Großbauer spielt kleiner König

Fondsgeschäft statt Ikea-Rabatt Georg Milbradt wirft in Sachsen hin und schickt die CDU in eine ungewisse Zukunft

Als der Ministerpräsident am Montag in der Englischen Bibliothek der Dresdner Staatskanzlei mit sehr bemüht wirkender Nonchalance seinen Rücktritt erklärte, schaute ihm aus einem Bilderrahmen in der Ahnengalerie sein Vorgänger über die Schulter. Kurt Biedenkopf lächelt auf dem Porträt genüsslich. Siehst du, schien er zu sagen, ich hab´s gewusst.

Milbradt sei "ein hervorragender Fachmann, aber ein miserabler Politiker", hatte Biedenkopf über den Mann gesagt, den er 2001 nach elfjähriger Amtszeit als Finanzminister feuerte und der sich später mit bemerkenswertem Kampfgeist an die Spitze der Partei und des Freistaats geackert hatte. Das war vor sechs Jahren. Seither hat die einst stolze Sachsen-Union eine Landtagswahl vermasselt und sich in der unumgänglichen Koalition mit der SPD als beziehungsuntauglich erwiesen. Besserung ist kaum in Sicht: Kurz vor Milbradts Abgang war die CDU in einer Umfrage unter 40 Prozent gesackt.

Anders als der "kleine König" Biedenkopf, der die Bürger mit monarchischem Pomp und die Partei mit intellektuellem Charisma bezirzte, wurde der Erbsenzähler Milbradt allenfalls respektiert, aber nie geliebt. Er war verrufen als der sture Sauerländer, der allzu oft mit seinem dicken Kopf durch die Wand wollte. In der Öffentlichkeit wirkte er oft linkisch, im Landtag ließ er sich durch Sticheleien aus dem Konzept bringen. Milbradt kannte die Zahlen und Fakten bis ins kleinste Detail. Sowohl die geistigen Höhenflüge als auch der Charme von Biedenkopf indes gingen ihm ab. Wurde dieser als Monarch gelobt, so musste sich Milbradt einen Großbauern nennen lassen: Er krempele wohl die Ärmel auf und esse mit dem Gesinde aus einer Schüssel, sagte der frühere PDS-Fraktionschef Peter Porsch schon 2002. Am Ende aber zähle für ihn nur die Mehrung des Besitzes.

Der freilich litt zuletzt ebenfalls. Zunächst geriet das vermeintliche ostdeutsche Musterland in ein schiefes Licht, als vor einem Jahr über einen politischen Sumpf berichtet wurde. Zudem drohte Milbradts eigentliches Erbe verfrühstückt zu werden: die solide Finanzlage. Nachdem sie in den Sog der US-Immobilienkrise geraten war, musste die Landesbank mittels Notverkauf vor der Schließung gerettet werden; das Land bürgt für 2,75 Milliarden Euro. Dass ausgerechnet der Zahlenfuchs Milbradt von der Misere rein gar nichts mitbekommen haben will, sorgte auch in der CDU für viel Unmut. Das er sich nicht mehr würde halten können, wurde Milbradt klar, als seine Privatgeschäfte mit der Landesbank ans Licht kamen.

Es mutet wie bittere Ironie an, dass der Mann, der stets als Gegenentwurf zu seinem Vorgänger gesehen wurde, diesen nun ausgerechnet im Niedergang nachahmt: Stürzte Biedenkopf über einen Ikea-Rabatt, so war es bei Milbradt ein privates Fondsgeschäft. Während Biedenkopf aber keinen Einfluss mehr auf die Thronfolge hatte, setzte Milbradt noch einen Erben ein. Ab Ende Mai soll der Sorbe Stanislaw Tillich CDU und Regierung führen. Damit rückte erstmals seit 1990 ein Sachse an der Spitze des Freistaats.

Ob der Übergang 16 Monate vor der nächsten Landtagswahl so reibungslos gelingt wie geplant - das bleibt abzuwarten. Große Teile der Opposition drängen energisch auf vorgezogene Neuwahlen. Dazu dürfte es nach dem Treueschwur der SPD zur Koalition demnächst wohl nicht kommen.

Doch die Aussichten der CDU bei den anstehenden Wahlen - im Juni wird bereits in den Kommunen abgestimmt - sind höchst ungewiss. Sicher: Der 49-jährige Tillich, der schon vier Ressorts im sächsischen Kabinett leitete, gilt als einnehmend und diplomatisch. Ob das aber reicht, um die verunsicherte Partei zu einen und das Wahlvolk zu überzeugen? Der erwähnten Meinungsumfrage zufolge gibt es in Sachsen erstmals auch eine Mehrheit für SPD, Linkspartei und Grüne. Und die Bilderrahmen in der Englischen Bibliothek sind ja nicht allein für CDU-Politiker reserviert.

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