Gerade begann in New York der Prozess gegen Harvey Weinstein. Der versprach Frauen Rollen in seinen Filmen. Sie beschuldigen ihn, sie sexuell bedrängt und einige vergewaltigt zu haben. Kurz vor Prozessbeginn, es sollten die Fälle von 80 Frauen verhandelt werden, kam es zu einem Vergleich: Jede bekommt 500.000 Dollar. Das zahlt nicht er, sondern seine Versicherung. Seltsame Männerwirtschaft, in der man sich gegen selbst begangene Vergewaltigungen versichern kann.
Im Prozess gegen Jeffrey Epstein ging es um sexuelle Gewalt gegen minderjährige Mädchen. Nicht 80, eher 800, die ihm vier Frauen, darunter Ghislaine Maxwell, Tochter des englischen Zeitungstycoons und Mossad-Mitarbeiters Robert Maxwell, zuführten, mitunter drei am Tag. Viele waren Schülerinnen aus
innen aus der Unterschicht. Sie sollten ihn massieren und bekamen dafür 200 Dollar, später mehr. Epstein vermittelte sie auch an Prominente aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Showbiz und Adel, die er in seine fünf Luxusimmobilien einlud oder mit eigenem Flugzeug, dem „Lolita-Express“, abholte. Er hat nie eine Investition getätigt, versichern Wall-Street-Banker, er muss andere Geldquellen gehabt haben.Die Anklage: einen Sexhandelsring mit Minderjährigen betrieben zu haben. Die Zimmer waren mit versteckten Kameras und Mikrofonen bestückt. Die Aufnahmen sollten jedoch nicht der Karriere der Mädchen dienen, sondern der Erpressung. Epstein und Maxwell betrieben „honey trap operations“, die Mädchen waren Lockvögel, mit deren Hilfe man ihre Vergewaltiger filmte und abhörte, Informationen für den Mossad (und so auch die CIA) sammelte. Umgekehrt bekam Epstein von den Geheimdiensten Geld für seinen aufwendigen Lebensstil. Das meint jedenfalls Journalist Dylan Howard in Epstein. Dead Men Tell No Tales (Skyhorse 2019) und beruft sich auf den israelischen Militärspion Ari Ben-Menashe. Ähnliches hatte 2016 schon James Patterson in seinem Buch Filthy Rich (Little, Brown and Company) nahegelegt. Er führte Interviews mit Opfern und Beamten, die in Florida seit 2005 ermittelten, nachdem Mütter Anzeige erstattet hatten.Honigtopf-OperationenEpstein wurde vor Prozessbeginn erhängt in seiner Zelle gefunden. Kurz zuvor hatte er sein Vermögen einem zugriffssicheren Treuhandfonds übertragen. Rund 600 Millionen Dollar. Wo das Filmmaterial ist, weiß man noch nicht, aber man fand eine Liste mit 100 Namen, die das Gericht veröffentlichen wollte. Einige erhoben dagegen jedoch – anonym – Einspruch. Jetzt will die Staatsanwaltschaft erst einmal die vier Mittäterinnen anklagen, aber Epsteins wichtigste „Madame“, Ghislaine Maxwell, ist untergetaucht. Sie nannte die Mädchen, die sie anwarb und einwies, einmal „trash“. Eine sagte später aus: „200 Dollar waren damals viel Geld. Und sind es heute noch.“Um das Filmen von sexuellen Handlungen geht es auch dem kalifornischen Pornoproduzenten Bob Marshal, der das Weinstein-Epstein-Schema so variiert, dass es legal ist. Er lädt einmal im Monat rund 70 Prager Vorstadtmädchen („amateur girls“) in eine Disko ein, wo sie 300 Euro bekommen, wenn sie einem von fünf Strippern einen blasen und sich dann von ihm ficken lassen. Manche Mädchen lassen sich von allen fünf ficken – und bekommen mehr Geld. Fünf Kamerafrauen und -männer filmen die „geilsten Szenen“. Die sind nicht unbedingt gewaltfrei. Das Prager Material wird auf 200 Minuten „Partyhardcore“ geschnitten, mit einer Dramaturgie, die bei allen der über 200 Filme gleich ist.Drei Varianten, junge Frauen sexuell zu demütigen und mit ihren Filmen reich zu werden, was wiederum den Kontakt zu immer neuen Frauen erleichtert. Die Weinstein-Epstein-Marshals haben einen Vorläufer: Sidney Gottlieb. Ein Wissenschaftler, der das CIA-Projekt „MKULTRA“ leitete, bei dem es um Drogen und Gehirnwäsche ging. Die Sowjetunion hatte dabei bereits einen Vorsprung, glaubte CIA-Chef Allen Dulles. Er machte Millionen locker, um aufzuholen. Die Versuchspersonen waren ahnungslos, wenn in einem der „safe houses“ in Deutschland, Japan und in den USA experimentiert wurde. Später finanzierte die CIA diese „Forschung“ auch an 30 Universitäten und psychiatrischen Kliniken.Alle beteiligten Wissenschaftler und Ärzte dokumentierten ihre Fälle auch filmisch. Bei der „Operation Midnight Climax“ in San Francisco ab 1955 „kam zu dem Drogen- und Methoden-Mix noch Sex dazu“, wie Stephen Kinzer in Poisoner in Chief. Sidney Gottlieb and the CIA Search for Mind Control (Henry Holt 2019) schreibt. Der Leiter der „Chemical Division“ der CIA nahm alle Unterlagen und Filme in den Ruhestand mit. Doch es kamen einige Rechnungen und Aufzeichnungen ans Tageslicht. 1977 musste sich Gottlieb vor einem Untersuchungsausschuss des Senats erklären. Im Internet findet man zigtausend Einträge und Filmschnipsel über sein MKULTRA. Als Betreiber des „safe house“ holte er sich einen Mitarbeiter des Federal Bureau of Narcotics, George Hunter White.Der ließ seinen Assistenten Prostituierte anheuern, deren Job es war, Männer in die Chestnut Street 225 zu schleppen, um ihnen dort LSD ins Getränk zu schütten, während Whites Agenten zusahen und filmten. Die Frauen bekamen 50 bis 100 Dollar pro „Klient“. Gottlieb wollte erforschen, ob die Männer nach Sex unter dem Einfluss verschiedener Drogen anfingen zu reden. „Wenn wir Angst hatten, eine bestimmte Droge selbst auszuprobieren“, sagte ein MKULTRA-Mitarbeiter später aus, „dann schickten wir sie nach San Francisco.“ Bald gab es ein zweites „safe house“ außerhalb der Stadt. Gottlieb besuchte die Häuser auch deswegen oft, weil er scharf auf die Prostituierten war: „He always needed a girl“, erklärte Whites Assistent, der die Mädchen instruiert hatte, von Gottlieb kein Geld zu nehmen, damit der das Gefühl hätte, sie täten es aus Sympathie.Placeholder authorbio-1