Wer von Formatfernsehen spricht, meint keineswegs Fernsehen mit Format. Die Qualität von Sendungen spielt bei diesem Begriff keine Rolle. Formatfernsehen bedeutet vielmehr standardisierte Programme auf festen Sendeplätzen. Der Nachmittags-Talk, die Nachrichten um 20 Uhr, der Mitternachtskrimi. Bei den vielen Programmen schaffen feste Sendeplätze Orientierung und strukturieren den Alltag der Zuschauer. Besonders Serien, Soaps und Telenovelas bedürfen fester Programmorte, die leicht zu merken sind.
Seit Ewigkeiten startet deshalb Gute Zeiten, schlechte Zeiten (RTL) um Viertel vor acht - als Statement der Jugend gegen die Realität der Hauptnachrichten. Die vielen Krimiserien, die das Programm gegenwärtig überfluten, laufen zur Primetime um 20.15 Uhr und progressive US-amerikanische Serien wie Sex in the City, Dr. House oder Desperate Housewives starten gewöhnlich zwischen neun und zehn Uhr abends. Manchmal hüpfen sie auch wild durchs Programm, und das heißt dann nichts Gutes.
Die Schönheitsoperationsserie Nip/Tuck (Pro7) lief beispielsweise in der ersten Staffel um 21.15 Uhr und ist in der aktuellen zweiten Staffel auf die 23-Uhr-Schiene verlegt worden, vermutlich weil auch den Programmplanern, die gewöhnlich US-Serienerfolge blindlings einkaufen, der grassierende Zynismus nicht entgangen ist. Auch der amerikanischen Schwulenserie Queer as folk, einem weniger mutigen Abklatsch des britischen Originals, widerfuhr Ähnliches. Wochenlang nach Stefan Raabs TV Total (Pro7) um Mitternacht ausgestrahlt, rutschte die Serie um eine schwule Clique aus Pittsburgh immer tiefer in die Nacht - bis sie regulär auslief oder eingestellt wurde. Das erfährt man ja als Zuschauer nicht.
Als Verrückt nach Clara am 11. Januar das Licht der Television erblickte, sogar zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr, versprach sich nicht nur Pro7 einen schönen Erfolg. Die Großstadtsingle-Serie mit einer flotten Journalistin und einem Schwulen als Protagonisten war vergleichsweise aufwändig produziert: keine reine Kulissenwelt, sondern auch Außenszenen aus dem Milieu in Berlin-Prenzlauer Berg. Die Serie sollte in einem von US-Krimis dominierten Umfeld verlorenes Terrain wettmachen. Doch die Rechnung ging nicht auf. Verrückt nach Clara blieb mit 1,14 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 3,4 Prozent weit hinter allen Erwartungen zurück.
Lag´s am Wettbewerb, am abgenudelten Format, bei dessen inneren Monologen der Protagonistin Clara Stern (Julia-Maria Köhler) man sich nur allzu deutlich an US-Erfolge wie Sex in the City erinnert fühlte, oder war die Sendezeit falsch gewählt und ein späterer Beginn die bessere Wahl gewesen? Man weiß es nicht. Die achtteilige Serie rutschte zwei Wochen später auf die 22-Uhr-Schiene, wurde die Woche darauf um Mitternacht ausgestrahlt und nach insgesamt vier Folgen komplett abgesetzt. Was hätte es Pro7 gekostet, die fertig produzierten Restfolgen einfach auszustrahlen und von einer weiteren Staffel stillschweigend abzusehen? Auch der Zuschauerzuspruch von Alles außer Sex, eine Serie, deren zweite Staffel letzte Wochen begann, lässt mit 4,6 Prozent Marktanteil ein schnelles Ende befürchten.
Immer nervöser gerieren sich die Sendeanstalten beim Blick auf die alles beherrschende Quote. Was nicht aus dem Stand Erfolg verspricht, hat zunehmend schlechte Karten. Die Messlatte liegt hoch. Germany´s Next Top Model und Deutschland sucht den Superstar erzielten Traumeinschaltquoten und haben die Begehrlichkeiten der Fernsehmacher ins Unermessliche gesteigert. Und ihre Arroganz. Was ihren hohen Erwartungen nicht sofort entspricht, fliegt umgehend aus dem Programm. Bei Pro7 hat man vor kurzem eine neue Abteilung "Strategische Programmplanung" gegründet, die nach den Worten von Leiter Jürgen Hörner dazu dient, Markenzeichen auszubauen. Der "Mystery-Montag" und das "Blockbuster-Double-Feature" sollen möglichst viele Zuschauer möglichst viele Stunden an den Sender binden. Das hört sich vielversprechend an, denn ein kompletter Abend lässt sich so schnell nicht aus dem Programm kippen.
Nachdem die Europäische Union im vergangenen Jahr das Fernsehen aus der Dienstleistungsrichtlinie herausgenommen hat, fühlt sich augenscheinlich kein Sender mehr zur Dienstleistung verpflichtet. Kaum ein Programmgewaltiger schert sich um die Bedürfnisse der Zuschauer. Zuschauer sind bloße in Quotienten ausdrückbare Zahlen, eine anonyme Manövriermasse, die sich jedes Experiment auf dem Schachbrett der Programmplanung gefallen lassen muss. Von vorausschauender Programmpolitik wird nicht viel gehalten: weder vom nachhaltigen Serienerfolg, der sich möglicherweise erst nach der fünften Folge einstellt, noch von einer konsequenten Informationsstrategie, die dem Zuschauer mitteilt, wann eine Serie zu Ende geht und ob er sich auf eine neue Staffel freuen darf. Sang- und klanglos lief die zweite Staffel von Desperate Housewives aus, obwohl seit langem feststeht, wann es im Herbst weitergeht.
Informationen über das Fernsehen erfährt man nicht im Fernsehen, sondern im Internet. Bei Tvblogger.de wurde kürzlich die Frage gestellt, ob es sinnvoll sei, abgesetzte Serien auszustrahlen, deren Ende offen bleibt und den Zuschauer ohne Lösung zurücklässt. Surface und Invasion sind dafür zwei Beispiele. Beide Serien liefen in den USA nicht sonderlich gut und sind nicht weiterproduziert worden. Die erste Staffel von Surface endet mit einem fiesen Cliffhanger, der auch den deutschen Zuschauer im Ungefähren beließ. Auch Invasion, eine Serie, die auch bei uns keinen großen Zuspruch erfuhr, gelangte nie über die erste Staffel hinaus. Dennoch wurden sie auf Pro7 in Gänze gesendet: Lizenzverträge mit amerikanischen Produktionsfirmen binden deutsche Sender an eine Komplettausstrahlung. Wenn sich nun bloß die deutschen, zudem meist schlecht gemachten Kopien amerikanischer Erfolgsserien aus dem Programm kippen lassen - kann man ihre Produktion dann nicht gleich ganz bleiben lassen?
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