Kein Trend auf der Internationalen Funkausstellung: Grüner fernsehen

Medientagebuch Wenn ein Bildausschnitt gerade

Der Stromverbrauch meines Fernsehers, eines nicht mehr ganz neuen LCD-Flachbildgeräts, wird auf dessen Rückseite mit 51 Watt angegeben. Etwa die Größenordnung einer Leselampe. Sollte den Herstellerangaben zu trauen sein, erscheint das nicht sehr viel. Wenn man den statistischen Bundesdurchschnitt von täglichen 282 Minuten Fernsehkonsum veranschlagt, ergibt das gerade einmal 240 Watt. Macht - theoretisch - im Jahr zusammen 87 Kilowatt. Ältere Röhrenfernsehapparate und neue Plasma-Technik verbrauchen deutlich mehr. Laut einer Aufstellung der Deutschen Energieagentur verschlingt ein Röhrengerät mit 76 Zentimeter Bildschirmdiagonale 176 Kilowatt Strom und ein 141 Zentimeter großer Plasma-Bildschirm sogar 730 Kilowatt, das macht 131 Euro.

Die obige Rechnung habe ich soeben zum ersten Mal aufgemacht. Niemand macht sich großartig Gedanken über den Stromverbrauch seines Fernsehgeräts. Bei Kühlschränken und Waschmaschinen ist das anders. Dort haben sich seit langem Energieeffizienzklassen eingebürgert, auch wenn sich die zusätzlichen Kosten für ein besonders effizientes Modell kaum über die Stromrechnung amortisieren. Im Falle der Unterhaltungselektronik gibt es so gut wie überhaupt kein ökologisches Bewusstsein. Die Stereoanlage dudelt tagsüber vor sich hin, der iPod lädt die ganze Nacht, der Fernseher läuft - und ist er ausgeschaltet, glimmt ein rotes Licht.

Offenbar gehen wir mit Aufwendungen, die die Freizeit betreffen, lässiger um als mit solchen, die sich mit der Arbeit verbinden. Auf der Computermesse CeBIT wurde dieses Jahr ein "grüner" Trend ausgerufen und den Konsumenten nahegelegt, sich einen energiesparenden Computer anzuschaffen oder doch bitte zumindest das Powermanagement richtig einzustellen. Solche Töne wird man auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin nicht hören. Dort geht es ums Größer-Dünner-Lauter. So genannte Consumer Electronics haben oft genug mit Statussymbolik zu tun. Die Veranstalter preisen Bildschirme an mit einer Diagonalen von 150 Zoll (381 Zentimeter). Die schmalsten Fernseher sind "so dünn, dass sie beinahe mit der Wand verschmelzen", nämlich nur 38 Millimeter tief. Moderne Heimkino-Anlagen verbreiten über "eine einzige Lautsprecher-Komponente plastische Raumklänge aus bis zu sieben Kanälen" (Presseinfo). Den Nachbarn wird´s freuen.

Nur selten freunden sich einzelne Hersteller mit ökologischen Ideen von Effizienz und Nachhaltigkeit an - und das oft genug halbherzig. Sharp rühmt allen Ernstes einen neuen "Eco-Mode", der die Beleuchtung des Fernsehers um zwanzig oder dreißig Prozent herunterdimmt. Das kann mein Gerät auch. Spazieren gehen auf dem Traumschiff bei Tageslicht wird so zur Nachtwanderung. Philips will seinen EcoTV auf der IFA vorstellen, dessen Energieverbrauch im Stand-by-Modus nur 0,15 Watt beträgt. Ob das Gerät auch einen Aus-Schalter hat, ist nicht zu erfahren. An den neuen Fernsehern von Samsung wiederum können einzelne LED-Lichtquellen abgeschaltet werden - wenn einen gerade der rechte Bildausschnitt nicht weiter interessiert. Mit seinem "Chrystal Design" hat der Hersteller komplett auf den Einsatz von Quecksilber verzichtet - wie schön, denn das ist seit Juli 2006 in Europa auch verboten.

Öko-Aspekte fürs Marketing von "brauner Ware" einzusetzen, ist weder beliebt noch verbreitet. Auf die freiwillige Kennzeichnung mit dem "Blauen Engel", die Aufschluss gibt über die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und das Recycling, verzichten die meisten Hersteller. Sexyness sieht bei Consumer Electronics anders aus: Sie ist schwarz oder weiß und mit einem "Touchwheel" ausgestattet. Da fallen die Produktionsbedingungen in den chinesischen Sweatshops, wo Apple seinen iPod herstellen lässt, kaum ins Gewicht. 50 bis 80 Dollar im Monat verdienen Wanderarbeiterinnen bei Tagesschichten von bis zu 15 Stunden und werden laut der Umweltorganisation Weed in Schlafsälen mit zum Teil mehreren Hundert Personen untergebracht.

Zum Start der IFA haben das Freiburger Ökoinstitut und der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) eine einheitliche Kennzeichnungspflicht für den Stromverbrauch von Fernsehgeräten gefordert. Die Herstellerangaben fußen auf unterschiedlichen Messmethoden und sind dadurch oft nicht miteinander vergleichbar. Auf der Webseite EcoTopTen.de werden Tipps für die Neuanschaffung von Unterhaltungsgeräte gegeben. Zu lesen ist dort, dass eine hohe Auflösung, wie bei High Definition, nur unnötig viel Strom verbraucht und meist vom Bildmaterial gar nicht erreicht wird. Und dass eine Bildschirmdiagonale von 80 Zentimetern für die meisten Wohnzimmer groß genug sei. Mein Fernseher kommt auf 51 Zentimeter, ich habe nachgemessen.

Bei genauerem Überlegen ist mir das eigentlich nicht mehr genug.

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