Der Gejagte im Rollstuhl

Amir Labaf In Bosnien-Herzegowina steckt ein Mann fest, den das Regime in Iran zur Strecke bringen will. Es besteht ernste Lebensgefahr.

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Amir Ali Mohammadi Labaf muss über einen sehr starken Willen verfügen. In seinem Heimatland gehörte er als Derwisch des Nematollah Gonabadi Ordens zu einer vom Regime verfolgten Gruppe. Im Detail wirft das Regime in Iran jeder von Verfolgung durch die verschiedenen Sicherheitsbehörden betroffenen Gruppen etwas anderes vor. Insgesamt verfolgt das Regime jedoch mit seinen Vorwürfen eine Agenda der Vereinnahmung dieser Gruppen, weil man keine Diversität in Glauben oder Weltanschauung jenseits des Obersten Führers dulden will.

Ins Gefängnis steckte man Amir Labaf 2005, 2008 und 2018. Die Behörden warfen ihm Störung der „öffentlichen Ordnung“ und „Beleidigung von Heiligkeiten“ vor. Die Verhaftungen erfolgten jeweils im Zuge von Regime Kampagnen gegen die Derwische und ihre Einrichtungen. Labaf gehörte zu den Derwischen, die dagegen öffentlich protestiert hatten.

Jetzt sitzt der Mann in einem bosnischen Flüchtlingslager im Rollstuhl ohne Perspektive auf Schutz vor den Häschern des Regimes in Iran. Bei einem Versuch nach Kroatien zu gelangen, um dort Asyl gewährt zu bekommen, stürzte er und ist seither querschnittsgelähmt. Bei einem weiteren Versuch wurde er von kroatischen Sicherheitsbeamten aufgegriffen und nach einer Behandlung im Krankenhaus zurück nach Bosnien verbracht. Seine Klage vor einem kroatischen Gericht wurde wohl abgewiesen.

Die langen Arme der Regime Agenten

Agenten der sogenannten „Islamischen Republik“ Iran haben mehrfach bewiesen, dass ihre Arme weit nach Europa hineinreichen. Mehrfach wurden Dissidenten weit ab von iranischem Boden zur Strecke gebracht. Bosnien ist kein sicherer Ort für Flüchtlinge aus dem Iran, da das Regime im Zuge seiner „soft war“ Kampagne etliche Einrichtungen in Bosnien unterhält und über gute Kontakte zu einigen bosnischen Politikern verfügt. Labafs Leben ist in Gefahr. Jederzeit können gedungene Mörder einen Auftrag des Regimes umsetzen, da die Behörden in Bosnien keinen Schutz für Labaf gewähren. Mehrere Menschenrechtsorganisationen setzen sich für ihn ein, um ihm die Möglichkeit zu schaffen, in ein sicheres Land einzureisen.

Amir Labaf’s Geschichte hat noch weitere Seiten. Sie hört sich wie ein böser Traum an. Ein böser Traum, den zunehmend auch im Exil lebende Menschen mit iranischem Pass erfahren, wenn sie in den Iran fahren. Sie könnten dort entweder als Agenten rekrutiert werden oder unter obskuren Vorwürfen wie „Gefährdung der Nationalen Sicherheit“ im Gefängnis landen und als Faustpfand für Verhandlungen mit westlichen Ländern mißbraucht werden. Doch es geht noch einige Stufen bedrohlicher.

Protagonist in einer fantasievollen Story

Irans Agenten sind sehr fantasiebegabt, wenn es um die Erfindung von Szenarien und komplexen Geschichten geht. Labaf sollte von den Agenten Irans in einem der größten Coups der letzten Zeit eine Rolle angeheftet bekommen, um der Bevölkerung einen Schuldigen in der Affäre zu präsentieren und gleichzeitig die Derwische weiter zu diskreditieren. Was war passiert? Am 31. Januar 2018 hatten Mossad Agenten ein Lagerhaus in Teheran von seinem geheimen Gut befreit. Dokumente wurden erbeutet, die klar aufzeigten, dass Iran vor dem „Atom-Deal“ tatsächlich an der Entwicklung von Atombomben gearbeitet hatte und nicht nur eine friedliche Nutzung anstrebte. Fünfhundert Kilo Papiere wurden vom Mossad über die Grenze geschafft, ohne dass die Diebe mit ihrer kostbaren Fracht entdeckt wurden.

Hinter den Kulissen schäumten die Verantwortlichen Irans vor Wut. Offiziell behauptete Iran, es handle sich um Fälschungen. Israel Premier Benjamin Netanjahu zeigte Ausschnitte im Fernsehen und legte einige der Dokumente ausgewählten Reportern vor. Letztlich führte dieser Coup dazu, dass Präsident Trump den sogenannten „Atom-Deal“ mit Iran zurückwies und wieder auf Sanktionen setzte.

Das Regime brauchte dringend einen Schuldigen. Nach seiner letzten Verhaftung im Februar 2018 versuchten Geheimdienstagenten Labaf mittels Folter dazu zu bringen, ein Geständnis abzulegen, dass er den Mossad bei der Beschaffung der Dokumente unterstützt hatte. Man meinte einen passenden „Schuldigen“ gefunden zu haben. Amir Labaf war vor 2018 schon einmal in die Türkei geflohen, von wo er dann aber in den Iran zurück kehrte. Diesen Aufenthalt nahmen die Agenten als willkommenen Anlass, um eine Geschichte zu spinnen, in der Labaf angeblich in die Türkei gegangen sei, um dort Geheimnisverrat an den Mossad zu begehen.

Zwei Mal wurde Amir Labaf bis zur Ohnmacht gefoltert und fiel in ein kurzzeitiges Koma, so dass man ihn ins Krankenhaus schaffen musste. Als er nach dem zweiten Mal aus dem Krankenhaus wieder ins Gefängnis zurück gebracht werden sollte, haben ihn Derwische aus dem Krankenfahrzeug befreit und ihm zur Flucht verholfen. Einer seiner Helfer war Behnam Mahdschoubi, der später im Gefängnis durch falsche Medikation und unterlassene medizinische Hilfe zu Tode kam. Die Flucht Amir Labafs gelang. Doch die Schergen des Regimes würden ihn weiter jagen. Seine Flucht hat eine neue Wunde in die Pläne des Regimes geschlagen.

Amir Labafs Situation ist sehr kritisch. Eine Berliner Menschenrechtsorganisation bemüht sich darum, die Bundesregierung auf den Fall aufmerksam zu machen. Schnelles Handeln könnte ein Leben retten und weitere Schandtaten des Regimes unterbinden. Das Regime in Iran muss verstehen lernen, dass Menschenrechte in Europa nicht nur Lippenbekenntnisse sind. Dafür könnte die Bundesregierung ein weiteres Exempel statuieren. Das Regime in Iran kann nicht auch noch in Europa freie Hand bekommen, Menschen zu meucheln.

©mehriran.de, Helmut N. Gabel

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