Jean Pütz ist eine Institution. Soweit ich zurückdenken kann, war er im Fernsehen. Seine hobbythek wird bald dreißig Jahre alt, doch Ende des Jahres ist es mit der Sendung vorbei. Wer hat schon noch ein Hobby? Zur Zeit laufen bereits das Requiem und Wiederholungen aus den siebziger Jahren. Dabei ist die Ratgebersendung die älteste im deutschen Fernsehen und Jean Pütz der dienstälteste Moderator weit und breit. Vermutlich hat nur A Guiding Light im amerikanischen CBS mehr Jahre auf dem Buckel, wo allerdings die Darsteller regelmäßig verjüngt und ausgetauscht werden.
Als Licht im Dunkel der Konsumwelt fungiert indessen auch Jean Pütz. Stets hat er sich unerschrocken durch den Dschungel der Verbraucher(des-)information geschlagen. Angesichts der Unübersichtlichkeit, die dort herrscht, hatte der WDR schon frühzeitig ein wegweisendes Konzept für eine Ratgebersendung entwickelt, deren aufklärerischer Impetus auf Pütz zurückgeht: die hobbythek. Mit wissenschaftlichem Anspruch und alternativem Esprit wurden ab 1974 Verbraucherthemen handfest aufbereitet. Schon in den Anfangsjahren schwor man sich auf ein Do-it-yourself-Prinzip ein: "Weine zum Selbermachen", "Brot - einmal nicht vom Bäcker" oder "Musik zum Selbermachen" lauteten die Themen.
Die ganze hobbythek hatte damals etwas Selbstgezimmertes, worüber Pütz heute nur schmunzeln kann: "Unsere Moderationen waren bei weitem noch nicht so, wie man es heute von Moderatoren erwartet." In Anbetracht der Wiederholungen kann man nun leicht in Ergriffenheit verfallen. Was im Fernsehen einmal alles möglich war! Zwei langhaarige Jungmoderatoren (Jean Pütz und Wolfgang Back) luden allmonatlich zur privaten Bastelstunde. Die Titelmelodie Schalt mal ab und knips dich an, sei doch einmal selbst der Mann... wurde a capella von den Bläck Fööss intoniert, und das Maskottchen "Hobbes" erhielt vor laufender Kamera seinen Namen - ausgedacht natürlich von einem Zuschauer. Die Sendung durchwehte in gleichen Teilen ein kölscher Dialekt wie ein hippiesker Geist. Für ein Hauskonzert auf Streichholzschachteln, Wassergläsern und Gummiringen würde heute wohl niemand mehr zehn Minuten opfern, weder Sendeleitung noch Publikum. Und vom "Aktivieren" des Zuschauers mit Slogans wie "Wir wollen Ihre normalen Fernsehgewohnheiten durchbrechen" spricht schon lange keiner mehr.
Jean Pütz ist mit der Sendung in Ehren gealtert und hat sich wenig dabei verändert. Beim Lockenschopf, dem Schnauzbart und dem karierten Hemd ist es geblieben. Die Brille ist kleiner und runder geworden. Das anfangs rebellische Gebaren wurde mehr oder minder vom Zeitgeist geschluckt. War den frühen Sendungen noch eine subtile Bürgerschreck-Haltung anzumerken, oder zumindest der Spaß an der eigenen Ungewöhnlichkeit, korrespondieren die heute vorherrschenden Öko- und Wellnessthemen mit einem kaufkräftigen gesellschaftlichen Segment. Aus dem forschen, bisweilen besserwisserischen Auftreten des Moderators ist eine kluge Nachsichtigkeit geworden; man ist geneigt zu sagen: Altersweisheit. Jean Pütz hat sein Onkel-Image dermaßen kultiviert, dass es zum eigenen Klischee geworden ist. Seine Moderationen umgibt deshalb immer auch ein schalkhafter Zug.
Von Beginn an verstand es Pütz, lange Märsche durch die Studiokulissen im eleganten Slalom zu absolvieren, ohne je den Blick von der Kamera zu lassen. Das kann er auch heute noch. Wo Ko-Moderator Back (später beim WDR Computerclub) immer etwas fahrig wirkte, sog Pütz sich konzentriert an der Kamera und somit am Zuschauer fest. Wäre das medienwissenschaftliche Konzept der "parasozialen Interaktion" - die Erzeugung der Illusion einer face-to-face-Beziehung über das Fernsehen - nicht älteren Datums, Jean Pütz hätte ihr Erfinder sein können. Wenn heute vom Kultcharakter der Sendung gesprochen wird, ist das wohl auch auf diese direkte Einbeziehung des Zuschauers zurückzuführen. Pütz holt ihn immer dort ab, wo er ihn vermutet, verabreicht "große Wissenschaft in kleinen Dosen", wie der WDR selbst formuliert.
Ein weiterer Aspekt des hobbythek-Erfolgs besteht in der Souveränität. Heute würde man eher vom Nutzwertjournalismus sprechen als von einer Wissenschaftssendung. Zu sehr basiert der Ratgebercharakter auf Themen aus der Lebenswelt, vielleicht sogar der Pützschen Lebenswelt. "Fastfood mal gesund", "Dynamisch gegen Rückenschmerzen", "Lebenselixiere aus dem Orient" und "Kürbiszeit - Wunderzeit" - kaum ein Thema vorstellbar, das bei ihm nicht in guten Händen wäre. Fast möchte man meinen, dass Jean Pütz seinen Privatinteressen unter reger Anteilnahme der Öffentlichkeit im WDR freien Lauf lassen darf. Er selbst nennt das "Trojanisches Steckenpferd". Mit einer Prise Selbstironie umschifft Pütz souverän die Klippen der Peinlichkeit, wenn es etwa um Impotenz bei Männern geht oder um die Heilkraft des Eigenurins. Aus seinem Mund klingt alles sachlich und vertraut. Mit großem Tatendrang, aber niemals missionarischem Eifer, vermag Pütz die Wonnen von Ökologie und alternativer Lebensweise zu preisen.
Mitgegeben wurde ihm das von Haus aus nicht. Denn Jean Pütz ist ausgebildeter Naturwissenschaftler, und die gelten ja eher als spröde. Der in Luxemburg aufgewachsene Moderator kam als Quereinsteiger zum Fernsehen. Nach einer Lehre als Elektromechaniker und einem Diplom in Nachrichtentechnik hatte er noch Physik und Mathematik auf Lehramt studiert, bevor er nebenberuflich für den WDR zu arbeiten begann. Als man ihm dort 1970 den Aufbau der Redaktion Naturwissenschaft und Technik anbot, hatte er ein ideales Feld für seine Ambitionen gefunden. Neben der hobbythek entwickelte Pütz die Wissenschaftsshow, woraus Quarks Co. hervorging, moderierte Bilder aus der Wissenschaft und das Umwelt-Magazin Dschungel. Auf 15 Bücher über technische Themen, 40 Publikation im Rahmen der hobbythek-Reihe und einige Auszeichnungen für Wissenschaftsjournalismus kann er zurückblicken. Zu seinem Vermächtnis kann heute schon sein Engagement für fairen Handel gelten, das dem Kölner Karneval faire Kamellen bescherte.
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