Attitüden

Linksbündig Kommt Sex aus der Mode? Die Metrosexualität und warum sie eine Erfindung der Marketing-Abteilung bleibt

Man sagt, dass Homosexuelle gern Mode kreieren, und eine ihrer Launen war die Erfindung der "Metrosexualität". 1994 hatte der schwule britische Journalist Mark Simpson sich einen Scherz erlaubt und ein ironisches Pamphlet gegen den in der Homosexuellenszene grassierenden und auf den heterosexuellen Mainstream überschwappenden Konsumismus verfasst. Acht Jahre später, als der britische Fußballspieler David Beckham sich im Sarong mit Brillanten-Ohrringen, Haarbändern und lackierten Fingernägeln ablichten ließ und schließlich für das englische Schwulenmagazin Attitude posierte, war Not am Mann, und Mark Simpson kam erneut auf seine Begriffsschöpfung zu sprechen: Metrosexuell seien junge urbane Männer mit genügend Geld für Markenklamotten, Schönheitsprodukte, das Fitnessstudio und den wöchentlichen Friseurbesuch. Die sexuelle Präferenz, frozzelte Simpson in einem auf Salon.com erschienenem Artikel, spiele keine Rolle, denn der Metrosexuelle sei in Wahrheit ein Narzisst.

Dies rief die Werbeindustrie auf den Plan, zu deren feuchten Träumen das Wunschbild eines heterosexuellen Mannes gehören muss, der viel Geld für sein Äußeres ausgibt. Begierig griff sie das Label des "Metrosexuellen" auf und ventilierte den Begriff so lange, bis im Juni 2003 die New York Times sich seiner erbarmte. Auch die deutsche Bild-Zeitung fragte sich kurz darauf: "Warum wollen jetzt alle Männer wie Schwule aussehen und Frauen vernaschen?" - und geizte kaum mit einer Antwort: "Das ist die neueste Macho-Masche!" Im schwülen Sommer 2003 folgten einige Outings bekennender "Metrosexueller", die auf ihren Körper achten, jedoch schworen, "straight as an arrow" (gerade/heterosexuell wie ein Pfeil) zu sein. Und das war´s.

Oder hat man seitdem je wieder von "Metrosexualität" gehört oder gar ein Exemplar dieser Gattung leibhaftig gesehen? Umso seltsamer, dass sich nun die Queer Theory berufen fühlt, den schimärenhaften Begriff zu deuten, und ihm ausgerechnet den Eröffnungsvortrag der Queer Lectures, einer von der Initiative Queer Nations frisch ins Leben gerufenen Vortragsreihe, widmet. Die Initiative will ein durch dumme Querelen im Bundestag vereiteltes Zentrum für Sexualforschung, die Magnus-Hirschfeld-Stiftung, neu begründen. Vergangene Woche lud sie erstmalig zu einem Vortragsabend, der vom Literaturwissenschaftler Andreas Kraß bestritten wurde.

Kraß machte die "Homosexualisierung des heterosexuellen Mannes" an der Entgrenzung vormals nur Schwulen zugedachter Eigenschaften fest, die von Heteros übernommen worden seien. Dazu zählen (in Anlehnung an Reimund Reiche) die zunehmende Mobilität, eine serielle Monogamie, Kinderlosigkeit und die Fetischisierung des männlichen Körpers. Die einzige Unterscheidung liege nicht mehr im Habitus, sondern in der Präferenz. Was den ominösen "Metrosexuellen" anbelangt, spielt offenbar der narzisstische Umgang mit dem eigenen Körper eine besondere Rolle. Wer jemals den Fuß in ein Fitnessstudio gesetzt hat, weiß, wovon die Rede ist. Er weiß aber auch, dass keinerlei Effemination dabei im Spiel ist. Die Aufmerksamkeit, die der männliche Körper dort erfährt, unterliegt vielmehr dem Geist der Agonistik und ist Ausdruck von Konkurrenz. Davon kann auch keine Gesichtscreme ablenken.

Hierin eine "Entdifferenzierung der Geschlechter und Präferenzen unter dem Signum des Konsums" (Kraß) zu erkennen, fällt insofern schwer, als zwar die Drogerie-Regale voller Männer-Pflegeserien stehen, jedoch in den Gängen vom "Metrosexuellen" jede Spur fehlt. Er ist ein vom Marketing ersonnenes Phantom, das in David Beckham einen strahlenden Werbeträger fand, um sein Lifestyle-Sortiment an den heterosexuellen Mann zu bringen. Dass dieser nun in Scharen seiner traditionellen Identität entschlüpft und flatterhaft jedes modische Image besetzt, das sich ihm darbietet, erscheint als reichlich verwegener Gedanke. Es würde bedeuten, dass sich die "Heteronormativität des Sexualdiskurses", gegen die sich die kritischen Queer Studies wenden, durch Konsum unterlaufen ließe, durch einen Gang ins nächste Einkaufszentrum. Maskulinität als Maskerade? Das klingt nach Fasching, nach Verkleidung und - nach einem kleinen Scherz.


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