioterroristen kreiert.Dieses Kapitel Wissenschaftsgeschichte muss die promovierte Umweltbiologin am Leipziger Helmholtz-Institut, Annelie Wendeberg, sehr inspiriert haben. Sie packte den Stoff weder in einen akademischen Artikel oder in ihr Blog noch in ihren Workshop für Kreatives Wissenschaftsschreiben. „Eines Morgens“, erzählt sie in Interviews, dachte sie, „einmal etwas anderes machen zu können. Ein Buch schreiben, in dem auch Sherlock Holms auftaucht.“Wendebergs Debüt Teufelsgrinsen ist eine Amateurdetektivgeschichte, die in bewährter Sherlock-Homes-Manier beginnt. London 1889. In einer Zeit, in der Frauen beginnen, als Ärztinnen zu arbeiten, ist die aus Leipzig stammende Anna Kronberg, getarnt als Mann über Berlin und Harvard an die Themse gekommen. Bei zweifelhaften Todesursachen wird die Koryphäe in Bakteriologie von Scotland Yard hinzugebeten. Die Leiche im Hampton-Wasserwerk ist kein alltäglicher Fall. Das Opfer wurde absichtlich mit Tetanusbakterien infiziert. Scotland Yard will den Fall so schnell wie möglich abwickeln, Kronberg aber untersucht akribisch. „Vorurteile töten Wissenschaft“, lautet ihr Leitsatz. Und wenn der Moloch London auch seine Verhungerten, Selbstmörder und Seuchenopfer ausspuckt, über ihre Ermordung darf nicht hinweggegangen werden. Das sieht Sherlock Holmes ja ganz genauso.Über seine Entdeckung, dass der scharfsinnige Anton Kronberg in Wahrheit eine Frau ist, wird Holmes schweigen. Doch kann er seine Vorurteile gegenüber Frauen aufgeben? In ihrem ersten gemeinsamen Fall deckt das Ermittlerduo eine ungeheure, in höchste Regierungskreise reichende wissenschaftliche Verschwörung auf. Die Dialoge der beiden sind spritzig, Holmes brilliert nicht mehr einfach als geniales Meistergehirn, Wendeberg verpasst ihm die Rolle des kooperierenden Helfers. Und das geht auf. Für ein paar eingeschworene Fans dürfte womöglich schwer erträglich sein: Am Ende bahnt sich gar eine Romanze an.Annelie Wendeberg hat alles richtig gemacht. Im Jahr seines 160. Geburtstags lässt sie Sherlock Holmes vor viktorianischer Kulisse mit neuer Attitüde auferstehen. Aber Jahreszahlen allein reanimieren noch keine Ära. Die Sprache klingt charmant antiquiert, wobei an mancher Wendung –„mein Herz schmerzte wie ein fauler Zahn“ – noch hätte gefeilt werden können. Aufregend zu lesen ist die Detektivgeschichte dort, wo sie Wissenschafts- und Frauengeschichte lebendig macht, Wendeberg folgt Doyles Vorgehensweise, etwa bei der realistischen Schilderung von Kronbergs Mitarbeit in Kochs Labor. Dort gelang 1889/90 dem Japaner Kitasato Shibasaburō zusammen mit dem Westpreußen Emil von Behring tatsächlich der Durchbruch bei der Bekämpfung des Tetanusbakteriums.Annelie Wendeberg möchte Mädchen und Frauen für Biologie und das Schreiben begeistern, Teufelsgrinsen ist eigentlich auch ein Jugendbuch. Man liest, dass der Roman erst auf Englisch im Netz erschien, wo Wendeberg es mit Trollen zu tun bekam, dann von Piraten lernte, wie man E-Books formatiert. Beflügelt von Zehntausenden Lesern in den USA, schickte sie ihr Debüt an den KiWi-Verlag. Nun hat die Indieautorin einen Vertrag und der Stoff das Zeug zur Serie. Operation gelungen.Placeholder infobox-2Placeholder infobox-1