How to become Sarrazek

Bestseller 7 Punkte, wie man zum Ritter der unterdrückten Mehrheitsmeinung wird - und damit richtig Kohle macht

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1. Suchen Sie sich eine Minderheit, auf der sich gut herumhacken lässt. Sie haben die Wahl: Homosexuelle, Migranten, Hartz-IV-Empfänger.

Tipp: Am besten eine, die keine Lobby hinter sich hat

Achtung!Frauen sind zwar keine Minderheit, aber das mit dem Herumhacken hat ja trotzdem immer funktioniert. Das hat sich jetzt aber erschwert. Vorsicht ist geboten. Terrororganisationen wie Emma oder Twitter pfuschen gern dazwischen. Ersteres hat sich jetzt wohl von selbst erledigt, an letzterem arbeiten wir noch. Vielleicht lässt sich ja doch noch was von der türkischen Regierung den Türken lernen.

2. Wenn Sie mit dem Schreiben anfangen, betonen Sie gleich am Anfang, dass Sie nichts gegen die gewählte Minderheit per se haben, nur gegen bestimmte dieser Personen, die a) Rechte einfordern die ihnen nicht zustehen, b) sich in unsere Sozialsysteme einschleichen, c) ihren vom Steuerzahler bereitgestellten üppigen Lebensunterhalt nur für Bier und Pizza ausgeben.

Achtung! Verschweigen Sie lieber, dass Sie den Anteil dieser Leute auf 100 % schätzen.

Tipp: Ein schwuler Cousin oder Döner als Lieblingsessen zieht immer

3. Erklären Sie, warum Sie sich des Gefühls nicht erwehren können, dass diese Gruppe trotz ihrer Irrelevanz die öffentliche Debatte bestimmt. Bringen Sie Beispiele von Meinungsunterdrückungen, die von der Gruppe ausgeübt wurden. Muss auch nicht aus der letzten Zeit stammen.

4. Äußern Sie die Vermutung, dass gewisse "Gleichstellungsfunktionäre" Sie auch für diesen harmlosen Text "steinigen" werden. Drücken Sie dabei ordentlich auf die Tränendrüse, von wegen was Sie riskieren, Reputation, böse linke Medien, blablabla.

5. Pochen Sie nun auf Ihre Meinungsfreiheit. Ziehen Sie am besten die Verfassung heran, benutzen Sie Floskeln wie "hart umkämpft". Spielen Sie ruhig auf die DDR an.

Achtung! Vermeiden Sie Hitlervergleiche. Überlassen Sie die Ihrem Gegner, irgendwer tut Ihnen schon den Gefallen. Dann haben Sie gleich einen Beweis für -> Punkt 4.

6. Jetzt haben Sie das Fundament für Ihr eigentliches Anliegen geschaffen. Ihre Lieblingsminderheit kann nun bearbeitet werden.

6.1 Am wichtigsten ist erst einmal, dass Sie die Türen schließen, die Sie gleich einrennen wollen. Suchen Sie sich also ein Szenario aus, das so bescheuert ist, dass niemand der noch ganz bei Trost ist, zustimmen wird.

Achtung: Es darf aber nicht völlig den Bezug zur Wirklichkeit verlieren. Das wäre zu auffällig. Suchen Sie den Bezug zu Nachrichten aus der letzten Zeit.
Beispiel Sexismus: Forderung nach Equal Pay / Frauenquote / Elternzeit
Gegenargument: "Männer können keine Kinder gebären. Das wird sich nie ändern. "

6.2:Tür einrennen
Veröffentlichte Schlussfolgerung: "Besonders linke Journalisten und Politiker leugnen gern, dass es noch Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt. Das ist weltfremd. Männer werden nun mal leider nie gebärfähig sein. Sie unterbrechen also von Natur aus ihren Beruf seltener als Frauen. Die Forderung ist nach einer Frauenquote von 50 % ist daher fernab der biologischen und auch der Lebenswirklichkeit." Bäm.

6.3 Nun haben wir das mit den zukünftigen Rechten schon mal geklärt. Jetzt müssen aber noch die bereits Erworbenen infrage gestellt werden. Dazu lohnt ein Blick ins Geschichtsbuch, wahlweise das alte Testament, griechische Mythen. Am glaubwürdigsten sind aber anerkannte Philosophen. Damit kriegt man die ollen Akademiker, und auf den Rest der Leute wirkt es irgendwie gebildet. Aristoteles sagt dann was zur defizitären Homosexualität. Das hat Gewicht.
Also. Die erworbenen Rechte anzweifeln. Hier z.B. Adoptionsrecht für Homosexuelle.

6.4 (optional) Jetzt können Sie noch ein bisschen Panik vor dem Untergang des Abendlandes schüren. Holen Sie ruhig die Mottenkiste hervor, das sorgt immer noch für einen schönen Kontrast zu heute. Als Argument gegen die Homoehe haben Ihnen ja die Grünen den Gefallen getan, vor 20 Jahren gleichzeitig mit den Rechten Homosexueller auch die der Pädophilen stärken zu wollen. Das finden die ja mittlerweile selbst hirnrissig, und daraus lässt sich super eine Prognose ableiten: Wartet 10 Jahre, dann sehen die das mit den Homos selbst ein.

6.5 Eigentlich sind Sie jetzt fertig. Bringen Sie jetzt nur noch ein paar melodramatische Sätze. Dass, wenn solche Meinungen gerade die öffentliche Moral darstellen, Sie wohl Rückständig sein müssen, aber das dann eben wohl so ist.

Tipp: Daraus lässt sich auch prima eine schicke Überschrift formen, die ordentlich für Klickzahlen sorgt. "Ich bin wohl homophob. Und das ist auch gut so." Der Renner.

7. Jetzt einfach zurücklehnen, Klickzahlen beobachten und das Telefon bereithalten, damit Ihnen Einladungen zu Diskussionen, Buchvorstellungen und Gastartikeln ja nicht durch die Lappen gehen.

PS: Wenn dann der Shitstorm kommt, oder sogar die Buchvorstellung gestürmt wird: Weisen Sie noch mal explizit auf Ihre Prognose in Punkt 4 hin. Dann haben Sie damit schon mal Recht. Ungeachtet der Millionenauflage. Dass Sie niemand lesen oder hören würde, haben Sie schließlich nie behauptet.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Helke Ellersiek

Freie Journalistin. Leipzig, Köln, Berlin.Twitter: @helkonie

Helke Ellersiek

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