Hoffentlich serviert sie NDR-Talkshow keinen Nescafé, bewirft ihre Gäste nicht mit Kaffeepads und schimpft sie nicht "Schaumlöffler". Dann nämlich könnte Barbara Schöneberger, die kürzlich einen lukrativen Werbejob für eine Kaffeefirma übernommen hat, das gleiche Schicksal ereilen wie die wegen Schleichwerbung geschasste Andrea Kiewel, für deren Nachfolge sie auch schon im Gespräch war. Am heutigen Freitag wird Schöneberger erstmals, zusammen mit Hubertus Meyer-Burckhardt, die NDR-Talkshow moderieren, eine der traditionsreichsten Sendungen der Branche. Nachdem das schale Plaudergespann Julia Westlake und Jörg Pilawa abgetreten ist, wurde dem Talkveteran Meyer-Burckhardt "das Attraktivste, was das deutsche Fernsehen zu bieten hat" (Welt-Online) zur Seite gestellt: eine "kluge Blondine".
Ob sie ihn denn auch zu Wort kommen lassen wird? Wie er sich im Gegenzug gedenkt durchzusetzen? Und ob sich überhaupt Gäste finden, die sich mit der Talk-Domina, deren loses Mundwerk durchaus Peitschenhiebe produzieren kann, in den Ring trauen? Solche Sorgen beherrschen zurzeit die Boulevard-Medien, für die das ungleiche Paar ein gefundenes Fressen ist: Das kecke "blonde Gift" und der zurückhaltend-nachdenkliche "Intellektuelle". Glaubt man den klischeehaften Übertreibungen, die zurzeit über die beiden kursieren, kann bei dieser Art medialer Dialektik nicht viel schiefgehen. Richtig dosiert, ergänzen sich beide in ihrer Wirkung.
Der Schuss könnte freilich auch nach hinten los gehen. Von Meyer-Burckhardt, der die Talkshow bereits sieben Jahre lang moderiert hat, ehe der gelernte Fernsehproduzent 2001 in den Aufsichtsrat von ProSiebenSat.1 wechselte, ist bekannt, dass es ein Jahr brauchte, bevor die Abstimmung mit Alida Gundlach klappte. Viel zu lang für heutige, vom Quotendruck geprägten Fernsehzeiten. Viel zu lang auch für das Temperament einer Barbara Schöneberger, die nicht gerade als Garant für Kontinuität und Sendertreue aufgefallen ist. Die quirlige Schnellsprecherin kann auf eine Vielzahl von Sendungen bei ebenso vielen Sendern zurückblicken, von der Reality-Show Girlscamp (Sat.1) bis zur Solo-Performance in Blondes Gift (zuerst auf privaten Stadtsendern, dann bei ProSieben). Das eine ein Flop - was nicht an ihr lag -, das andere kein Quotenhit.
Dem Aufstieg des Allroundtalents Schöneberger, die sich für die Moderation der NDR-Talkshow selbst ins Gespräch gebracht hat, tat das keinen Abbruch. Meist gelingt es ihr, eine gute Figur zu machen, egal ob sie Benefiz-Konzerte moderiert oder selbst zum Mikrofon greift: Jetzt singt sie auch noch! lautet der Titel ihrer im November erschienenen CD mit frivolen Chansons. Schönebergers Devise: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Und der wurde ihr in der Medienwelt bislang nicht versperrt. Für eine Talkshow zeitgenössischen Zuschnitts bringt sie also die besten Voraussetzungen mit: sich selbst. Darin zeigt sie sich Meyer-Burckhardt ebenbürtig, der seine Karriere einmal mit den Worten beschrieb, man müsse eben aufstehen und gehörig mit den Armen rudern, um beachtet zu werden.
Für ihn hat die Rückkehr zur NDR-Talkshow ein kleines Geschmäckle. Meyer-Burckhardt war 2006 von der Isar zurück an die Elbe gezogen. Dort leitet er seitdem eine Fernsehproduktionsfirma, die jeweils zur Hälfte zu Studio Hamburg und zu Bernd Eichingers Constantin Film gehört. Titel der aktuellen Produktion: Dahoam is Dahoam. Tapfer unternimmt Meyer-Burckhardt jeden Versuch, seinen Wiedereinstieg in die NDR-Talkshow als Selbstverwirklichung zu verkaufen, begleitet von milden Worten des künftigen ARD-Intendanten Volker Herres, der ihn als "Grandseigneur des deutschen Talk" bezeichnet hat.
Derart überfrachtet mit meterhoch getürmten Erwartungen, kann man nur gespannt auf die ersten Sendungen sein. Dass die NDR-Talkshow mit diesen beiden Moderatoren zu ihrem einstigen Format zurückfindet, steht wohl nicht zu befürchten. Dieser Zug ist abgefahren. Im Laufe seiner fast 30-jährigen Geschichte hat das ehemalige "Flagschiff des NDR" eine ganze Armada von Moderatoren hervorgebracht. Gestandene Journalisten wie Dagobert Lindlau, Wolf Schneider oder Reinhard Münchenhagen und begnadete Selbstdarsteller wie Margarethe Schreinemakers und Alida Gundlach.
Dem Lauf der Zeit folgend hat sich die Talkshow immer mehr zu einer Tupperware-Party gewandelt. Früher wurde heftig über Themen wie Abtreibung oder Atomstrom gestritten, heute kommen die Gäste nur noch zur Produktpräsentation vorbei und halten ihr neuestes Buch oder die aktuelle CD in die Kamera. Ob da "schweigen, zögern und flirten" immer eine opportune Gesprächsstrategie ist, wie Hubertus Meyer-Burckhardt glaubt, kann dahin gestellt bleiben. Der NDR-Talkshow stünde jedenfalls eine ordentliche Entstaubung gut zu Gesicht. Barbara Schöneberger hätte das Format dazu. Es müsste ihr nur gelingen, ihre Frechheit als Interesse auszugeben.
Die NDR-Talkshow ist Freitag abend um 22 Uhr im NDR zu sehen und als Wiederholung im HR am Sonnabend um 10 Uhr.
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